14.11.2016 15:20 Uhr

Österreich, die Slowakei und die Sinnfrage

Marcel Koller beschäftigt sich vor der Slowakei mit großen und kleinen Sinnfragen
Marcel Koller beschäftigt sich vor der Slowakei mit großen und kleinen Sinnfragen

Nach einem Jahr zum Vergessen tritt Österreichs Nationalteam am Dienstag (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) den freundschaftlichen Vergleich mit der Slowakei an. Die Gäste verzichten freiwillig auf sechs Stammkräfte. Vor dem letzten Länderspiel 2016 stellt sich die Sinnfrage.

Die Enttäuschung nach der Heimpleite gegen Irland ist allgegenwärtig. Die 0:1-Schlappe am Samstag machte den Fehlstart der österreichischen Nationalmannschaft in die WM-Qualifikation komplett. Die Weltmeisterschaft 2018 in Russland ist in weiter Ferne. Darüber hinaus steht Österreich in der Zwischenbilanz der EM-Teilnehmer am schlechtesten da.

Wunden lecken wäre angesagt, sich zu verkriechen ist keine Option. Zum Abschluss eines komplett verpatzten Jahres steht noch ein Freundschaftsspiel gegen die Slowakei an. Sechs Stammkräfte des Gegners traten den Weg nach Wien nicht an, darunter die Stars Marek Hamšík (Napoli) und Martin Škrtel (Fenerbahçe). Sie haben beim 4:0-Sieg gegen Litauen ihre Schuldigkeit getan. Dass die etatmäßige Nummer eins Matúš Kozáčik fehlt, hat immerhin einen sentimentalen Mehrwert. Rapid-Goalie Ján Novota wird in seiner Wahlheimat das Tor der Slowakei hüten.

Ein ähnliche Situation wäre beim ÖFB-Team unwahrscheinlich. "Das ist nicht unsere Mentalität. Unsere Stärke war immer die Gemeinsamkeit beim Lehrgang", sagte ÖFB-Kapitän Julian Baumgartlinger.

"Nicht alles locker flockig auf den Kopf stellen"

Zeit für Experimente, Beschäftigungstherapie, Beschwichtigung. Welchen Wert haben 90 Minuten gegen die slowakische B-Elf für Österreich überhaupt? "Wenn man glaubt, man kann locker flockig alles auf den Kopf stellen, das wird nicht so sein", wurde ÖFB-Teamchef Marcel Koller nicht müde zu wiederholen. "Es werden neue Spieler auf dem Platz stehen und wir werden Dinge versuchen. Aber von der Idee viel zu ändern, ist schwierig ohne Training."

Mit einer Dreierkette, wiewohl sie im Koller-Hinterkopf bleibt, ist also nicht zu rechnen. Markus Suttner wird wohl nach dem Wimmer-Intermezzo den Linksverteidiger geben. Sollte der Spielverlauf es erlauben, könnte auch Stefan Stangl auf dieser Position zu seinem Debüt kommen.

Auf der rechten Abwehrseite stünde Valentino Lazaro statt Florian Klein parat. Anders als das Offensiv-Trio Michael Gregoritsch, Louis Schaub und Alessandro Schöpf wurde der Salzburger nicht zum Playoff-Einsatz für das U21-Team beordert. Ebensowenig der theoretisch spielberechtigte Marcel Sabitzer. Ihm fehle aber nach zwei Jahren beim A-Team der Bezug zur Nachwuchsauswahl.

Im Tor dürfte es zu keinem neuerlichen Wechsel kommen. Für Ramazan Özcan sprechen fünf Jahre Reservistendasein beim Team hinter Robert Almer. Auch bei Bayer Leverkusen ist der Keeper nur Ersatz.

