06.04.2017 07:00 Uhr

Gorgon greift mit Rijeka nach den Sternen

Alexander Gorgon kann mit Rijeka für eine Vorentscheidung im Titelrennen sorgen
Alexander Gorgon kann mit Rijeka für eine Vorentscheidung im Titelrennen sorgen

Kroatiens Spitzenreiter HNK Rijeka empfängt am Samstag um 19:00 Uhr Verfolger Dinamo Zagreb. Der Sensations-Leader kann dabei für eine Vorentscheidung im Titelrennen sorgen. Weltfussball hat mit ÖFB-Legionär Alexander Gorgon über den vielleicht geschichtsträchtigen Moment gesprochen.

HNK Rijeka führt vor dem Ende des dritten Saisonviertels mit vier Zählern Vorsprung auf Dinamo Zagreb völlig überraschend die 1. HNL an. Die Rolle als Verfolger ist für den Rekordmeister aus der Hauptstadt ungewohnt. Denn Dinamo Zagreb hat den Fußball in Kroatien im vergangenen Vierteljahrhundert dominiert. Von den seit der Unabhängigkeit des Landes im Juni 1991 ausgespielten 25 Meisterschaften wanderten nur sieben nicht in den Zagreber Stadtteil Maksimir. Zuletzt feierte Dinamo sogar elf Titel am Stück.

"Ich glaube schon, dass es ein vorentscheidendes Spiel sein kann. Wir haben aber weniger zu verlieren als sie", erklärte Alexander Gorgon vor dem Showdown im Gespräch mit weltfussball. "Sollte uns ein Umfaller passieren, führen wir immer noch mit einem Punkt. Sollten wir gewinnen, wäre es natürlich ein Riesenschritt in Richtung Titel". 

Für Zuversicht sorgt der Blick in die Statistik. Im Herbst veranlasste ein fulminanter 5:2-Sieg von Rijeka den früheren Rapid-Legionär Zlatko Kranjčar zum Rücktritt als Dinamo-Trainer. Auswärts folgte dann ein 1:1-Remis gegen den nun vom Bulgaren Ivaylo Petev betreuten Titelverteidiger aus Zagreb. Gorgon traf in beiden Partien für Rijeka. Ein neuerliches Remis wäre auch diesmal nicht zu verachten. Zumal das letzte Aufeinandertreffen der beiden Titelrivalen in der Meisterschaft erst für die letzte Runde anberaumt ist. Das Cupfinale Ende Mai nicht mitgerechnet.

Einzigartig in Europa

Rijeka ist in dieser Saison als einziges Team in Europa in allen Bewerben ohne Niederlage. Im Sommer war in der dritten Qualifikationsrunde der Europa League gegen Medipol Başakşehir F.K nach zwei Remis nur wegen der Auswärtstorregel Endstation.

Die letzte Niederlage ist exakt ein Jahr her: Am 5. April 2016 setzte es im Halbfinal-Rückspiel des Nogometni Kup eine 0:3-Niederlage bei Slaven Belupo. "So eine Serie ist natürlich schön, wobei man nicht zu viel drüber nachdenkt", merkte Gorgon dazu an.
>> Termine und Ergebnisse HNK Rijeka

Selbstläufer ist es jedenfalls keiner. "Ich würde nicht sagen, dass Dinamo der einzige Gegner ist, der uns bezwingen könnte. Auch in den Spielen gegen Hajduk Split, von der Brisanz ist das mit dem Wiener Derby zu vergleichen, ist alles möglich." Zwei Mal wurde im "Jadranski Derbi" (Adriatisches Derby) ein Rückstand wett gemacht. "Wir waren schon ein paar Mal davor umzufallen, aber es passt in dieser Saison einfach", so Gorgon.

Es sei ein einzigartiges Jahr. "Alles stimmt. Wir haben kaum Verletzungen, wir spielen fast immer mit der selben Mannschaft. Der Stamm ist gefunden und es funktioniert perfekt", umriss Gorgon das Erfolgsgeheimnis. Dazu kommt eine "gute Mischung, was die Charaktere betrifft. Der richtige Mix aus ernst und locker."

Geschichtsbuch als Motivation

Trainer Matjaž Kek, zwischen 1984 und 1994 als Libero beim SV Spittal/Drau und dem Grazer AK, sorgt für die nötige Disziplin auf dem Platz und in der Kabine. "Er schaut darauf, dass kein Schlendrian reinkommt", so Gorgon. Psychotricks, um die Spannung hoch zu halten brauche es aber nicht, "wenn du weißt, dass du in dem Jahr was Großes für die Ewigkeit vollbringen kannst. Gerade für einen Verein wie Rijeka, der noch nie die Meisterschaft geholt hat." 

