17.10.2016 08:00 Uhr

Fanklub-Vorstand: "Klopp beim LFC war surreal"

Jürgen Klopp brachte das
Jürgen Klopp brachte das "Feuer" zurück an die Anfield Road

Kerstin Albrecht lebt in der Nähe von Potsdam und arbeitet als Lehrerin. Ihr Herz aber gehört dem FC Liverpool. Die 42-Jährige engagiert sich im Vorstand des größten deutschen LFC-Fanklubs "German Reds", der rund 350 Mitglieder hat. Im weltfussball-Interview spricht sie über den Mythos Anfield, problematische Ticketwünsche, Jürgen Klopp und den großen Traum vom Meistertitel.

Frau Albrecht, wie wird man als Lehrerin aus der brandenburgischen Provinz eingefleischter Fan des FC Liverpool?

Über meinen Sohn. Er spielt selbst Fußball, wir haben immer zusammen Fußball geschaut und der englische Fußball ist eben etwas ganz Besonderes. Uns haben am TV Spieler wie Steven Gerrard, Fernando Torres und Dirk Kuyt begeistert. Dann haben wir meinem Sohn 2009 eine Reise nach Liverpool geschenkt. Ich habe mich um Karten gekümmert, obwohl das in England gar nicht so einfach ist, und wir sind mit dem Bus zum Spiel gefahren. Von der Stadt selbst haben wir damals nicht viel gesehen.

Da waren Sie also vom LFC-Virus infiziert. Inzwischen sind Sie im Vorstand eines Fanklubs. Wie kamen Sie zu den German Reds?

Nach unserem ersten Anfield-Erlebnis habe ich über das Internet Leute in Deutschland gesucht, die meine Begeisterung teilen. Über die Fanklub-Liste von Liverpool bin ich auf die German Reds gestoßen. Ich habe dann zuerst nur in deren Forum mitgelesen. Kurze Zeit später bin ich Mitglied geworden.

Sie haben es schon angesprochen: Alle Fanklubs sind über den FC Liverpool organisiert. Wie muss man sich den Kontakt zwischen Ihnen und dem Verein vorstellen?

Wir werden vom Klub betreut. Eine Mitarbeiterin des LFC schickt uns regelmäßig Informationen. Wir haben auch die Möglichkeit, in kleiner Anzahl Tickets für die Spiele über den Verein zu bestellen. Ein Vorstandskollege wohnt zudem in Liverpool. Der hält persönlich den Kontakt. Alle zwei Jahre halten wir dort unser Fanklub-Treffen ab.

Das Thema Eintrittskarten ist für Ihre Arbeit im Fanklub sehr präsent. Die Ticket-Wartezeit für Ihre neuen Mitglieder beträgt derzeit zwei Jahre.

Es kann im Einzelfall auch schneller gehen. Aber wir haben das Problem, dass sehr viele Leute nur an Tickets interessiert sind, um einmal nach Anfield zu kommen. Das hat insbesondere seit dem Amtsantritt von Jürgen Klopp drastisch zugenommen. Wir sind aber keine Ticketverkäufer, sondern eine Gemeinschaft von Supportern, die unseren Klub unterstützen will. Deswegen haben wir eine Art Sperre eingebaut.

Wie oft gehen Sie selbst ins Stadion?

Ein-, höchstens zweimal im Jahr schaffe ich persönlich das. Andere Mitglieder fahren aber durchaus auch drei-, vier- oder fünfmal rüber.

Es gibt im Spielertunnel in Liverpool die berühmte Tafel mit der Aufschrift "This is Anfield". Der Satz steht auch für die besondere Atmosphäre in der Heimstätte der Reds. Was für ein Gefühl ist es, an der Anfield Road zu sein?

Das erste Mal war es wirklich unbeschreiblich. Das war wie ein Traum. Wenn man ein richtiger Fan ist und die Geschichte dieses Klubs kennt, ist es aber immer etwas absolut Besonderes. Die 90 Minuten vergehen viel zu schnell. Wenn man in der 85. Minute auf die Uhr blickt, ist man traurig, dass es gleich vorbei ist.

Das Stadion gilt als eins der der stimmungsvollsten der Welt. Zu Recht?

Absolut, zumal es abgesehen von einigen Modernisierungsmaßnahmen noch im Originalzustand erhalten geblieben ist. Es steht immer noch an seiner geschichtsträchtigen Stelle mitten in der Stadt, drumherum gibt es immer noch die typischen kleinen Häuser. Im Stadion ist an Spieltagen alles rot. Das geht schon unter die Haut. Und die Stimmung ist sogar noch besser geworden, seit Jürgen Klopp da ist.

Apropos Klopp: Der Ex-BVB-Trainer feierte vor einer guten Woche sein einjähriges Liverpool-Jubiläum. Insbesondere in dieser Spielzeit läuft es unter seiner Regie bislang sehr gut. Was hat er aus Ihrer Sicht bewirkt?

Klopp passt einfach zum LFC. Er ist authentisch, bodenständig und emotional. Das erwarten wir Fans auch von unseren Spielern. In Liverpool wollen die Fans sehen, dass die Mannschaft alles gibt. Wenn sie dann trotzdem verliert, haben sie zumindest vollen Einsatz gezeigt. Und Klopp tickt genauso. Die Spielweise des Teams hat er ebenfalls zum Besseren verändert.

Wie sehen ihn die englischen Fans? Wird er ähnlich verehrt, wie während seiner Dortmunder Zeit?

Die Menschen lieben ihn. Mit seiner Art kommt er auf der Insel richtig gut an, seine Interviews haben Kultstatus. Was Klopp in Liverpool noch zum absoluten Heldenstatus fehlt, sind Titel.

1990 ist Liverpool letztmals englischer Meister geworden. Wenn der Verein unter Klopps Regie die Premier League gewinnt, bauen Sie ihm dann ein Denkmal?

Auf jeden Fall. Aber die Verehrung ist jetzt schon groß. Als es im letzten Herbst hieß, dass er Teammanager werden könnte, war das auch bei uns im Fanklub wie ein großer Traum. Wir waren alle der Meinung, dass er passen und es gut machen würde. Aber Jürgen Klopp in Liverpool – das war für mich erst einmal surreal.

Für Klopp und Co. steht nun das Prestigeduell mit dem Erzrivalen Manchester United an. Fiebert man diesem Spiel als Fan besonders entgegen?

Unbedingt. Es gibt zwei Spiele, die für uns als Fans besonders sind. Das 'Friendly Derby' gegen Everton und eben das Spiel gegen United. Letzteres ist aber noch deutlich schärfer. Das ist ein bisschen wie Dortmund gegen Schalke. Nur, dass es bei Liverpool gegen United zumeist auch um Titel geht. Im Hintergrund schwebt immer, dass United Liverpool als Rekordmeister abgelöst hat. Das wurmt uns LFC-Fans schon sehr extrem und wir wollen es wieder ändern.

Schauen wir einmal ein paar Monate voraus. Von was träumt ein Liverpool-Fan heute, wenn er an den Mai 2017 denkt?

Von der Meisterschaft. Ein Pokaltitel wäre zwar auch prima, aber der Premier-League-Titel stände über allem. Als wir 2014 am Ende der Saison noch die Minimalchance hatten, Meister zu werden, bin ich nach Liverpool geflogen. Da war eine ganze Menge deutscher Fans da, viele auch ohne Ticket. Wir haben es zwar nicht geschafft damals, aber trotzdem war das ein tolles Erlebnis. Wenn es mit dem Titel irgendwann klappt, explodiert diese Stadt – und ich wäre dann gerne dabei.

Das Interview führte Tobias Knoop