11.10.2016 09:47 Uhr

Check: Eitel Sonnenschein an der Côte d'Azur

Dante und Mario Balotelli gehören zum neuen Gesicht Nizzas
Dante und Mario Balotelli gehören zum neuen Gesicht Nizzas

Knapp drei Monate nach Ende der EM ist in Frankreich trotz der Finalniederlage ein fußballerischer Aufschwung zu spüren. International halten die Klubs gut mit, und in der Liga ist von einer langweiligen Dominanz des Scheich-Klubs PSG nichts zu sehen. weltfussball zieht in der Länderspielpause ein erstes Zwischenfazit der Topligen Europas. Heute: die französische Ligue 1.

Der Meister:

Nach der Rekordsaison mit 31 Punkten Vorsprung auf die Verfolger und dem anschließenden Abgang von Superstar Zlatan Ibrahimović war bereits im Vorfeld der Spielzeit über ein Ende der PSG-Dominanz spekuliert worden. Und in der Tat hinkt der Serienmeister den eigenen Ansprüchen hinterher: Platz drei mit bereits zwei Niederlagen in acht Partien – so viele wie in der gesamten Vorsaison und damit der schlechteste Saisonstart seit dem Einstieg der Investoren aus Katar stehen zu Buche.

Das größte Problem der Hauptstädter symbolisiert Ibra-Nachfolger und Mittelstürmer Edinson Cavani, der mal - wie beim Viererpack gegen Caen - gefeierte Held, mal aber auch tragischer Chancentod ist. Sollte der stotternde Motor der Pariser, bei denen Kevin Trapp seinen Stammplatz im Übrigen endgültig an den jungen Alphonse Aréola verloren hat, im Laufe der Spielzeit jedoch warmlaufen, wird PSG bald wieder oben stehen.

Die Gewinner an der Tabellenspitze:

Nur auf den ersten Blick überrascht die Tabellenführung von OGC Nice. Die Rot-Schwarzen haben den Abgang von Topscorer Hatem Ben Arfa prominent aufgefangen und sind mit den bundesligaerfahrenen Coach Lucien Favre, Dante, Younès Belhanda sowie Enfant terrible Mario Balotelli ein hohes Risiko eingegangen, das sich jetzt auszuzahlen scheint. Im Verbund mit der bärenstarken Jugendarbeit hat Taktikfuchs Favre eine perfekte Mischung aus Unbekümmertheit und Erfahrung auf dem Rasen gebracht, die in dieser Spielzeit völlig zurecht in Richtung Jackpot schielen könnte. Nicht zuletzt das Überragende 4:0 gegen Monaco zeigte das gewaltige Potenzial der Niçois.

Und das, obwohl auch Monaco zu den positiven Erscheinungen der jungen Saison zählt. Als Außenseiter setzte man sich in der Champions League bereits in der Quali gegen Fenerbahce und Villarreal durch und wusste auch in der Gruppe in Tottenham drei Punkte einzufahren. Auch ohne den Glanz vergangener Jahre stellen die Monegassen den mit Abstand besten Sturm der Liga und scheinen, gerüstet für den Titelkampf zu sein. Das bekam auch PSG schon beim deutlichen 1:3 im Fürstentum zu spüren.

Die Verlierer am Tabellenende:

Was bereits im Saisonvorfeld befürchtet worden war, hat sich in den ersten Spielen endgültig bestätigt: Frankreichs einstiges Aushängeschild Olympique Marseille ist im Abstiegskampf angekommen. Platz 14 auf dem Tableau, Querelen im Umfeld rund um den Verkauf des Vereins sowie das Chaos um Kult-Trainer und Fan-Liebling Marcelo Bielsa, der zurückkehren sollte und dann doch aufgrund eines unzureichenden Kaders absagte, warfen bereits im Vorfeld dunkle Schatten. Hätte Leih-Mittelstürmer Bafétimbi Gomis als Leader, Toptorjäger und –vorbereiter nicht eingeschlagen, würde OM wohl auf den Abstiegsplätzen rangieren.

Unweit davon liegt derzeit der OSC Lille auf dem neu geschaffenen Relegationsplatz 18. Der Double-Gewinner von 2012 machte sich bereits Anfang August beim peinlichen Ausscheiden in der Europa-League-Quali gegen Gabala zum Gespött der Nation und bestätigt diesen Trend mit seinem Saisonstart. Die Nordfranzosen wollten sich nach den Titelgewinnen als große Nummer des Landes etablieren, besitzen mit dem Stade Pierre Mauroy eine der größten und modernsten Arenen des Landes, hinken sportlich jedoch gewaltig den eigenen Ansprüchen hinterher – trotz des goldenen EM-Finaltorschützen Éder im Kader.

Überraschungen und Senkrechtstarter:

Als Überraschungsteam kann bisher eindeutig der FC Toulouse gelten. Die Südwestfranzosen entgingen dem Abstieg in der letzten Saison erst dank eines famosen Endspurts auf der Zielgeraden – diesmal spielen sie oben mit, stehen mit Erfolgscoach Pascal Dupraz auf Rang vier und schickten gar die großen drei Buchstaben aus der Hauptstadt mit 2:0 nach Hause. Auch Metz ist als Aufsteiger mit Mini-Budget gut im Rennen und liegt nur einen Punkt hinter den internationalen Plätzen.

Ein Jahr nach seinem Wechsel vom AS Monaco nach Paris hat sich Layvin Kurzawa endgültig in die Riege der ganz Großen in Frankreich gespielt. Der Linksverteidiger hat nach Startschwierigkeiten im letzten Jahr an Fahrt aufgenommen, gehört mit seiner Offensivpower in jeder Partie zu den Lichtblicken beim Meister und hat sich auch in der Nationalmannschaft mit konstant starken Auftritten links hinten festgespielt. Beim Tabellenführer aus Nizza findet sich mit Malang Sarr zudem ein echter Newcomer, der als 17-jähriger in der Innenverteidigung gemeinsam mit Dante den Laden dicht hält und bereits jetzt von zahlreichen Topklubs in Europa begehrt wird.

Johann Mai