14.08.2017 07:35 Uhr

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Ein Sonntag am Zaun in der Südstadt
Ein Sonntag am Zaun in der Südstadt

Beim SK Rapid ist schon nach vier Runden der Bundesliga-Saison 2017/18 wieder Feuer am Dach. Die 1:3-Pleite am Sonntagnachmittag in der Südstadt bei Admira Wacker zeigte die grün-weißen Problemzonen schonungslos auf. Ein Kommentar.

Wie schon in der vergangenen Woche beim 2:2-Remis im Wiener Derby gegen die Austria musste eine Rapid-Partie wegen Wurfgegenständen, welche die Anhänger von den Rängen auf den Rasen befördert hatten, erneut unterbrochen werden. Am Montag wird sich nun die Liga zunächst mit den Vorkommnissen in Hütteldorf beschäftigen. Geldstrafe, Sektorsperre, Androhung eines "Geisterspiels" bei weiteren Vorfällen: Die Konsequenzen werden dem österreichischen Rekordmeister sehr weh tun.

Noch schmerzlicher war, dass sich nur eine Woche später einige Unbelehrbare im grün-weißen Fansektor erneut folgenschwer daneben benahmen. Volle Getränkebecher und Plastik-Fahnenstangen wurden beim 0:3-Rückstand auf das Spielfeld der BSFZ-Arena geworfen. Schiedsrichter Robert Schörgenhofer zögerte nicht und unterbrach die Partie, obwohl sich selbst die Spieler und der Trainer von Admira Wacker dagegen aussprachen.

Damir Burić ging nach der Begegnung auf der Pressekonferenz sogar noch einen Schritt weiter. Der kroatische Erfolgscoach, der aus seiner Zeit bei Hajduk Split alle Vor- und Nachteile eines fanatischen Anhangs kennt, sprach gegenüber weltfussball davon, dass "die Leute doch bei den Rapid-Spielen dauernd ihre iPhones zücken und fotografieren, weil sie die Bilder so toll finden. Da kann man durchaus Parallelen zur Torcida ziehen."

Zur Erklärung: Die bereits 1950 gegründete Torcida Split ist die zahlenmäßig größte und älteste Fangruppe des HNK Hajduk. Die Ultra-Gruppierung hat mit ihren tausenden Mitgliedern einen starken Einfluss auf die Entscheidungen der Vereinsführung.

Dann aber sprach Burić auch den Satz aus, welcher der Schlüssel zur momentanen Situation bei den Grün-Weißen ist: "Es sind tolle Fans und nicht alles ist negativ. Sie wollen ihre Mannschaft immer unterstützen, aber Gewalt ist zu viel. Da muss man die Grenze ziehen!"

Einer steht vor dem Zaun, die anderen sitzen darauf 

"… denn sie wissen nicht, was sie tun" (englischer Orginaltitel "rebel without a cause") ist ein Filmklassiker aus dem Jahre 1955 mit James Dean, der als Rebell um Liebe und Anerkennung ringt. Thematisiert wurden dabei die Probleme der "silent generation" in Gesellschaft und Familie. Mehr Aktualität geht auch sechs Jahrzehnte danach nicht.

Es begann in der 67. Minute beim Spielstand von 0:3 mit dem Choral "Wir wollen Rapid sehen!" Die Höchststrafe für jede Mannschaft. Marin Jakoliš schon nach 37 Sekunden und ein Doppelpack von Ex-Rapidler Dominik Starkl (64. sowie 65.) ließen das grün-weiße Pulverfass hochgehen. Es tut den Anhängern der Hütteldorfer einfach zu sehr weh, wenn sie sehen, was aus ihrem Verein geworden ist. Eine machtlose Vereinsführung, ein bei Transfers erfolgloser Sportchef, ein ratloser Trainer und eine Mannschaft, der weiterhin die nötige Qualität fehlt.

Einen Spieler wie den überragenden Maximilian Sax auf der Gegenseite konnte man bei den Gästen weit und breit nicht ausmachen. Als die Wurfgegenstände auf den Rassen geprasselt waren, versuchte der energische aber hilflose Referee Schörgenhofer zum Gang in die Kabinen zu bewegen. Der Vorarlberger hatte zwar mit dem Widerstand von Rapid, aber nicht mit dem von Admira Wacker gerechnet. "Wir alle haben ihm gesagt, dass wir weiterspielen wollen und er so nur den Spielfluss stört", meinte Kapitän Daniel Toth nach dem Abpfiff gegenüber weltfussball.