Gerne vergleicht Alexander Gorgon den aktuellen Erfolgslauf mit jenem der Austria in der Meistersaison 2013 unter Peter Stöger. Da wie dort wurde Zurückhaltung an den Tag gelegt. "In der ersten Saisonhälfte waren wir Erster und haben ganz klar sogar vor Dinamo geführt, man hat aber trotzdem nicht offen über den Meistertitel reden wollen, besser war es sich bedeckt zu halten und zu sagen man will Dinamo ärgern."

Nach der Winterpause wurden das Kind endlich beim Namen genannt: "Ja, wir wollen Meister werden", wiederholte Gorgon die neue Zielvorgabe. Vor dem Duell mit Dinamo gab Rijeka-Trainer Kek nun die Parole aus: "Wir wissen, wer kommt. Wir müssen sie respektieren, aber nicht Angst vor ihnen haben."

Vergönnt wird Rijeka ein etwaiger Triumph nicht nur von den eigenen Fans. "Ich habe von mehreren Seiten schon gehört, auch von Spielern anderer Mannschaften, dass sie uns den Titel wünschen würden", berichtete Alexander Gorgon. "Es geht schon auch in die Richtung, dass wir mit Sympathie punkten." Dinamo hat finanziell andere Ressourcen. Da wird durchaus honoriert, dass in Rijeka mit vergleichsweise bescheidenen Möglichkeiten etwas aufgebaut wurde.

Wechsel ins Glück

Fast hätte Alexander Gorgon nicht an diesem Fußballmärchen teilhaben können. Der 28-Jährige hatte seinen Vertrag bei seinem Stammklub Austria Wien im vergangenen Sommer nicht verlängert, um einen Wechsel ins Ausland zu forcieren. Wohin genau, war lange unklar. "Kroatien war nicht mein Ziel am Anfang, aber es ist Kroatien geworden", gestand Gorgon.

Rückblickend betrachtet war der Wechsel ein Glücksfall. Der Flügelspieler knüpfte fast nahtlos an seine trefferreiche letzte Saison in violett an (21 Tore/19 Treffer in der der Bundesliga und zwei im ÖFB-Cup) und hält in Kroatien als Vierter der Torschützenliste aktuell bei zehn Liga-Treffern. Ob er überrascht ist? "Das wäre das falsche Wort. Man wünscht es sich. Dass es so passiert ist umso schöner", meinte Gorgon, "Ich glaube schon, dass wenn man sehr viel investiert, dann auch alles irgendwie zurückkommt."

Wie auch die Chance, eine Lücke in der Biografie zu schließen. Im Herbst 2013 verhinderte eine komplizierte Verletzung Einsätze für die Austria in der Champions League. Ertappt er sich bereits bei den Gedanken an die Königsklasse? "Wir sind hier auf einem Weg, wo ich das vielleicht nachholen könnte. Aber das ist doch noch sehr weit weg. Du musst erst mal Meister werden, dann gibt es eine beinharte Qualifikation."

Zunächst kommt einmal Dinamo Zagreb nach Rijeka. Früher wurde dort im Kantrida Stadion zwischen Felsen und Meer gespielt. Bis die neue Heimstätte fertig ist, werden die Partien im Ausweichquartier Rujevica ausgetragen.  

Referee drückt ein Auge zu

Am vergangenen Wochenende tankte Rijeka mit einem 3:0-Sieg gegen Schlusslicht Cibalia Vinkovci Selbstvertrauen. Alexander Gorgon erzielte kurz vor Seitenwechsel den dritten Treffer mit einem satten Weitschuss und hatte auch sonst das nötige Glück.

Gorgon startete als einer von vier Spielern mit zwei Gelben Karten vorbelastet in die Partie. "Bei der dritten stehst du. Ich hatte in der zwölften Minute einen unglücklichen Zusammenstoß mit dem gegnerischen Tormann, nach dem er am Jochbein geblutet hat. Der Schiri hat mir gesagt, dass er mir eigentlich Gelb geben müsste und ich vorsichtig sein soll", berichtete Gorgon vom gnädigen Referee.

Nachdem Linksverteidiger Leonard Zuta seine Sperre schon ausgefasst hatte, ließ Trainer Kek nichts mehr anbrennen und wechselte Alexander Gorgon nur drei Minuten nach der Pause vorsorglich aus. Der Teilnahme am vielleicht historischen Finale steht also nichts mehr im Wege.

Mehr dazu:
>> Ergebnisse und Tabelle 1. HNL 

Sebastian Kelterer