26.11.2016 13:22 Uhr

Conte und die Auferstehung der Blues

Antonio Conte hat aus Chelsea wieder einen Titelanwärter geformt
Antonio Conte hat aus Chelsea wieder einen Titelanwärter geformt

Nach einer indiskutablen Vorsaison ist Chelsea aktuell das Team der Stunde in England. Sechs Siege fuhr das Team zuletzt in Serie ein. Mit Lokalrivale Tottenham (ab 18:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) wartet jetzt aber ein echter Prüfstein auf den wiedererstarkten Titelaspiranten.

Mehr als eine Saison - um genau zu sein 550 Tage - mussten die Blues-Anhänger warten, bis ihre Mannschaft wieder von der Spitze des Tableaus grüßen durfte. Eine lange Leidenszeit für die erfolgsverwöhnten Chelsea-Fans, die nach dem 1:0-Sieg am letzten Spieltag gegen Middlesbrough schließlich ein Ende fand.

Erst im letzten Winter stand man in Westlondon noch vor einem Scherbenhaufen. Nach neun Niederlagen wurde José Mourinho, einst das Gesicht und Aushängeschild des Klubs, auf Platz 16 liegend gefeuert. Ein heftiger Einschnitt in der englischen Hauptstadt, hatte es für den Klub in der 14-jährigen Abramovich-Ära zuvor doch nur eine Richtung gegeben – steil aufwärts.

Conte hat Beton angerührt

Seit dieser Saison scheint man an der Stamford Bridge aber in alte, erfolgreiche Fahrwasser zurückgekehrt zu sein. Vor allem ein Verdienst von Teammanager Antonio Conte, der seit seiner Zeit in Italien als ausgezeichneter Defensiv- und Taktik-Fachmann gilt. Ein Ruf, dem der 47-Jährige seit seinem Amtsantritt im Sommer vollends gerecht wird.

Nach anfänglichen Schwankungen hat Conte seine Hintermannschaft zu einem unüberwindlichen Bollwerk geformt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die 0:3-Niederlage am sechsten Spieltag gegen Arsenal. Der Italiener reagierte nach dem Spiel auf die desaströse Defensiv-Leistung und wechselte dauerhaft von der bis dato favorisierten Vierer-Abwehr auf eine Dreierkette. Ein System, mit dem Conte schon in Turin erfolgreich gearbeitet hatte.

Der besondere Clou: Während die Außenspieler Marcos Alonso und Victor Moses bei eigenem Ballbesitz weit in die gegnerische Hälfte rücken und den nominellen Außenstürmern Eden Hazard und Pedro so die Möglichkeit eröffnen, nach innen zu ziehen, agieren beide bei gegnerischen Vorstößen als Außenverteidiger. So präsentiert sich die Abwehrreihe je nach Spielsituation flexibel als Dreier- oder Fünferkette. Ein taktischer Kniff, der aufging. Seit der Umstellung kassierten Courtois und Co. kein einziges Gegentor mehr.

Dementsprechend siegessicher äußerte sich Alonso vor dem anstehenden London-Derby. "Ich denke, wir Spieler haben momentan die richtige Einstellung. Wenn wir weiter so spielen, wird es für jede andere Mannschaft wirklich schwer uns zu schlagen", sagte der Spanier dem Internetportal "Goal.com".

Sorgenkinder blühen auf

Neben den taktischen Einflüssen impfte Conte aber auch zahlreichen Sorgenkindern neues Selbstvertrauen ein. Eden Hazard verhalf der Italiener zu einer wahrhaftigen Wiederauferstehung. Nach seiner Horror-Saison, in der dem Belgier gerade einmal vier Tore gelingen wollten, knipste der Flügelspieler in der aktuellen Spielzeit schon sieben Mal.

Offensiv-Kollege Diego Costa, im Vorjahr noch ein untrainierter Fremdkörper, der öffentlich mit einer Rückkehr nach Spanien kokettierte, führt mit 10 Treffern sogar die Torschützenliste in England an. "Diego Costa ist einer der besten Stürmer der Welt. Er ist überlebenswichtig für uns. Er hilft uns mit und ohne Ball. Er ist unser Fixpunkt im Angriff und wir brauchen seine Tore", lobte Conte seinen Top-Torjäger zuletzt im "Telegraph".

Alles spricht für Chelsea

Ohnehin gehen Costa und Co. als Favorit in das "Battle of Bridge". Die Spurs mussten unter der Woche das bittere Ausscheiden in der Champions League verkraften. Teammanager Pochettino monierte zudem die kurze Erholungszeit: "Wenn man wie Chelsea nicht im Eurocup spielt, hat man eine Woche, um sich auf das nächste Liga-Match vorubereiten. Wir haben dagegen erst am Dienstag gespielt und sind danach erst spät nach London zurückgekehrt." 

Auch ein Blick in die Statistik kann den Optimismus im Lager der "Lilywhites" kaum steigern. Seit 29 Spielen ist man an der Stamford Bridge sieglos. 17 Spieler aus dem aktuellen Tottenham-Kader waren beim letzten Sieg im Jahr 1990 noch nicht einmal geboren. Ganz besonders schmerzte aber das letzte Unentschieden beim Nachbarn. Durch ein 2:2 verspielte, die Spurs kurz vor Saisonende gegen den Lokalrivalen die letzte Meisterchance.

Für Conte spielen solche Fakten aber keine Rolle. "Es geht immer nur darum, seine Idee aufs Spielfeld zu bringen", gab sich der Teammanger vor dem Spiel nüchtern. Sollte das gegen Tottenham aber ähnlich gut gelingen wie zuletzt, dürfte Chelseas Wiederauferstehung vollends vollbracht sein.

Falk Velten