03.02.2017 09:29 Uhr

Das neue OM: Champions oder Spielzeug?

Payet (l.) und seine Teamkollegen wollen das Feld von hinten aufrollen
Payet (l.) und seine Teamkollegen wollen das Feld von hinten aufrollen

Die Winter-Transferperiode ist Geschichte – Last-Minute-Kracher blieben im europäischen Spitzenfußball diesmal weitestgehend aus. Für Aufsehen sorgte zumeist die Ligue 1: Neben Julian Draxlers Wechsel zu PSG war es vor allem Altmeister Olympique Marseille, der den Markt mit überraschenden Verpflichtungen aufhorchen ließ. Was steckt hinter dem "OM Champions Project"?

Der Oktober 2016 war der richtungsweisende Monat für "Les Olympiens". Margarita Louis-Dreyfus, Witwe des 2009 verstorbenen adidas-Besitzers Robert Louis-Dreyfus, wollte den sportlich unsteten Verein loswerden. Unter den heißblütigen Fans des neunmaligen Meisters befürchteten nicht wenige eine Fortsetzung des Missmanagements der vergangenen Jahre.

Der Zuschlag ging letztlich an Frank McCourt, einen 63-jährigen Geschäftsmann aus den USA. Panisch fragten sich die meinungsstarken OM-Ultras, ob ihr Traditionsverein nun endgültig zum Spielzeug eines unbeteiligten Marketing-Moguls aus Übersee verkommen war. Noch bevor die Pläne McCourts lanciert waren, regten sich bereits erste Proteste auf den sonnenverwöhnten Straßen am Mittelmeer.

McCourt will um den Titel spielen

Schnell suchte der Investor nach Parolen, um die Anhänger des nach wie vor beliebtesten Fußballklubs des Landes hinter sich zu versammeln: "OM ist eine der besten Marken in Europa. Ich will ein stabiles Team formen mithilfe eines Managements, das Professionalität und Weitblick ausstrahlt." Und dann folgte der goldene Satz: "Ich will ein Team sehen, das jedes Jahr um den Titel mitspielt, das ist mein Hauptanliegen." Ohne Frage ein Volltreffer ins Fanherz.

Marketing-Ass McCourt bewies ein cleveres Händchen: Der 63-Jährige kündigte an, unter dem Namen "OM Champions Project" in den kommenden vier Jahren rund 200 Millionen Euro in die Mannschaft investieren zu wollen. Den ersten Schritt in Richtung Spitze nahm er bereits im vergangenen Jahr, als er Lilles Ex-Meistertrainer Rudi Garcia verpflichtete und zudem den international glänzend vernetzten Andoni Zubizarreta als Sportdirektor installierte.

Seither kämpfte sich OM mit einem Rumpfkader Schritt für Schritt vom Tabellenkeller in die obere Region und steht derzeit auf einem ordentlichen sechsten Rang. Doch das soll erst der Anfang sein.

OM verschafft sich Respekt auf dem Transfermarkt

Im Winter sollte nach Aussagen des Managements ein erstes Zeichen gesetzt werden, bevor im kommenden Sommer eine umfassende Transferoffensive folgen soll. Mit Erfolg - vor allem angesichts der eher zurückhaltenden Konkurrenz.

Mit Ausgaben in Höhe von rund 43 Millionen Euro zählte Olympique europaweit zu den spendierfreudigsten Klubs. Im langwierigen Hick-Hack um Dimitri Payet ist Marseille als Sieger hervorgegangen – OM ist offenbar wieder in der Lage, hohe Summen für einen einzelnen Spieler auf den Tisch zu legen.

Dazu kamen mit Patrice Evra ein erfahrener Leitwolf und mit Morgan Sanson ein talentierter Mittelfeldstratege, der darüber hinaus einer der Top-Vorbereiter der Liga ist. "Hier entsteht gerade etwas ganz Großes, und ich will ein Teil davon sein", sprach Evra exemplarisch das aus, was alle Neuverpflichtungen derzeit von OM behaupten.

"Natürlich zeigen Evra und Payet, dass wir wieder ernstzunehmen sind. Allein Payet verkauft rund tausend Trikots pro Tag", betont der von McCourt installierte Klubpräsident Jacques-Henri Eyraud. Trotzdem soll OM kein neues Paris Saint-Germain oder Manchester City werden: "Wir werden das Team intelligent und behutsam verstärken, mal mit vielversprechenden Talenten, mal mit erfahrenen Akteuren. Aber all das mit einem vernünftigen Budget, wir sind nicht Katar."

Der Finanzhai ist unberechenbar

Klingt zunächst einmal vielversprechend – doch wie reagiert der Investor, sollte das Team im traditionell schwierigen Vereinsumfeld auch nach Monaten nicht den Weg in die Spitze finden? Schließlich ist McCourt nicht zum ersten Mal Besitzer eines Sportvereins.

Laut "ESPN" gilt der Mann aus Kalifornien nämlich als einer der schlechtesten Klubbesitzer der jüngeren Baseballgeschichte. Als Investor bei den LA Dodgers (2004-12) agierte McCourt überheblich und kurzsichtig, trotz dreier Meisterschaften verspekulierte er sich und legte das Geld falsch an. Trauriger Tiefpunkt: Die Installation seiner damaligen Frau Jamie als Präsidentin, von der er sich jedoch 2011 scheiden ließ, um in der Folge satte 131 Millionen Dollar an sie zu zahlen.

Im selben Jahr gerieten die Dodgers in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Unter anderem kam heraus, dass McCourt private Verbindlichkeiten durch Einnahmen der karitativen Dodgers-Gesellschaft "Dream Foundation" finanziert haben soll. Stark in der Kritik stehend musste der Geschäftsmann den Verein 2012 verkaufen – immerhin für 2,15 Milliarden US-Dollar und damit für die höchste Summe, die je für einen Sportverein bezahlt wurde. Ist Marseille also letztlich doch nur das Spielzeug eines überdrehten Finanzhais?

Johann Mai