30.09.2016 14:44 Uhr

DFB ohne Castro: Eine "große Enttäuschung"

Gonzalo Castro würde gerne wieder im DFB-Dress spielen
Gonzalo Castro würde gerne wieder im DFB-Dress spielen

Die Menschen standen Schlange für das erste iPhone, der VfB Stuttgart war deutscher Meister, Barack Obama noch nicht mal im Amt, als Gonzalo Castro sein bis heute letztes Länderspiel absolvierte. Am 21. November 2007 spielte er für Deutschland beim 0:0 in Frankfurt gegen Wales 57 Minuten lang. Tim Borowski zog damals die Fäden im Mittelfeld, Jens Lehmann stand im Tor. Es war eine andere Zeit.

Fast neun Jahre danach ist das Thema plötzlich wieder akut. Gonzalo Castro hat sich mit hervorragenden Leistungen bei Borussia Dortmund empfohlen, Bundestrainer Joachim Löw kam am Dienstagabend persönlich vorbei, um ihn gegen Real Madrid (2:2) zu begutachten. Er lobte Castro überschwänglich. Aber auch am Freitagmittag fehlte der Name Gonzalo Castro wieder auf der Nominierungsliste - wie immer seit jenem Novembertag.

Für Castros Vereinstrainer ist das unverständlich. "Ich bin zu 100 Prozent davon ausgegangen, dass er nominiert wird, weil seine Leistungen über einen längeren Zeitraum auf sehr hohem Niveau so herausragend gut sind", sagte Thomas Tuchel am Freitag. "Es ist eine große Enttäuschung, das zu hören."

Wohl auch für Castro selbst. "Ich versuche stets, mein Bestes zu geben. Aber wenn es nicht reicht, dann reicht's nicht", sagte der 29-Jährige. "Klar wäre es schön, noch mal eingeladen zu werden. Das wäre etwas Großes."

Kein Konflikt mit Löw

Nun kamen wieder Fragen auf: Gibt es etwas zwischen Gonzalo Castro und dem Bundestrainer, das zur Missachtung führen könnte? "Nein, da war nichts", beteuerte der Mittelfeldspieler im Interview mit dem "Express" am Freitag. Vor einigen Jahren hat Castro zwar Löw nahegelegt, mehr nach Leistung zu nominieren - aber da war er ohnehin schon lange draußen.

Seine BVB-Renaissance hängt mit seinem Wechsel von der Außenbahn ins Mittelfeld zusammen. "Früher, als Rechtsverteidiger, war die Außenlinie mein stärkster Gegner. Jetzt, im Mittelfeld, fühle ich mich viel freier. Ich habe viele Ballkontakte, kann dem Spiel meinen Stempel aufsdrücken", sagt Castro.

Wenn man auf die Scorerliste schaue, in der er sich mit drei Toren und sechs Vorlagen in neun Pflichtspielen verewigt hat, ließe sich vom besten Gonzalo Castro jemals sprechen. Aber, sagt er: "Ich würde mich nie selbst bewerten."

Völler pro Castro

Die Liste von Castros Fürsprechern jedenfalls ist lang, vor dem Duell bei Bayer Leverkusen am Samstag (18:30 Uhr) auch im Lager seines Ex-Klubs. "Er bestätigt seine überragenden Qualitäten. Warum sollte er nicht sein Comeback geben?", fragt Bayer-Sportdirektor Rudi Völler: "Es ist auch immer eine Frage der Alternativen."

Die gibt es in der Nationalmannschaft reichlich. Ironischerweise wäre seine größte Chance wohl die Rechtsverteidigerposition - doch die zu verlassen, hat ihn ja so stark gemacht.

"Gonzalo ist ein unglaublich guter und intelligenter Fußballer", sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc. "Er war früher dabei und hätte es eigentlich verdient, nominiert zu werden."

Castros nächste Chance, in die Nationalmannschaft berufen zu werden, wird nun der 11. November sein: das WM-Qualifikationsspiel in San Marino. Drei Tage zuvor wird Obamas Nachfolger gewählt, der VfB Stuttgart spielt in der 2. Liga. Es gibt das iPhone 7. Es ist eine andere Zeit.