10.03.2017 14:27 Uhr

Roundup: Der DFB, der Fiskus und die WM-Affäre

Beim DFB müssen viele Fragen beantwortet werden
Beim DFB müssen viele Fragen beantwortet werden

Beinahe anderthalb Jahre ist es jetzt her, dass der Skandal um die Fußball-WM 2006 vom "Spiegel" enthüllt wurde. Aufgeklärt ist diese Affäre aber immer noch nicht, im Gegenteil: Sie dürfte in den kommenden Monaten auch in Teilen vor Gericht verhandelt werden.

Dem Deutschen Fußball-Bund drohen Steuernachzahlungen von bis zu 25 Millionen Euro. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger verlangt dagegen Schadenersatz, weil er die entsprechenden Ermittlungen für voreingenommen hält. Die Affäre wuchert und wächst noch immer so sehr, weil niemand weiß, warum der WM-Cheforganisator Franz Beckenbauer einst Millionen vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus bekam und dieses Geld nach Katar weiterleitete.

Worum geht es bei den möglichen Forderungen an den DFB?

"Süddeutsche Zeitung", "WDR", "NDR" sowie die "Bild"-Zeitung zitieren aus einem Zwischenbericht der Steuerfahndung Frankfurt, und die hat sich in einem zentralen Punkt der WM-Affäre demnach klar festgelegt: Der DFB hat die Rückzahlung des Louis-Dreyfus-Darlehens im Jahr 2005 übernommen, den Zweck dieser Zahlung aber bewusst als Beitrag zu einer WM-Gala verschleiert und dadurch Steuern hinterzogen.

Das Darlehen betrug 6,7 Millionen Euro. Der Betrag, um den der Fiskus durch die falsche Deklarierung geschädigt worden sein soll, liegt den Finanzbehörden zufolge bei 2,7 Millionen Euro. Sollte der DFB im Jahr 2017 für Verfehlungen aus der Steuererklärung von 2006 nachzahlen müssen, kämen zu dieser Summe noch erhebliche Zinszahlungen hinzu. Außerdem droht dem Verband der Verlust der Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006, was wiederum den rückwirkenden Wegfall zahlreicher Steuervorteile zur Folge hätte. Die Gesamtforderungen an den DFB könnten sich deshalb auf rund 20 bis 25 Millionen Euro belaufen.

Wie geht es jetzt weiter?

Noch hat der DFB keinen neuen Steuerbescheid erhalten. Laut "SZ"-Bericht ist damit aber bis zur Mitte dieses Jahres zu rechnen. In diesem Fall rät der DFB-Anwalt Jan Olaf Leisner dem Verband, "gegen derartige Bescheide vorzugehen", wie er der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Er hält mögliche Nachzahlungen für "ungerechtfertigt".

Der frühere DFB-Chef Zwanziger ist bereits vor Gericht gezogen. Er habe schon vor Monaten "eine Schadenersatzklage auf Schmerzensgeld wegen der Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte gegen das Land Hessen eingereicht", bestätigte er der Deutschen Presse-Agentur. Die wird am 22. März vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt.

Gegen Zwanziger sowie die früheren DFB-Funktionäre und WM-Mitorganisatoren Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt wird seit Monaten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt, aber der 71-Jährige hält das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung für ungerechtfertigt, voreingenommen und nicht rechtsstaatlich. "In diesem Verfahren ist schon viermal die Öffentlichkeit informiert worden, bevor ich oder ein anderer Beschuldigter eine Information bekam. Wo leben wir denn?", sagte er.

Worin liegt der Streit?

2002 flossen mehrere Millionen von Franz Beckenbauer und seinem Manager Robert Schwan über die Schweiz nach Katar auf ein Konto, das zu dem Firmengeflecht des damaligen und nachweislich korrupten FIFA-Funktionärs Mohamed Bin Hammam gehörte. Kurz darauf erhielt Beckenbauer diese Summe von Louis-Dreyfus zurück, der sein Geld wiederum 2005 vom DFB zurückforderte. Der Verband überwies die 6,7 Millionen Euro über ein Konto des Weltverbandes FIFA an den früheren Adidas-Boss zurück und kennzeichnete das in seiner Steuererklärung als Kostenbeitrag zu einer WM-Gala, die nie stattfand.

Der DFB bestreitet gar nicht, dass seine früheren Funktionäre die Rückzahlung der 6,7 Millionen "unter einer falschen Bezeichnung ausgewiesen" hätten. Der Verband behauptet aber nach wie vor: Louis-Dreyfus habe Beckenbauer das Geld gegeben, um damit einen Organisationskosten-Zuschuss von der FIFA abzusichern. Die 6,7 Millionen stünden also in einem direkten Zusammenhang mit der WM 2006, weshalb auch die Rückzahlung im Jahr 2005 eine Betriebsausgabe und somit steuerlich absetzbar gewesen sei.

Die Steuerfahndung sieht das den Medienberichten zufolge anders. Sie wertet die 6,7 Millionen Euro als privates Darlehen von Louis-Dreyfus an Beckenbauer. Der DFB hätte es nicht verschleiern und schon gar nicht steuerlich geltend machen dürfen. Das sei ein schwerer Fall von Steuerhinterziehung, auch wenn Zwanziger dem vehement widerspricht.

"In den gesamten Ermittlungsakten gibt es auf 3000 Seiten keinen einzigen Hinweis darauf, dass das ein privates Darlehen von Louis-Dreyfus an Beckenbauer gewesen sein könnte", sagte er. "Wir sollen ein Privatvergnügen von Beckenbauer zurückgezahlt haben? Und was soll er mit dem Geld gemacht haben? Hat er sich davon ein Haus gekauft? Das ist doch Unsinn, was die Steuerfahndung da annimmt."

Was ist der Kern des Problems?

Eine Schlüsselfrage haben bislang weder Staatsanwälte noch Steuerfahnder noch die Ermittler der vom DFB eingeschalteten Freshfields-Kanzlei klären können: Aus welchem Grund überwiesen Beckenbauer und sein inzwischen verstorbener Manager im Jahr 2002 so viel Geld nach Katar?

An die Version von der Gegenleistung für einen FIFA-Zuschuss glaubt kaum jemand mehr. Bleiben noch zwei weitere Theorien: Wurde mit dem Geld heimlich der Wahlkampf des damaligen FIFA-Präsidenten Joseph Blatter unterstützt? Oder wurden damit tatsächlich die Stimmen von FIFA-Funktionären rund um die Vergabe der WM 2006 gekauft? Solange diese Frage nicht beantwortet ist, kann auch die Steuerfahndung nicht zweifelsfrei belegen, warum genau die ominösen 6,7 Millionen Euro erst von Louis-Dreyfus an Beckenbauer und später vom DFB über die FIFA an den Franzosen zurückgeflossen sind.