05.02.2017 11:00 Uhr

Kamerun beim Afrika Cup: Mentalität ist alles

Trainer Hugo Broos (l.) steht mit Kamerun im Finale des Afrika Cups
Trainer Hugo Broos (l.) steht mit Kamerun im Finale des Afrika Cups

Kamerun schaffte es trotz der Absagen von Stars wie Eric Maxim Choupo-Moting und Joel Matip ins Finale des Afrika Cups in Gabun. Dort treffen die "Unbezähmbaren Löwen" am Sonntag auf Ägypten. Vater des kamerunischen Erfolgs ist Trainer Hugo Broos. Der Belgier kam auf kuriose Weise zu seinem Job - und impfte dem einst zerstrittenen Team eine neue Mentalität ein.

Stellenanzeigen im Internet. Für viele Arbeitnehmer heutzutage eine gängige, vermutlich sogar die beliebteste Art und Weise, einen neuen Job zu finden. Schnell, günstig, eine große Auswahl potentieller Stellen - vieles spricht dafür, sich online auf dem Arbeitsmarkt umzuschauen.

Im Fußball-Trainergeschäft ist diese Art der Jobsuche fast gänzlich unbekannt. Coaches müssen sich auf ihre Stellen üblicherweise nicht bewerben.

Ihre potentiellen Arbeitgeber, Klubs und Nationalverbände, beobachten den Markt, erstellen Profile, listen Stärken und Schwächen auf. Wird dann eine Trainerstelle frei, wird die Liste der Kandidaten abgearbeitet. Welche Impulse soll der neue Mann an der Seitenlinie setzen? Welcher Coach ist gerade zu haben? Wer passt zum Team?

Beim kamerunischen Verband FECAFOOT ticken die Uhren ein wenig anders. Als die Verantwortlichen Anfang 2016 nach einem Nachfolger für den entlassenen Volker Finke suchten, hatten sie zwar auch eine Kandidatenliste in der Schublade. Doch die Verantwortlichen fuhren lieber zweigleisig.

Von Skepsis zu Bewunderung

Also machten es die Kameruner wie in der "normalen" Arbeitswelt und inserierten den Job parallel auch im Netz. Hugo Broos, bis dahin nur Kennern des belgischen Fußballs ein Begriff und seit einem Jahr arbeitslos, sah die Anzeige, bewarb sich - und machte überraschend das Rennen.

Die Reaktionen im Land des WM-Viertelfinalisten 1990 fielen skeptisch aus. "Hugo wer?", fragten sich viele Kameruner angesichts der Inthronisation des international nahezu unbekannten Coaches. Ausgerechnet ein Nobody sollte die einst so stolzen, aber zuletzt chronisch erfolglosen Löwen in die Erfolgsspur zurückführen?

Fast genau ein Jahr später hat sich die Skepsis in grenzenlose Bewunderung gewandelt. Broos führte das Team souverän als Gruppenerster durch die Afrika-Cup-Qualifikation. Bei der Endrunde in Gabun winkt dem 64-Jährigen und seinen Schützlingen nun sogar der ganz große Wurf.

"Ich bin sehr glücklich für mein Team, es ist eine außerordentliche Gemeinschaft auf und abseits des Rasens", freute sich Broos nach dem 2:0-Erfolg im Halbfinale gegen Ghana - und brachte damit sein Erfolgscredo der letzten zwölf Monate in einem Satz auf den Punkt.

Revolution auf dem Rasen und in den Köpfen

Von Beginn seines Engagements an sortierte Broos mögliche Quertreiber aus: Torhüter-Routinier Carlos Kameni und Kapitän Stéphane Mbia hatten unter dem neuen Coach keine Zukunft mehr. Choupo-Moting, immerhin Stammspieler bei Schalke 04 und zuvor eine feste Größe im Nationalteam, fand sich mehrfach auf der Bank wieder.

Broos installierte zahlreiche neue Akteure und eine neue Spielphilosophie. Defensiv-Organisation und taktische Disziplin rückten in den Mittelpunkt.

Auch in den Köpfen der Spieler sorgte der Coach für eine Revolution. "Ich habe einige interne Regeln und disziplinarische Richtlinien erlassen. Wir haben die Mentalität des Teams geändert. Die Spieler sind nun hochmotiviert und stolz darauf, ihr Land zu vertreten", erklärt Broos.

Streit, Missgunst und Egotrips, für die Kameruns Team in der Vergangenheit bekannt war, gehören der Vergangenheit an.

Matip und Co. lassen das Team im Stich

Auch von den Störfeuern im Vorfeld der Afrikameisterschaft ließ sich die neu formierte Gemeinschaft nicht erschüttern.

Neben Choupo-Moting wollten auch der Ex-Schalker Joel Matip (FC Liverpool) Allan Nyom (West Bromwich Albion), André Onana (Ajax Amsterdam), Guy N'Dy Assembé (AS Nancy), Maxime Poundjé (Girondins Bordeaux), André Zambo Anguissa (Olympique Marseille) und Ibrahim Amadou (OSC Lille) in Gabun nicht für ihr Land antreten.

"Sie haben persönliche Interessen über die ihrer Nationalmannschaft gestellt", kommentierte Broos das Verhalten der Europa-Legionäre - und nahm kurzerhand gleich 14 Afrika-Cup-Neulinge mit zur Endrunde.

Gegen Ägypten eher Außenseiter

Im Endspiel gegen Ägypten wollen die Kameruner Revanche für die Finalniederlage 2008 nehmen und erstmals seit 15 Jahren wieder das wichtigste Turnier Afrikas gewinnen. "Es ist eine einmalige Chance für meine Mannschaft und das Erreichen des Finals gibt uns noch einmal einen Schub", sagt Broos.

Im Duell mit den deutlich erfahreneren "Pharaonen" ist Kamerun zwar leichter Außenseiter. Aber Broos glaubt an sein Team. "Wenn wir so spielen wie zuletzt, können wir mithalten."

Und selbst wenn die Löwen ihr Traumziel Afrika-Cup-Sieg verpassen und die Partie gegen Roma-Star Mohamed Salah und Co. verlieren sollten - Broos wird sich wohl nie wieder einen Job über das Internet suchen müssen.

Tobias Knoop