27.02.2017 14:32 Uhr

Meinung zum VfL: Der dritte Schuss muss sitzen

Leise Lösung - große Wirkung? Andries Jonker ist der neue Cheftrainer beim VfL Wolfsburg
Leise Lösung - große Wirkung? Andries Jonker ist der neue Cheftrainer beim VfL Wolfsburg

Neuer Chefcoach des VfL Wolfsburg und Nachfolger von Valérien Ismaël wurde überraschend Andries Jonker. Der ehemalige Interimstrainer der Bayern und einstige Wolfsburger Co-Trainer ist die letzte Patrone der abstiegsbedrohten Niedersachsen. Ein Kommentar.

Jonker ist bereits der dritte Trainer, der den VfL wieder auf Kurs bringen soll. Durch Ex-Sportchef Klaus Allofs eingesetzt und wenig später zum Chefcoach befördert, beerbte Valérien Ismaël erst im Herbst Dieter Hecking. Der Schuss ging nach hinten los. Allofs selbst musste als nächster Verantwortlicher seine Koffer packen.

Auf Allofs folgte Rebbe in der Verantwortung. Der neue Sportchef musste auf die anhaltende Talfahrt reagieren. Denn Ismaëls magere Bilanz von insgesamt nur fünf Siegen und einem Remis aus 15 Spielen und nur noch zwei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz ließen der Vereinsführung keine andere Wahl mehr - ein neuer Trainer musste her.

Welche Stärken hat Jonker?

Andries Jonker gilt als Taktikfuchs. Sicherlich eine Qualität, die den Wölfen aktuell gut zu Gesicht stehen würde. Zwar hatte auch Ismaël taktisch ein paar neue Dinge gewagt, vor allem in der Offensive wirkten seine Bemühungen allerdings oft sehr willkürlich. Hier gilt es für Jonker anzusetzen und die magere Torausbeute von 20 Saisontreffern mit dem dafür vorhandenen Personal auszubauen.

In Fachkreisen genießt Jonker zudem einen guten Ruf in der Jugendarbeit. So folgte er 2014 der Bitte von Arsène Wenger, der explizit ihn als Leiter des Arsenal-Nachwuchszentrums haben wollte. Der Niederländer besitzt Erfahrungen im Umgang mit Talenten - keine schlechte Eigenschaft, haben die Wolfsburger doch aktuell so viele junge Kicker im Kader wie schon lange nicht mehr. Langfristig könnte Jonker somit auch die Wünsche der VW-Verantwortlichen erfüllen und eine junge vielversprechende Mannschaft ohne die ganz großen Millionentransfers aufbauen.

Wenig Erfahrungen im Abstiegskampf

Doch wie passt Jonker kurzfristig ins Profil? Nach einigen Erfahrungen als Cheftrainer in seiner niederländischen Heimat durfte er 2011 für kurze Zeit bei den Bayern als Interimstrainer in der Bundesliga und in der Folge noch bei der U23 des FCB an der Seitenlinie den Ton angeben. Nachhaltig ins Gedächtnis der Fußball- und Bayern-Fans hat sich der Niederländer trotz seines sportlich erfolgreichen Intermezzos bei den Bayern-Profis allerdings nicht eingebrannt, blieb er doch blass in seiner Außendarstellung.

Dass Jonker selbst nicht gerade das Rampenlicht sucht, dürfte nach seinen vielen Stationen als Co-Trainer und im Nachwuchsbereich naheliegen. Der VfL geht damit erneut das Risiko ein, einem im Bundesliga-Abstiegskampf unerfahrenen Cheftrainer zu vertrauen. Doch warum?

Der dritte Schuss der VfL-Führung muss sitzen

Die Wolfsburger verlassen sich damit vor allem auf zwei Kernkompetenzen, die die Vereinsführung von einer Verpflichtung des Niederländers überzeugt haben müssen: Jonker braucht kaum Eingewöhnungszeit, denn er kennt den Verein und spricht deutsch. Und seine sportliche Kompetenz als Co-Trainer muss in Wolfsburg so nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, dass man ihm nach der "leisen Lösung" mit Ismaël mehr zutraut als einem größeren Namen der Trainerzunft.

Unabhängig von seiner sportlichen Kompetenz könnte der neue Wolfsburger Chef kurzfristig als Brustlöser bei seinem Team wirken. Denn sportliches Potenzial besitzt diese Wolfsburger Truppe immer noch – nun gilt es, dieses allerdings auch endlich auf den Platz zu bringen. Der dritte Schuss der VfL-Führung muss sitzen, sollte die 20. nicht vorerst die letzte Wolfsburger Bundesliga-Saison bleiben. Die großen Kanonen haben die Wölfe dafür allerdings nicht aufgefahren.

Nils Marlow