15.08.2017 09:21 Uhr

Neue Saison, altes Leid: Die Baustelle Liverpool

Schafft es Jürgen Klopp seinen Kader zusammen zu halten?
Schafft es Jürgen Klopp seinen Kader zusammen zu halten?

94 Minuten lang schien Jürgen Klopps Jubiläum ein erfolgreiches zu werden. Dann erwischte Watfords Britos in Klopps 100. Spiel in England die Reds eiskalt und vermieste ihnen den Saisonauftakt. Schon vor dem Champions-League-Auftritt in Hoffenheim am Dienstag (20:45 Uhr) scheint klar, dass die Baustellen in Klopps Team nicht weniger geworden sind. Es mangelt an Qualität im Kader der Reds.

Vorne hui, hinten pfui. Das kennt man von Liverpool. Schon in der vergangenen Spielzeit stellte man mit 42 Gegentreffern die schwächste Defensive des Topquartetts der Premier League. Das 3:3 beim Außenseiter in Watford hat offenbart, dass die intensive Defensivarbeit der Sommerpause noch nicht die gewünschten Früchte trägt.

Ihre akute Standardschwäche haben die Reds offenbar ebenfalls mit in die neue Saison transferiert. Den ersten Gegentreffer und den späten Ausgleich kassierte Klopps Mannschaft nach Eckbällen. Schon seit dem Amtsantritt des deutschen Coaches haben Gegentore nach Ecken und Freistößen Liverpool immer wieder wertvolle Punkte gekostet.

Kader ziemlich dünn besetzt

Im Vergleich zu den übrigen, teils kaufwütigen, englischen Topteams, scheint Liverpools Kader ziemlich dünn besetzt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man sich an der Anfield Road nur allzu gerne der maximalen Belastung von Premier League, Champions League und den diversen Pokalwettbewerben der Insel aussetzen würde.

Die Abwehrzentrale ist mit Joel Matip und Dejan Lovren namhaft besetzt, machte aber gegen Watford einen ziemlich wackligen Eindruck. Vor allem der Kroate präsentierte sich mehrfach unbeweglich und langsam in den Zweikämpfen. Am ersten Gegentor trug er eine gehörige Mitschuld.

Wunschtransfer geplatzt

Liverpools Versuch, in der Sommerpause defensiv aufzurüsten, schlug fehl. Jürgen Klopp hätte gerne den großgewachsenen Holländer Virgil van Dijk vom Ligakonkurrenten Southampton verpflichtet. Angeblich waren die Reds bereit, über 60 Millionen für den Innenverteidiger auf den Tisch zu legen.

Doch da sich Liverpool angeblich schon vor der ersten Anfrage inoffiziell mit dem Spieler getroffen haben soll, beschwerte sich der FC Southampton beim englischen Verband. Die Verhandlungen liegen seither auf Eis.

Mit Andrew Robertson konnten die Reds einen begehrten Defensivmann von Hull City loseisen. Allerdings ist der schottische Nationalspieler eher auf der linken Außenbahn zu Hause. Im Zentrum besteht also weiterhin Handlungsbedarf, wenn die Saison 2017/18 kein defensives Déjà-vu werden soll.

Mangelnde Chancenverwertung

Dass Liverpool nicht mit einem Dreier in die Saison gestartet ist, liegt aber keinesfalls nur an der löchrigen Abwehr. Mehrfach hatte man die Chance, die Partie in Watford zu entscheiden. Mit einer 3:2-Führung im Rücken ergaben sich viele Räume für die konterstarken Reds, die aber auch beste Möglichkeiten ungenutzt ließen.

An Neuzugang Mohamed Salah lag es nicht. Der 42-Millionen-Mann vom AS Rom traf gleich bei seinem Pflichtspieldebüt zur 3:2-Führung. Allerdings wurde auch deutlich, dass der Flügelflitzer seine Stärken gegen tiefstehende Teams nicht so gut ausspielen kann, wie gegen Gegner, die selbst attackieren und Räume lassen.

Auch das passt ins Bild. Es waren vor allem die Spiele gegen die mauernden Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte, die Liverpool im letzten Jahr wichtige Punkte gekostet haben, während man gegen die "Big Five" kein einziges Spiel verlor. In der Kreativzentrale haben die Reds also ganz offensichtlich noch Raum für neue Ideen.

Was passiert mit Coutinho?

Philippe Coutinho kann diese Position bekleiden und hat das im letzten Jahr auch eindrucksvoll getan. Der Brasilianer fehlte allerdings beim Auftakt, offiziell wegen Rückenproblemen. Es ist aber kein Geheimnis, dass Coutinho liebend gerne zum FC Barcelona wechseln würde. Angeblich sind die Katalanen bereit, über 100 Millionen Euro für den 25-Jährigen zu zahlen.

Erst am vergangenen Freitag hatte die Fenway Sports Group als Besitzer des FC Liverpool den Brasilianer in diesem Sommer für unverkäuflich erklärt. Dennoch scheint weiter alles möglich, da Klopp auf Coutinho nicht zurückgreifen konnte: "Ich habe die Entscheidungen der Besitzer zu akzeptieren, so läuft es nun mal. Ich habe keinen Einfluss darauf, wenn Spieler nicht verfügbar sind. Ich bin für die verantwortlich, die da sind."

Gegen Hoffenheim fehlt der Spielgestalter weiter, betonte auf der Abschlusskonferenz jedoch einmal mehr: "Selbst wenn sie (FC Barcelona, Anm. d. Red.) sagen, sie bieten egal wie viel Geld, wir wollen es nicht. Die Besitzer sind sich darüber zu 100 Prozent sicher." Dennoch: Ganz egal, wie die Sache ausgeht, Klopp hat ein Problem mehr. Entweder in Form eines lustlosen Spielgestalters oder eines weiteren Lochs im dünn besetzten Kader.

Zeit für Resultate

Sicher ist auch, dass Jürgen Klopp langsam liefern muss. Sollten die Reds in den beiden Spielen gegen 1899 Hoffenheim patzen und den Einzug in die Champions League verpassen, wäre auch die vergangene Saison eine weitere Enttäuschung.

Nach Rang acht im ersten Jahr und Rang vier im zweiten lechzen die Roten nach den großen Titeln. Sie lieben den "Pöhler" in der Arbeiterstadt Liverpool, doch sie wollen auch Resultate.

Der Einzug in die Gruppenphase der Champions League wäre ein erster großer Schritt in die richtige Richtung. Mit einem Kader voller Baustellen wird das allerdings keine leichte Aufgabe.

Lennart Wegner