14.05.2017 14:05 Uhr

Klassenprimus im Klassenkampf

Das Tor zur Meisterschaft
Das Tor zur Meisterschaft

RB Salzburg ist in Österreich aktuell weiter das Maß aller Dinge. Die Meisterkür mit dem 1:0-Heimsieg gegen Rekordmeister SK Rapid am Samstagnachmittag zeigte einmal mehr, wie weit sich der rot-weiß-rote Budgetkrösus von der heimischen Konkurrenz entfernt hat. Der Klassenprimus zeigte im Klassenkampf dem selbsternannten Titel-Herausforderer aus der Hauptstadt, wo der "Bulle" die Kraft aus der Dose zieht.

Das Ergebnis schmeichelte den Gästen aus Wien-Hütteldorf noch. Man entging wie schon in der Hinrunde bei der am Ende knappen 1:2-Niederlage in Wals-Siezenheim nur unter Mithilfe der in ihrer Chancen-Verwertung zu wenig konsequenten Hausherren einer viel höheren Pleite. Einmal mehr wurde aber auch klar ersichtlich, wie wenig akzeptiert der von einem heimischen Getränkekonzern unterstützte Verein ist. Ein weltfussball-Lokalaugenschein beim österreichischen Meister 2017. 

Offiziell 15.892 Zuschauern in der EM-Arena, die nur wegen der Investitionen von Dietrich Mateschitz nicht rückgebaut wurde, wie etwa das Tivoli Stadion in Innsbruck. Doppelt so viele Fans hätten Platz gehabt. Doch es bleibt dabei: RB Salzburg wird vier Mal in Folge Champion und (fast) niemand geht hin. Immerhin durfte man sich dank der Beliebtheit der Gäste, der Mission 33 (Meistertitel in der 33. Runde mit Seitenhieb auf die "Missionare" aus Wien), diverser Nachwuchs-Aktionen und der erhofften Meisterfeier im eigenen Stadion aber über den Rekordbesuch in der Salzburger Bundesliga-Saison 2016/17 freuen.

Nur wenn Rapid kommt, dann sind auch Zuseher da. Zuseher. Keine Fußball-Fans. Ohrenbetäubende Gratis-Klatschfächer, ein hysterischer Stadionsprecher, eine Lautsprecher-Anlage wie bei einem Rock-Konzert, mehr Kinder und Jugendliche als erwachsene Anhänger auf der Tribüne des "harten Kerns", ein Schiedsrichter-Team mit Heim-Tendenz, immer mehr Mitarbeiter aus Deutschland (obwohl man ja mit RB Leipzig für die UEFA nichts zu tun hat): Ein ganz normaler Samstagnachmittag in Salzburg.

Eine gute Saison und ab nach Leipzig

Gleich sechs Ex-Salzburger standen in jener Leipziger Mannschaft, die gegen den deutschen Rekordmeister Bayern München am Samstag zwischenzeitlich klar mit 3:1 und 4:2 in Front lag, aber am Ende eine bittere 4:5-Heimschlappe kassierte. Die Zwischenstände aus dem Osten Deutschlands interessierten viele Pressevertreter und RB-Mitarbeiter mehr, als die Geschehnisse auf dem eigenen Rasen.

"Das wird dem Rangnick nicht gefallen!", "Was da wohl der Chef sagen wird?", "Was die haben noch verloren, die waren ja 4:2 vorn?": Salzburg spielt, gewinnt, wird Champion und nicht einmal einen Großteil der eigenen Entourage interessiert es. Inzwischen gibt es auch keine Gratis "Meister"-Leiberl für die Journalisten mehr, dafür aber jede Menge kostenlose Getränke aus der Dose. Nur wenn man Leitungswasser oder Kaffee trinkt, dann kann man dem Wahn des Energy Drinks entgehen. Alkohol oder Durst sind auch keine Lösung.

Im Gäste-Sektor huldigt man indes den Traditionen des Proletariats: 1. Wiener Arbeiter Fußball-Club. In den blau und roten Gründungsfarben und der mittlerweile korrigierten Jahreszahl 1897 (lange ging man beim SK Rapid von 1898 aus) lässt man Salzburg wissen, dass auch schon Fußball gespielt wurde, bevor sich Herr Mateschitz für den Sport des einfachen "Hacklers" interessierte. 

Nicht einmal der Salzburg-Coach glaubt, dass seine Mannschaft zusammen bleibt

Wer das Gold (und das Geld) hat, macht die Regel. Galt schon unter Frank Stronach in Wien-Favoriten beim FK Austria Magna. Gilt noch viel mehr in Salzburg in der Welt der Dose. Was DM und RR sagen, wird gemacht. Herausragende Spieler wie aktuell Wanderson oder Konrad Laimer? Wann kommt der Ruf von Ralf Rangnick? So führte man Leipzig in die deutsche Bundesliga und sportlich in die Champions League. Für den Meistertitel in Österreich reicht es ohnehin auch mit "Liefering A".