Um sein Gesicht nicht völlig zu verlieren, konnte Schörgenhofer die beiden Teams am Ende doch zum Marsch ins Kabinengebäude bewegen. Rapid-"Stimme" Andi Marek nutzte die Pause um vor dem Zaun auf Fans der Grün-Weißen einzureden, die längst schon auf dem selbigen saßen. Der Spielleiter sah offiziell die "Sicherheit gefährdet", zum zweiten Mal in Serie bei einem Spiel von Rapid. Am Samstag steht das Heimspiel gegen Tabellenführer SK Sturm auf dem Programm, da ist durchaus ein "Hattrick" möglich.

Schiri-Assistent "abgeschossen" - Rot in der Nachspielzeit

Rapid-Präsident Michael Krammer hatte sich vor den erneuten Vorfällen noch eine Privatfehde mit Austria-Vorstand Markus Kraetschmer geliefert und diesem vorgeworfen, dass er "als Aufsichtsrat der Bundesliga und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Austria eine Einflussnahme auf den Senat 1 ausübt, der eigentlich unabhängig agieren soll."

"Uns ist vollkommen bewusst und wir wissen auch, dass wir hier unsere Aufgaben zu erledigen haben. Es ist abzulehnen, dass Gegenstände, auch wenn sie noch so klein sind, auf das Spielfeld geworfen werden, aber als Aufsichtsrat der Bundesliga, und ich bin auch ein solcher, haben wir alle gemeinsam an die positive Fortentwicklung der Bundesliga zu denken und der Senat 1 weiß gut, was zu bestrafen ist und was nicht. Ein Aufsichtsratsmitglied hat das nicht zu tun, hier noch einmal härtere Strafen zu fordern und auf Rapid los zu gehen", so Krammer.

Abgesehen davon, dass Kraetschmer gut beraten wäre sich lieber um die immer kleiner werdende violette Fanszene zu kümmern (die beim Derby einmal mehr durch Vandalismus im Auswärtssektor aufgefallen war) sei festgehalten: Diesmal gab es keinen Raphael Holzhauser, der provokant vor Rapid-Sektor und Ersatzbank jubelte sowie endlos lange bis zur Ausführung eines Eckballs brauchte. Diesmal verhielten sich alle Spieler von Admira Wacker vorbildlich.

Wut und Zorn entluden sich an der eigenen Mannschaft. Mit erneuten Wurfgegenständen nur eine Woche nach dem Derby-Eklat. Dümmer geht es nicht. Die Ultras Rapid als führende Gruppe in der Kurve sind hier mit einer "Selbst-Bereinigung" ebenso gefragt, wie die Vereinsführung. Alleine kriegt niemand dieses Problem in den Griff. Rapid muss Sozialarbeit leisten, weil man versucht Schwererziehbare einzugliedern. Dabei sind Rückschläge vorprogrammiert.

Es passte zum total gebrauchten Sonntag aus grün-weißer Sicht, dass Thomas Murg in der Nachspielzeit für eine weitere unfassbare Szene sorgte. Zunächst beging er an der Outlinie ein taktisches Foul um einen Konter zu unterbinden. Die Partie war bereits unterbrochen, aber der 22-jährige benahm sich wie ein beleidigtes Kleinkind und schoss den Ball direkt auf den Schiedsrichter-Assistenten. Dieser ging zu Boden wie ein Boxer nach einem Tiefschlag. Sein "Chef" Schörgenhofer zückte die Rote Karte. Für Murg. Eine Sperre ist damit sicher.

ÖFB-Tormanncoach und Rapid-Trainer ohne Kinderstube

Dann ließ sich auch noch Rapid-Coach Goran Djuricin auf dem Rasen vom Tormanntrainer von Admira Wacker provozieren. Drei gestreckte Finger für drei Gegentore reichten, um die Sicherungen auch hier durchbrennen zu lassen. Walter Franta, der noch bei der Frauen-EM in den Niederlanden erfolgreich mit Manuela Zinsberger gearbeitet hatte, fiel durch letztklassiges Benehmen auf. Manche Menschen können nicht verlieren, manche nicht einmal mit Anstand gewinnen. Unglaublich, aber wahr.

Nach Ansicht der TV-Bilder kommt man als Beobachter sogar zu dem Schluss, dass Djuricin sein Gegenüber mitten ins Gesicht gespuckt hat. Ein Skandal, der ebenfalls ein Nachspiel haben wird.

Noch wichtiger als die fehlende Kinderstube in den Familien Franta und Djuricin ist aber die weitere Vorgangsweise des SK Rapid. Die eigene Anhängerschaft hatte von Hütteldorf aus zunächst einen Zweirad-Corso zum Spiel in die Südstadt gestartet. Vorerst tolle Bilder.

Einige Stunden später wurden sie von den negativen Bildern jedoch völlig überschattet. Es ist Zeit für klare Worte und Taten. Unbelehrbare kann man nicht erziehen.

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Christian Tragschitz