10.05.2017 10:28 Uhr

Abgesetzte FIFA-Ethiker: "Absolut lächerlich"

Die Chefs der FIFA-Ethikkommission wurden vom Council nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen
Die Chefs der FIFA-Ethikkommission wurden vom Council nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen

Nach Angaben der abgesetzten Spitze der FIFA-Ethikkommission gibt es derzeit noch "mehrere hundert" offene Fälle im Skandal um den Weltverband.

"Das wirft die Reformen um Jahre zurück, die FIFA wird deswegen leiden", prophezeite der frühere Chef-Ermittler Cornel Borbély in Manama. Es gebe keine Phase des Übergangs.

"Mehrere hundert Fälle sind noch offen. Wir haben viele laufende Untersuchungen. Das ist ein klarer Bruch. Die erfahrenen Richter und Ermittler sind weg - es gibt keine Garantien, dass die laufenden Verfahren fortgesetzt werden", hieß es.

Der Schweizer und der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert waren zuvor vom FIFA-Council nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen worden. Beide erfuhren die Entscheidung nach der Landung in Bahrain durch die Medien. Ein offizielles Gespräch mit FIFA-Präsident Gianni Infantino fand bislang nicht statt.

"Ethik-Code ein wertloses Stück Papier"

"Die Absetzung war unnötig und deswegen ausschließlich politisch motiviert. Der Ethik-Code ist nun ein wertloses Stück Papier", kritisierte Borbély. Er bezeichnete die vermeintlichen FIFA-Angaben, die beiden hätten sich nicht für die Wiederwahl beworben, als "absolut lächerlich".

"Vor einer Woche gab es keinerlei Anzeichen, dass wir unsere Arbeit nicht fortsetzen dürfen", sagte Eckert: "Vielleicht ist das eine Art von Politik - die ich aber nicht unterstütze. Das hat nichts mit Respekt zu tun. Das ist kein guter Tag für die FIFA". Er zweifelte, ob die noch laufenden Verfahren gegen deutsche Funktionäre - unter anderem Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach - überhaupt zu Ende geführt werden.

Allein seit 2015, als die FIFA implodiert war, hat die FIFA-Ethikkommission über 70 Funktionäre verurteilt.

Grindels Einsatz bleibt wirkungslos

DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte sich während der Council-Sitzung energisch für den Verbleib der beiden Chefethiker eingesetzt. "Ich habe eindringlich darauf hingewiesen, dass es eine sehr schwierige Entscheidung ist, da nach meiner Einschätzung die Arbeit von Hans-Joachim Eckert und Cornel Borbély durchaus geschätzt worden ist", erläuterte Grindel.

Eingeleitet hatte FIFA-Präsident Infantino die Diskussion über die Besetzung der Kommissionen damit, dass es Beschwerden über zu viele Europäer geben würde. "Das war die einzige inhaltliche Begründung, die offiziell für personelle Veränderungen genannt worden ist - insofern möchte ich mich zu anderen Spekulationen auch nicht äußern", so der 55-Jährige. 

"Dass die beiden ihre Arbeit gerne fortgesetzt hätten und die Entscheidung deshalb auch als Rückschlag für den Reformprozess betrachten, kann ich nachvollziehen und menschlich auch verstehen", gab Grindel zu. Dennoch seien in der Council-Sitzung auch "ermutigende Signale" gesendet worden, äußerte der DFB-Präsident und meinte die Ablehnung einer sofortigen Vorvergabe der WM 2026 und der Statutenänderungen, durch die der Council-Ausschuss mehr Macht bekommen hätte.

"Die Sensibilität, nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen, ist durchaus vorhanden", sagte Grindel: "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Reformprozess langwierig ist und wir viel Überzeugungsarbeit leisten müssen."