Für Nachschub von "Liefering B" ist jederzeit gesorgt. Obwohl die beiden Vereine natürlich so wie Leipzig und Salzburg gar nichts miteinander zu tun haben. Kann vor der UEFA jeder bei RB bestätigen!

Der eigene Coach hat indes schon längst erkannt wie der Hase im Reich der Dose läuft und jegliche Illusion von einer sinnvollen Aufbauarbeit in Salzburg verloren. Mittelfeldmotor Naby Keïta, Abräumer Bernardo, Defensiv-Allrounder Dayot Upamecano, Abwehrchef Martin Hinteregger sowie Kapitän und Torjäger Jonatan Soriano gingen. Fünf Schlüsselspieler weg. Na und? Vorübergehend neun Punkte Rückstand. Sonst keine Probleme? In Österreich reicht es am Ende immer noch. Aktuell liegt man zwölf Zähler vor dem ersten Verfolger.

Dementsprechend gering sind die Emotionen bei allen Beteiligten. Aufgesetzte Freude bei den Spielern. Nicht spontan. Keine Euphorie. Kein Feuer von den Rängen. Dies gab es mit bengalischen Feuern zu Beginn der Rapid-Viertelstunde. Der Kommentar des braungebrannten Mikrofon-Trägers über die Stadionboxen: "Verbrennt euch nicht die Finger!"

Willst Du Rapid vorne sehen, musst Du in Opas Bücher sehen

Im Rapid-Sektor zieht man sein Ding weiter durch. Schwarzer Rauch und weitere Bengalen. In der Salzburger Meisterparty, die an einen Kindergeburtstag erinnert, kommt erstmals Emotion auf. "Olle Wiener san Oschlecha!", tönt es von den Rängen. Endlich bekommt man den Mund auf. Die eigenen Meisterspieler wurden zuvor von denselben Verbal-Akrobaten nicht einmal ignoriert.

Der Stadion-Sprecher, der an einen unter Drogeneinfluss stehenden Einpeitscher bei einer Matura-Reise erinnert, stammelt und schreit sinnlos durch die Gegend. Das personell äußerst umfangreiche RB-Medienteam versucht indes die Spieler zumindest vor den eigenen Kameras zu ausgelassener Stimmung zu motivieren. Eine Bierdusche da. Verletzte Akteure, die über das Feld sprinten und anschließend ausrutschen. Großes Kino ist das genaue Gegenteil davon, was man in Salzburg zu sehen bekommt.

Einige Kilometer weiter besiegelt indes Austria Salzburg mit einer 0:1-Heimpleite gegen den TSV St. Johann den Abstieg aus der Regionalliga West. Kein guter Tag für violette Traditions-Liebhaber. Auch nicht für grün-weiße. Man ist Gast und Zuschauer bei der Meisterfeier des Klassenfeinds. Kein Partyschreck. Am 1. Juni sieht man sich beim Finale des ÖFB-Cups in Klagenfurt wieder. Der komplette Rapid-Sektor hinter dem Tor ist mit über 7.000 Fans längst ausverkauft.

Mittlerweile wurde er in den "Ecken" des Wörthersee Stadions erweitert. Dazu kommen all jene Anhänger der Grün-Weißen, die sich über den ÖFB Tickets auf "neutralen" Tribünen gesichert haben. Ein Heimspiel zur Unterstützung der Chancenlosen. Wie soll diese Rapid-Mannschaft bitte gegen RB Salzburg gewinnen? Völlig egal. Man fährt trotzdem in den Süden. "Beachparty" am See. Man spart sich als Fan des Rekordmeisters ja in der kommenden Saison Europacup-Reisen.

"Willst Du Rapid vorne sehen, musst Du in Opas Bücher sehen!": Die aktuelle Buchhaltung sieht nach 33 Meisterschaftsspielen neun Siege, zehn Remis und 14 Niederlagen vor. 37 Punkte wurden bisher gemacht. 2001/02 in der schechtesten Saison der Vereinsgeschichte waren es noch 43 Zähler gewesen. Der Rekordmeister auf Rekordkurs.

Den Rapid-Fans längst egal. Man steht ja auch dann zu seinem Kind, wenn es sich mal längere Zeit schlecht benimmt. Wäre interessant wie bei RB Salzburg der Besuch aussehen würde, wenn man mal nicht Meister wird. Man trinkt den letzten Schluck Kaffee aus und verabschiedet sich. Herzlichen Glückwunsch zum Meistertitel ins Reich der Dose.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Salzburg