22.10.2016 17:10 Uhr

Der neue AC Milan: Mit Erfolg renoviert?

Kein Bild mit Seltenheitswert: Der AC Milan in Feierlaune
Kein Bild mit Seltenheitswert: Der AC Milan in Feierlaune

Der AC Milan ist ein Kandidat für den Scudetto – ein Satz, der in den letzten Jahren lediglich ironisch oder nostalgisch gemeint sein konnte. Nach acht Spieltagen in der Serie A scheint sich der einstige Trümmerhaufen aus der Modestadt allerdings tatsächlich wieder in die Spitzengruppe Italiens gespielt zu haben. weltfussball geht den Gründen auf der Spur.

Als Vincenzo Montella in diesem Sommer den glorreichen AC Milan übernahm, stand der Ex-Stürmer vor verbrannter Erde. Die Rossoneri hatten zuvor sechs Trainer in den vergangenen zwei Jahren verschlissen, darunter auch hoffnungsvolle Jungtrainer wie Seedorf, Inzaghi oder Mihaljlovic.

Klubeigner Silvio Berlusconi hatte also schon einiges ausprobiert, um den gefallenen Riesen wieder auf Kurs zu bringen. Nur die kühnsten Optimisten glaubten daran, dass es nun ausgerechnet ein ähnlicher Trainertyp wie Montella schaffen könnte, das Ruder herumzureißen.

Kaderplanung im Investorenchaos

Doch in der Tat belehrte Montella seine Kritiker eines Besseren, indem er den Mut aufbrachte, auf radikale Veränderungen zu setzen. Während Silvio Berlusconi seinen Herzensklub für 740 Millionen Euro an eine chinesische Investorengruppe verkaufte und mit angeblich gefälschten Dokumenten die Schlagzeilen in Italien beherrschte, konnte Montella im Hintergrund das Team umkrempeln.

Im Gegensatz zu vergangenen Jahren war dafür allerdings kaum Geld nötig. Milan hielt sich in diesem Sommer auch aufgrund der finanziellen Turbulenzen vornehm auf dem Mercato zurück. Montella versucht lieber, das Potenzial des vorhandenen Spielmaterials in der Spitze auszuschöpfen und ergänzt es clever mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs – ein Reservoir, das in diesem Jahrhundert bei Milan noch fast gar keine Rolle gespielt hatte.

Milans junges Gesicht

"Ich habe das Gefühl, dass hier in Mailand ein Projekt entsteht, das auf die Jugend setzt. Dazu haben wir wieder eine taktische Identität, eine geschlossene Mannschaft und eine defensive Stabilität", bringt es Außenstürmer M’Baye Niang auf den Punkt. Der 21-jährige Franzose hat in diesem Jahr endgültig den Durchbruch geschafft und weist bereits sieben Scorerpunkte aus den ersten acht Partien auf.

Er konnte sich unter Montella ebenso steigern wie Jahrhunderttalent Gianluigi Donnarumma (17) im Kasten oder Innenverteidiger Alessio Romagnoli (21). Darüber hinaus spielen sich derzeit neue Youngster aus der eigenen Jugend wie Außenverteidiger Davide Calabria (19) oder Manuel Locatelli (18) in die erste Elf.

Vor allem letzterer gilt in Italien bereits jetzt als "neuer Andrea Pirlo". Der zentrale Mittelfeldmann besticht bereits in jungen Jahren durch glänzende Übersicht und hervorragendes Passspiel. Gegen Sassuolo erzielte Locatelli zudem bereits ein sehenswertes Volleytor aus der zweiten Reihe, das die erfolgreiche Aufholjagd einleitete. Durch die Verletzung des etatmäßigen Kapitäns Montolivo ist Locatelli in der Zentrale zunächst gesetzt – nicht wenige sehen darin bereits den Beginn der Wachablösung: "Er wird innerhalb der nächsten drei Jahre Kapitän von Milan sein", sagte Milans Chef-Scout Mauro Bianchessi bereits im Frühjahr.

Nicht mehr der "AC Bacca"

Jedoch ist es nicht nur die Jugend, die derzeit groß aufspielt. Auch Spieler wie der derzeit überall auf dem Platz zu findende Bonaventura oder der einst als Fehleinkauf abgestempelte Suso sind zu unverzichtbaren Größen geworden. Und vorne trifft Carlos Bacca nach wie vor regelmäßig wie in alten Tagen. Jedoch ist die Abhängigkeit Milans von seiner Tormaschine in dieser Spielzeit nicht mehr allzu groß, zuletzt konnte es sich Milan gar leisten, den Kolumbianer beim Auswärtssieg in Verona nur in den Schlussminuten ins Spiel zu bringen.

Die Rossoneri scheinen also auf dem Weg zu alter Unberechenbarkeit und Flexibilität. Den neuen Stil versucht Coach Montella im Übrigen auch auf den Mittagstisch zu bringen: Kürzlich führte er zwei vegane Tage pro Woche ein, an die sich die ganze Mannschaft hält und die teamintern auch sehr gut ankommen sollen. Der einst zwielichtige und verstaubte Altherrenklub scheint also in allen Bereichen in der heutigen Welt angekommen.

Johann Mai