26.05.2017 10:58 Uhr

Rickens Moment: "So etwas vergisst man nicht"

Mit diesem Schuss besiegelte Lars Ricken 1997 den CL-Sieg des BVB
Mit diesem Schuss besiegelte Lars Ricken 1997 den CL-Sieg des BVB

Lars Ricken hat beim Triumph von Borussia Dortmund gegen Juventus Turin am 28. Mai 1997 im Finale der Champions Legue nicht nur das entscheidende Tor zum 3:1-Endstand geschossen, sondern der Treffer wurde später auch zum BVB-Tor des Jahrhunderts gewählt. Im Gespräch erinnert sich der 40-Jährige an den größten Erfolg seiner Karriere.

Am 28. Mai jährt sich der Champions-League-Triumph von Borussia Dortmund zum 20. Mal. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem 3:1 gegen Juventus Turin im Münchner Olympiastadion?

Lars Ricken: Wir waren klarer Außenseiter, denn Juve hatte ein paar Tage zuvor die italienische Meisterschaft gewonnen und war damals so etwas wie heute der FC Barcelona, Real Madrid oder auch Bayern München. Wir standen trotz der Außenseiterrolle aber unter Druck, denn wir hatten keine gute Saison gespielt und konnten uns nur wieder für die Champions League qualifizieren, wenn wir das Spiel gewinnen.

Und welche Erinnerung haben Sie an Ihren sensationellen Treffer zum 3:1-Endstand?

Im Rückblick denke ich eigentlich immer mehr daran, dass ich auf der Bank gesessen habe und mir aufgefallen war, dass der Turiner Torwart Angelo Peruzzi immer sehr weit vor seinem Tor postiert war. Ich habe mir dann vorgenommen, im Falle meiner Einwechslung den ersten Ball, den ich bekomme, blind auf das Tor zu schießen und dann zu schauen, was passiert. Im Training habe ich das oft geübt. Am Ende hat es ja dann zum Glück funktioniert.

Ihr Treffer wurde anschließend zum BVB-Tor des Jahrhunderts gewählt. Was bedeutet Ihnen diese Ausszeichung?

Das war natürlich ein ganz besonderer Moment, als die Abstimmung über das Tor des Jahrhunderts in der Westfalenhalle bekannt gegeben wurde. Darauf bin ich als gebürtiger Dortmunder natürlich sehr stolz. Denn zu Beginn meiner Karriere hatte ich mir vorgenommen, etwas zu erreichen, was über meine aktive Laufbahn hinaus Bestand hat. Ich wollte nicht nach 15 Jahren, wenn ich dann aufhöre, nichts hinterlassen haben. Insofern ist mir das mit dem Tor natürlich gelungen.

Welche Erinnerungen verbinden Sie unabhängig von der Auszeichung speziell mit diesem Tor?

Das Tor selbst beschäftigt mich eigentlich weniger, mehr die Geschichten, die sich um diesen Treffer ranken. Meistens erzählen mir die Leute, wie sie das Tor erlebt haben. Der eine war während des Treffers auf der Toilette, ein anderer Bier holen. Und diese Leute sind felsenfest davon überzeugt, dass das Tor nur gefallen ist, weil sie Bier holen oder auf der Toilette waren. Einer hat mir erzählt, dass er in dem Moment, in dem ich geschossen habe, sich wahnsinnig über mich aufgeregt und mich übelst beschimpft hat, wie ich denn da schießen könne. Ich müsste doch noch weiterlaufen. Zwei Sekunden später lagen dann alle auf ihm drauf und haben sich gefreut.

Die ersten beiden Tore hat Karl-Heinz Riedle erzielt, anschließend wurde das Duo Riedle/Ricken von den Fans in den Himmel gehoben. Erinnern Sie sich noch an die Reaktionen der Anhänger?

Natürlich, so etwas vergisst man nicht. Eine Frau hat mir erzählt, sie habe vor dem Endspiel zwei Wellensittiche bekommen, die noch keinen Namen hatten - die hießen nach dem Finale Kalle und Lars. Lustig ist auch die Geschichte von einem Mann, der bei meinem Tor auf dem Friedensplatz einer wildfremden Frau um den Hals gefallen ist. Daraus wurde dann Liebe. Die beiden haben geheiratet, ein Kind bekommen, und das Kind heißt Lars.

Was hat die Champions-League-Gewinner von 1997 besonders ausgezeichnet?

Das ist schwer zu sagen. Wir hatten ja eine Mannschaft, die nicht aus elf Nationalspielern bestand, sondern aus 14 bis 15. Möller, Sammer, Kohler, Reuter, Chapuisat, Zorc oder Riedle, das waren Hausnummern, das war das Who is Who des internationalen Fußballs. Ein Jahr zuvor war Deutschland Europameister geworden, Steffen Freund war auch dabei. Besonders beeindruckt hat mich Paulo Sousa. Der Kitt, der alles zusammengehalten hat, war als Dortmunder Leitfigur Michael Zorc.

Kann man den Fußball mit dem von heute vergleichen?

Nein. Wenn ich die aktuelle Generation sehe, hat das mit dem, wie wir damals Fußball gespielt haben, nichts zu tun. Wie athletisch die Jungs geworden sind, was die alle drei Tage für eine Hochleistung bringen können, das ist in dem hohen Tempo und mit der perfekten Ballbehandlung unglaublich. Dazu trägt bei, dass das ganze Umfeld professioneller geworden ist und sich die Trainingsbedingungen und Trainingsinhalte grundlegend geändert haben.

Mittlerweile arbeiten Sie als Jugendkoordinator für den BVB. Ist es für Sie eine große Umstellung gewesen, ins operative Geschäft zu wechseln?

Ich habe meinen absoluten Traumjob gefunden, denn ich kann mithelfen, aus Nachwuchsspielern gute Fußballer zu machen. Zudem kann ich die Geschichte von Borussia Dortmund mitgestalten, wofür ich sehr dankbar bin.