Versöhnliches Ende

"Für uns ist das Spiel wichtig. Nach diesem Jahr, wo nicht alles rundgelaufen ist und ergebnistechnisch nicht alles zufriedenstellend war, dass wir nochmals einen guten Auftritt haben", erklärte der 56-Jährige und erinnerte an die "Verpflichtung unseren Fans gegenüber, die volle Leistung abzurufen." 13.000 Tickets wurden bisher verkauft. Der ÖFB tut sein Bestes das Ernst-Happel-Stadion geradezu "auszuverschenken". Ein Sponsor ermöglicht für den Jahresausklang einen Kartenpreis von fünf Euro das Stück.

Julian Baumgartlinger wollte die Irland-Pleite so schnell wie möglich abgehakt wissen. Die Teamspieler hätten sehr viel miteinander gesprochen. Ziel ist nun, "mit einem guten Gefühl in das neue Jahr" zu gehen. Im März warten zwei Heimspiele. In der WM-Qualifikation gastiert die Republik Moldau am 24. März in Wien, vier Tage späte folgt ein Länderspiel gegen Finnland.

Die Baumgartlinger-Erkenntnis aus dem verpatzten Jahr fiel folgendermaßen aus: "Wir überraschen nicht mehr." Die konstante Arbeit der letzten Jahre hat sich bewährt und das Nationalteam nach oben geführt. Nun stellen sich die Gegner besser ein, überlassen Österreich mitunter gerne den Ball. "Die Iren haben das gemacht, die Serben sogar zu Hause", so Baumgartlinger. "Diese Situation in Erfolg umzumünzen ist eine neue Herausforderung. Wir haben ein neues Niveau erreicht."

Koller in der Kritik

Österreich ist ausrechenbar geworden. Diese Kritik wurde einige Male an Marcel Koller gerichtet. "Wenn man 20 Jahre Trainer ist, erlebt man diese Situation nicht zum ersten Mal", so der Teamchef, "Siege kann man nicht bestellen. Tore sind wichtig, wir schießen zu wenig und kriegen zu viele." 

"Wenn es gut läuft, dann laufe ich nicht wie ein stolzer Gockel durch die Gegend. Wenn es schlecht läuft, dann versuche ich noch mehr zu arbeiten, zu hinterfragen. Wo können wir was bewegen?", führte Marcel Koller weiter aus. 

Das Experiment Kevin Wimmer als Linksverteidiger wollte Koller ungern als gescheitert ansehen. "Er hat die Ausbildung auf links gemacht". In den letzten Wochen war Wimmer, der am Dienstag 24 Jahre alt wird, alles andere als erfolgsverwöhnt. "Ob es beim Nationalteam war oder bei Tottenham, er war immer irgendwie dabei", nahm auch Koller von dessen Rolle bei Gegentreffern Notiz. "Gerade in schwierigen Zeiten wollen wir ihm zur Seite stehen. Diese Erfahrungen bringen ihn auch weiter", hoffte Koller.

David Alaba ist weiterhin kein Thema als linker Außenverteidiger. "Wir wissen, dass er dort spielen kann, aber er ist im Zentrum wichtiger", bekräftigte Koller. Auch Julian Baumgartlinger erinnerte: "David war im Zentrum sehr wertvoll in den letzten fünf Jahren." Der Kapitän verteidigte auch die weiteren Personalentscheidungen seines Teamchefs: "Der Trainer hatte nach der Ära Fuchs nur vier Spiele Zeit. Es ist legitim, dass er die anderen aufstellt. Jeder hat sich die Chance und Zeit verdient, sich zu beweisen."

Muss sich das Team in seiner Spielanlage ändern? "Angenommen wir stellen alles auf den Kopf und lassen unsere spielerischen Möglichkeiten, die wir fünf Jahre versucht haben auf den Platz zu bringen. Den Ball weit nach vorne kicken, defensiv stehen und auf Konter warten. Wollen wir das? Oder wollen wir weiter an diesen Stärken arbeiten, dass wir gute Fußballer haben und mit schönem Fußball erfolgreich sein können", wollte Marcel Koller wissen, "das ist die Sinnfrage." Sie ist dann doch essentieller als jene nach der Kaderliste des Sparringpartners.

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Sebastian Kelterer