02.12.2016 11:51 Uhr

Borussia-Krisen: Hausgemacht oder ausgedacht?

BVB-Akteuer Sokratis (l.) will Gladbachs Raffael fern halten
BVB-Akteuer Sokratis (l.) will Gladbachs Raffael fern halten

Borussia Dortmund gegen Borussia Mönchengladbach – ein Duell, das in den letzten Jahren wegen der sportlichen Brisanz besonders elektrisierte. Ein Blick auf die aktuelle Tabelle verspricht jedoch anderes, droht den zwei Traditionsvereinen doch das Bundesliga-Mittelmaß. Vielmehr lohnt aber der Blick auf das Umfeld der beiden Champions-League-Teilnehmer. Dort wird nämlich an der eigentlichen Krise gebastelt.

Sieg und Einzug ins Achtelfinale in Lissabon, Kantersieg beim HSV, Ausrufezeichen gegen Bayern München, Champions-League-Rekord gegen Legia Warszawa. So las sich der schwarz-gelbe November bis zum zwölften Spieltag der Bundesliga. Besser geht es nicht, könnte man meinen. Doch dann das: Der BVB verliert gegen Eintracht Frankfurt. Mittelmaß, fehlende Konstanz, Defizite an allen Ecken und Enden - hört man dem Umfeld von Borussia Dortmund zu, brodelt es gewaltig.

Nun wird deutlich, dass das Dortmunder Umfeld wohl schon länger vor sich hinköchelt. Der BVB steht nach dem ersten Saison-Drittel in der Liga nun mit dem Rücken zur Wand. Hinter den Kulissen der Gelben Wand, der Südtribüne, murrt man über die ständige Rotation sowie Tuchels taktische Testprojekte. Sie sollen der Grund für das ständige "Auf und Ab" in der Liga sein, das der Übungsleiter selbst als so "unbefriedigend" empfindet.

Tuchels Rotation und mangelnde Selbstkritik

So wünscht sich das Fanzine "schwatzgelb.de", dass die Mannschaft mal "ein paar Spiele am Stück mit möglichst wenigen Änderungen in Personal und Taktik herunterspulen darf". Auch bei der Aufstellung im Eintracht-Spiel mit der Sturm-Spitze Aubameyang und Ramos traf Tuchel auf "viel Unverständnis". Eine Stamm-Elf sucht man beim BVB nach zwölf Spieltagen also vergebens.

Dass die vielen Verletzten sowie die Belastung junger Spieler gute Gründe für Tuchels Entscheidungen sind, bleibt oftmals außen vor. Außerdem setzt Tuchel durchschnittlich fast genauso viele Spieler ein wie die restliche international spielende Konkurrenz aus der Liga, räumt auch das Fanzine ein. Bayern München rotiert wettbewerbsübergreifend sogar mit 4,42 Veränderungen pro Spiel mehr als der Vizemeister (4,15), errechnete "schwatzgelb.de".

Watzke beschwört die "BVB-Familie"

Damit nicht genug. Nach der letzten Schelte gegen sein Team schmilzt auch der Sympathie-Kredit der Anhänger für ihren Trainer. Als unnahbar und nicht selbstkritisch genug wird Tuchel mittlerweile von vielen Fans im Ruhrgebiet empfunden. In seiner überragenden Premieren-Saison nahmen die Borussen seine Arbeitsweise gerne an. Läuft es mal nicht so rund, stören die Ecken und Kanten des 43-Jährigen.

Selbst Vereins-Boss Hans-Joachim Watzke, der sich sonst so redselig gibt, schwieg ob der Kritik von und an Tuchel vorerst. Dann versuchte er in einem Interview auf der Vereinsseite die Gemüter zu beruhigen: "Für die abschließenden fünf Partien des Jahres wünsche ich mir, dass unsere Fans trotz der Enttäuschung von Frankfurt wie der zwölfte Mann hinter dem Team stehen und jeden einzelnen Akteur bedingungslos unterstützen." Watzke beschwört die "BVB-Familie" bevor sie unter dem Druck der Erwartungen zusammenbricht.

Gladbach: Schönreden auf höchstem Niveau?

Westlich vom Rhein ist dieser Erwartungsdruck ähnlich hoch und ähnlich explosiv. Sieben Ligaspiele in Folge ohne Sieg und Platz 13 offenbaren die derzeitigen Probleme bei Borussia Mönchengladbach. Unentschieden gegen Hoffenheim, Manchester City und Celtic, Derbyniederlage gegen Köln und ein desolater Auftritt bei der Hertha. Der November liest sich aus Fohlen-Sicht nicht wirklich wie eine Erfolgsgeschichte.

Sportdirektor Max Eberl, Trainer André Schubert und Kapitän Lars Stindl sind also gefragt – und kennen den Schuldigen: "Das Quäntchen Glück" ist der Übeltäter, so Stindl im Interview mit "bundesliga.de". Mal ist es auch das fehlende "Match-Glück", wie Schubert vor Wochen nach der Pleite in Berlin monierte.

"Die Tabellensituation ist unangenehm und kritisch, die Leistung im Spiel gegen Hoffenheim war gut", redete der Übungsleiter die Situation auf der Pressekonferenz vor dem Schlager gegen den BVB ein wenig schön. Auch Max Eberl sagte schon vor dem verlorenen Derby gegen Köln optimistisch: "Wir haben nun wieder den Kader zusammen, der uns zu Saisonbeginn in die Champions-League geführt hat. Die Leistungsdelle wird uns nicht umhauen."

Auswärtsschwäche und die auszurechnende Offensive

Doch so einfach ist das nicht, meinen viele Anhänger des Tabellenvierten der Vorsaison. Die aktuelle Situation habe weniger mit dem "Match-Glück" als mit dem Match-Plan des Trainers zu tun. Zu oft biete der VfL dasselbe Spiel, wie beispielsweise im "Borussia Forum" heiß diskutiert wird: Er legt los wie die Feuerwehr, erarbeitet sich Chance um Chance und verliert mit Dauer der Partie vor allem defensiv die Kontrolle. Ein auszurechnendes Offensivspiel, mangelnde Konzentration und unzureichende Chancenverwertung kommen hinzu, die Punkte fahren andere ein. Stellschrauben also, an denen der Trainer durchaus drehen könnte.

Erschwerend kommt nun hinzu, dass sich Schuberts Elf vor allem in der Fremde erheblich schwer tut. Ein Punkt aus fünf Auswärtsspielen in der Liga ist zu wenig, um auch in der kommenden Spielzeit international vertreten sein zu können. Ausgerechnet jetzt geht es nach Dortmund. Verliert Gladbach auch beim BVB, ist die Krise nicht mehr ausgedacht, sondern hausgemacht. Gleiches gilt aber übrigens auch für Borussia Dortmund.

Gerrit Kleiböhmer