28.06.2017 10:40 Uhr

Russland soll Doping vertuscht haben

WADA-Sonderermittler Richard McLaren
WADA-Sonderermittler Richard McLaren

Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft 2018 gerät Russland immer stärker unter Dopingverdacht. WADA-Sonderermittler Richard McLaren geht sogar davon aus, dass es im russischen Fußball ein separates Doping-Vertuschungssystem gegeben hat.

"Es gab offenbar eine Bank mit sauberem Urin - und diese Bank wurde offenbar für Fußball genutzt", sagte der Kanadier in einem ARD-Interview, das am Mittwoch um 18:50 Uhr in der Sportschau gezeigt werden sollte. "Ein Vertuschungssystem hat es gegeben, aber es muss noch ein anderes im Fußball gegeben haben."

Der Rechtsprofessor hatte im Juli und Dezember 2016 zwei Berichte zu Doping in Russland vorgelegt und darin auch den systematischen Austausch von positiven Dopingproben russischer Athleten bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi belegt. Er hatte im Auftrag der Welt-Anti-Doping Agentur (WADA) ermittelt.

155 Proben, die nicht analysiert wurden

Im ARD-Interview nennt McLaren erstmals die Zahl der Dopingproben russischer Fußballer, die von ihm als mutmaßlicher Teil einer Doping-Vertuschung identifiziert worden seien und noch forensisch untersucht werden müssten. "Es gibt noch 155 Proben, die nicht analysiert wurden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat sie beschlagnahmt. Das haben wir der FIFA gemeldet", sagte er.

McLaren geht davon aus, dass diese Urinproben entweder manipuliert worden seien, um positive Tests zu verhindern, oder Dopingsubstanzen darin zu finden seien. Hinweise darauf würden sich zum Beispiel im Mail-Verkehr russischer Funktionäre finden. "Deutlich über dem Grenzwert", notiert ein anonymer Verfasser laut ARD-Bericht in einer Mail vom Juni 2015. "Dexamethason", ein verbotenes Stimulanz, sei im Urin des männlichen Fußballers aus der ersten russischen Liga gefunden worden. Es gehe um die Probe "387829".

"Nach unseren Informationen wurde versucht, diese Probe auszutauschen", erklärte McLaren. Aus Ermittlerkreisen will die ARD erfahren haben, dass diese Probe von einem russischen Nationalspieler genommen wurde.

Zuvor hatte die britische Zeitung "Mail on Sunday" berichtet, dass vom russischen WM-Team von 2014 alle 23 Spieler des WM-Kaders und elf weitere Fußballer im Zuge der WADA-Untersuchung von McLaren auf einer Liste mit 1.000 Athleten stehen, die in staatlich organisiertes Doping verstrickt seien. Alexej Sorokin, Chefplaner der WM 2018 in Russland, hatte Berichte über Doping-Vorwürfe gegen das russische Team von 2014 als "absolut erfunden" zurückgewiesen.

Doping-Aufklärer McLaren geht davon aus, dass noch mehr über den möglichen Betrug in Russlands Fußball aufgedeckt wird: "Es ist nur die Spitze des Eisbergs. Nun muss man in Erfahrung bringen, was alles noch unter der Wasseroberfläche ist."

FIFA: "Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit der WADA"

Die FIFA will indessen weiterhin keine konkrete Auskunft zu Ergebnissen der Untersuchung von Doping-Vorwürfen geben. "Die FIFA bestätigt, dass die Ermittlungen zu den Anschuldigungen gegen Fußballspieler, die im sogenannten McLaren-Report genannt werden, in enger Zusammenarbeit mit der WADA weitergehen", hieß es am Mittwoch in einer FIFA-Stellungnahme.

"Es liegt im Interesse der FIFA, dass solche Verfahren so früh wie möglich abgeschlossen werden. Bis dahin wird die FIFA nicht in der Lage sein, weitere Einzelheiten vorzulegen." Auch FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura erklärte, dass dem Weltverband der Bericht von der WADA zwar vorliege. "Wir sollten allerdings keine Namen offenbaren", sagte sie in Kasan. "Bis wir eine endgültige Entscheidung vom Labor haben, können wir dies nicht näher ausführen."

Das russische Organisationskomitee der WM 2018 fühlt sich für das Dopingthema nicht zuständig. "Dopingkontrollen beim Confederations Cup und bei der WM 2018 liegen ausschließlich in der Kompetenz der FIFA", hieß es in einer Stellungnahme.

Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw sprach sich für harte Strafen gegen mögliche Doping-Sünder im Fußball aus und forderte die zuständigen Verbände zu mehr Transparenz auf. "Wenn Spieler gedopt sind, dann gehören sie aus dem Verkehr gezogen und gesperrt", sagte Löw am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz in Sotschi.

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apa/red