11.06.2017 21:30 Uhr

Österreichs WM-Traum scheint vorbei

Am Ende hat es für Österreich nicht gereicht
Am Ende hat es für Österreich nicht gereicht

Durch den späten irischen Ausgleich zum 1:1 ist die ÖFB-Chance auf die Weltmeisterschaft 2018 in Russland nun nur mehr minimal. Das Remis am Sonntag in Dublin setzte vielleicht auch den Schlusspunkt unter die Ära von Teamchef Marcel Koller. Ein Kommentar.

Wie ist es möglich, dass man als fußballerisch klar bessere Mannschaft im Vergleich zu Irland von sechs möglichen Punkten nur einen Zähler holt? Diese Frage stellte weltfussball.at dem Schweizer bei der Pressekonferenz im Aviva Stadium. Koller nickte zunächst zustimmend, als es um die höhere Qualität seines Teams ging. Wenig später schluckte er jedoch, als es um die einzige Bilanz ging, die im Fußball zählt: Ergebnisse.

SOS des rot-weiß-roten Schlachtschiffs in der irischen See

"Ich gehöre zum Team. Natürlich habe auch ich meinen Anteil daran, dass es in der WM-Qualifikation mit der Punkte-Ausbeute einfach nicht klappen will", sagte der 56-Jährige. Auf dem triumphalen Weg zur EM 2016 in Frankreich war "Koller's Eleven" mit neun Siegen und einem Remis noch die zweitbeste Mannschaft in ganz Europa. Auf dem erhofften Weg zum FIFA World Cup 2018 in Russland muss das rot-weiß-rote Schlachtschiff in der irischen See jedoch SOS-Signale absenden.

Nach sechs von zehn ÖFB-Spielen stehen nur zwei Siege zu Buche. Dazu zwei Remis und zwei Niederlagen. Ergibt acht Punkte. Auch, wenn noch zwölf Zähler zu vergeben sind (auswärts gegen Wales, daheim gegen Georgien und Serbien sowie auswärts in Moldau): Wer eins und eins zusammen zählen kann, der kennt das Ergebnis.

Nur zwei Siege in den letzten zwölf Länderspielen - gegen Georgien und Moldau. Österreich hat sich zurückentwickelt. Die erfolgreiche Mannschaft der EM-Qualifikation ist nur mehr eine schöne Erinnerung.

Aktuell hat Marcel Koller eine Auswahl zur Verfügung, die auf der Suche nach sich selbst ist. Teamkapitän Christian Fuchs beendete nach der Europameisterschaft seine Karriere in der Nationalmannschaft. Mit 31 Jahren. Er wird seine Gründe haben. Offiziell vorgegeben sind es persönliche oder familiäre. Ramazan Özcan und Markus Suttner folgten. Auch sie hatten keine Lust mehr auf einen Verbleib im ÖFB-Team.

Der tiefe Graben zwischen der Alaba-Partie und dem Rest

Dazu der tiefe Graben, der sich hinter den Kulissen in der Mannschaft gebildet hat. Der sich selbst als Superstar und Ausnahmekönner sehende David Alaba und der sich selbst als Abwehrchef sehende Aleksandar Dragović stehen ohne den in Dublin gesperrten Freund Marko Arnautović (der einzige offensive Lichtblick der vergangenen Monate) immer isolierter da. "Buddy" Marcel Sabitzer posierte indes nach seiner "schweren Oberarmverletzung" aus Dubai mit nacktem Oberkörper für Urlaubsgrüße auf Instagram. Insider sprechen längst von einer Partie mit Hirn und einer ohne.
>> Dublin statt Dubai als ÖFB-Fan!

Alaba spielt im zentralen Mittelfeld - der Segen von Teamchef Koller macht es möglich. Dort produzierte er in den ersten 45 Minuten Fehlpässe am laufenden Band. Als ein Innenverteidiger verletzt an der Outlinie behandelt wird und Kapitän Julian Baumgartlinger aus dem 4-1-4-1-System in die vakante Position in der Abwehr zurückrückt, wird er von Alaba mit einer Geste wieder nach vorne beordert. Baumgartlinger bleibt dennoch in der Viererkette bis Österreich wieder mit elf Mann weiterspielen kann. Eine Szene am Sonntag in Dublin, die zeigte, wie sehr sich Alaba als Chef im Team sieht. Ein Chef aktuell ohne entsprechender Leistung. Das er die 1:0-Führung des ÖFB-Teams mit einem Eckball einleitete bleibt als einzige positive Bilanz zurück.

Ausgerechnet der bis ins Finish starke Dragović (Koller verzichtete trotz seiner unübersehbaren Verletzungsprobleme auf eine Auswechslung) verschuldete mit einem Stellungsfehler im Finish den Ausgleich zum 1:1.

Der Genickbruch aus österreichischer Sicht. Zuvor wurden zahlreiche Möglichkeiten zum 2:0 und eine damit beruhigende Führung vergeben. Stattdessen am Ende noch einer glücklicher Punkt, da ein Elfmeterpfiff des spanischen Schiedsrichters David Fernández Borbalán ausblieb, der auch den vermeintlichen Siegestreffer zum 2:1 der Hausherren aberkannte. Sehr zur irischen Rage.

"Pest und Kollera" muss als Titel noch warten

In Rage kann man auch kommen, wenn man daran denkt, dass eine fußballerisch klar bessere Mannschaft wie Österreich gegen Irland nur einen von sechs möglichen Punkten holt. Marcel Koller blickte in Dublin fast symbolisch oft auf die Uhr. Vielleicht war es schon ein Bild mit Abschieds-Charakter. "Pest und Kollera" hatten manche österreichische Medien schon als möglichen Titel für ihren Abgesang der WM-Hoffnungen überlegt. Es blieb bei der Überlegung.

Zum Abschluss der Pressekonferenz wurde der Schweizer noch gefragt, ob er denn nicht nur auf Zweckoptimismus mache, weil eine WM-Teilnahme kaum noch realistisch ist. Es war ein Moment, als Koller selbst fast in Rage geriet. "Der Österreicher könnte mehr Optimismus vertragen." Fällt schwer mit nur zwei Siegen in den jüngsten zwölf Länderspielen.

Mehr dazu:
>> Ergebnisse und Tabelle in Österreichs WM-Qualifikationsgruppe

Christian Tragschitz weltfussball.at aus Dublin