16.03.2017 09:36 Uhr

Pizarro bei Werder: Der alte Mann und das Tor

Weitermachen oder aufhören? Der Ball liegt bei Pizarro
Weitermachen oder aufhören? Der Ball liegt bei Pizarro

Endlich hat es geklappt: Nach 863 torlosen Minuten war Werder Bremens Altstar Claudio Pizarro am vergangenen Wochenende gegen Leverkusen zur Stelle und sorgte mit seinem ersten Saisontreffer für den 1:1-Endstand. Der Vertrag des inzwischen 38-Jährigen läuft zum Saisonende aus. Die Sinnhaftigkeit einer Verlängerung ist in Bremen umstritten.

"Mir ist es völlig egal, ob er ein Traumtor schießt, oder ob er mit seinem dicken Bauch trifft", kommentierte Thomas Delaney augenzwinkernd Claudio Pizarros unkonventionellen Treffer mit der Hüfte gegen die Werkself.

Scherzen können die Werder-Profis über ihren Dienstältesten also – der Respekt ist trotzdem riesig: "Er hat den Riecher", sagt Robert Bauer. "Er kann gerade den jungen Spielern weiterhelfen", weiß Maximilian Eggestein. "Er hat diese Ausstrahlung, vor der jeder Gegner Angst hat", ergänzt Felix Wiedwald. 

Pizarros Mitspieler unterstützen eine Vertragsverlängerung des Oldies geschlossen, bestätigt auch Fin Bartels: "Fußballerisch dürfen wir ihn nicht infrage stellen. Ich traue ihm auch zu, dass er noch weiterspielt…", fasst der Flügelspieler die Meinung seines Teams zusammen, schiebt dann aber einen Halbsatz hinterher, der das Dilemma der Verantwortlichen verdeutlicht: "…wenn sein Körper hält."

"Ein abgezockter Hund"

Bartels' Statement trifft es gut: Fußballerisch steht Claudio Pizarro nicht zur Diskussion. Noch in der vergangenen Saison rettete der Peruaner Werder mit 14 Toren vor dem Abstieg.

Die lebende Werder-Legende ist der beste Torjäger der Klubgeschichte (103 Liga-Treffer) und zudem der erfolgreichste ausländische Torschütze der Bundesliga. Und auch wenn es in dieser Saison noch nicht so richtig lief, besticht Pizarro in vorderster Front noch immer durch unglaubliches Ballgefühl und ein cleveres Näschen. 

Die Qualitäten weiß auch Sturmpartner Bartels zu schätzen: "Seine Ruhe am Ball und vor dem Tor ist unvergleichlich. Er ist ein abgezockter Hund." Werders Sportchef Frank Baumann schlägt in die gleiche Kerbe: "Er braucht nichts mehr unter Beweis stellen." 

Dem Treffer gegen Leverkusen will der Sportchef aber keinerlei Bedeutung für die Vertragsgespräche zuweisen: "Es wäre aberwitzig, wenn wir einen neuen Vertrag nur an Toren festmachen würden."

Heldenstatus spielt eine Rolle

Auch Pizarros besonderer Status in Bremen spielt eine Rolle. Der 38-Jährige hat immer ein Lächeln im Gesicht, versprüht im Abstiegskampf unheimlich viel Optimismus und ist mit seiner riesigen Erfahrung eine wichtige Stütze der Mannschaft.

Das könnte im Sommer ein Faktor werden, denn bei Werder droht ein erneuter Umbruch: Die Verträge von Clemens Fritz, Jaroslav Drobný und Santiago García laufen ebenfalls aus.

Der Abgang von gleich drei Führungsspielern kann einen Verein hart treffen, der Verbleib des absoluten Publikumslieblings Pizarro würde dagegen für ein wenig Kontinuität sorgen.

Dem Publikumsliebling fehlt die Fitness

Baumann machte aber unmissverständlich klar: "Wir werden keinen Vertrag verlängern, nur weil ein Spieler in der Vergangenheit wichtig war." Obwohl alle in Bremen von Pizarros Qualitäten absolut überzeugt sind, ist die Frage dennoch, ob eine Verlängerung sportlich sinnvoll ist.

SVW-Coach Alexander Nouri lässt ein intensives Pressing- und Konter-System spielen, in dem Schnelligkeit und Fitness vorausgesetzt sind - Attribute, mit denen man Claudio Pizarro 2017 nur noch bedingt in Verbindung bringt.

Dass der momentan älteste Spieler der Liga in dieser Spielzeit noch nicht richtig in Tritt gekommen ist, liegt auch an seinem Körper, der häufig Probleme bereitet. Ein irritierter Nerv warf den Peruaner zuletzt immer wieder zurück. Die Schmerzen strahlen bis in den Oberschenkel.

Pizarro selbst sieht sich aktuell noch immer nicht bei 100 Prozent, zweifelt aber auch nicht daran, noch einmal in Topform zu kommen: "Ich arbeite täglich daran. Für mich ist wichtig, richtig fit zu werden und auf die Beine zu kommen und wieder von Anfang an zu spielen. Wenn das gut klappt, hänge ich noch ein Jahr dran. Wenn nicht, muss ich sehen..." 

Jokerrolle zu wenig für den stolzen Pizarro?

Der Stammplatz könnte bei der Entscheidung über Pizarros Zukunft zum Ca­sus knack­sus werden: Der Altmeister hat erst 13 Saisonspiele bestritten, darunter auch einige Kurzeinsätze. Für einen stolzen Spieler wie Pizarro ist das eindeutig zu wenig.

"Natürlich ist es wichtig, dass ich spiele. Ich habe Freude daran. Mit dann 39 Jahren auf der Bank zu sitzen, das wäre nicht so schön", sagt der Peruaner über eine mögliche Vertragsverlängerung.

Einsätze über 90 Minuten trauen ihm die Verantwortlichen aber scheinbar nicht mehr zu. In nur zwei Saisonspielen stand der Peruaner über die komplette Spielzeit auf dem Rasen.

Wenn der Vertrag verlängert werden soll, geht es also vor allem um Modalitäten: Pizarro, derzeit einer der Top-Verdiener an der Weser, müsste sich mit verringerten Bezügen zufrieden geben - und die Jokerrolle annehmen. Dann, so hat Baumann öffentlich bereits angedeutet, kann sich Werder eine erneute Ausdehnung der Zusammenarbeit durchaus vorstellen.

Eine Tendenz gibt es dem Manager zufolge noch nicht. Nouri jedoch verplapperte sich unter der Woche: "Im Grunde liegt der Ball bei Claudio." 

Bedeutet: Sollte der "alte Mann" bereit sein, Werder noch ein Jahr mit Joker-Toren zu helfen, dürften weder der Verein noch die Fans etwas dagegen haben - ganz im Gegenteil.

Benedikt Strickmann