01.09.2017 08:18 Uhr

Tschechien im Check: Mit dem Rücken zur Wand

Auf Michal Krmenčík liegen die Angriffs-Hoffnungen der Tschechen gegen Deutschland
Auf Michal Krmenčík liegen die Angriffs-Hoffnungen der Tschechen gegen Deutschland

Kurz nach dem Bundesliga-Start richtet sich der Blick wieder auf die Qualifikation für die WM-Endrunde in Russland. Das DFB-Team trifft dort am Freitag (20:45 Uhr) in Prag auf Tschechien. Während das Team von Joachim Löw das WM-Ticket beinahe schon in den Händen hält, steht Karel Jarolím mit seiner Mannschaft vor den letzten Spielen mit dem Rücken zur Wand. Der weltfussball-Gegnercheck vor dem Duell gegen Deutschland.

Formkurve:

Unentschieden, Niederlage, Unentschieden. Obendrein kein eigenes erzieltes Tor. Die ersten drei Spiele der Tschechen in der Qualifikation waren alles andere als WM-reif. Dabei waren doch die Hoffnungen zu Beginn groß, hinter Deutschland zum ersten Mal seit 2006 wieder an einer Endrunde teilzunehmen.

Die letzten drei Spiele machen hingegen wieder Hoffnung. Sieg und Unentschieden gegen Norwegen und ein Torfest in San Marino haben die Tschechen wieder in Reichweite auf Platz zwei katapultiert. Dennoch: Das letzte Aufeinandertreffen (1:1) im Juni in Norwegen war "eine Enttäuschung", so Torschütze Theodor Gebre Selassie hinterher. Vier Punkte trennen Tschechien nun vom Überraschungsteam Nordirland. Trainer Jarolím ist deshalb zurückhaltend: "Es wird kompliziert. Aber es gib immer noch eine Chance. Auch wenn das sehr theoretisch ist."

Die Schlüsselspieler:

Vier Bundesliga-Legionäre bietet Jarolím in Prag auf. Vladimír Darida (Hertha BSC), Pavel Kadeřábek (1899 Hoffenheim) und Theodor Gebre Selassie (Werder Bremen) sollen ihre Erfahrung einbringen. Das Trio (zusammen 116 A-Länderspiele) sollen nach der Ära Čech/Rosický Führungsrollen übernehmen. Bremens Neuzugang Jiří Pavlenka hat unterdessen hinter Stammkeeper Tomáš Vaclík bisher noch das Nachsehen.

Angeführt wird der EM-Finalist von 1996 eigentlich von Kapitän Tomáš Sivok, der seit Sommer bei Maccabi Petach-Tikva in Israel sein Geld verdient. Allerdings fehlt der 33-Jährige gegen Deutschland nach überstandener Verletzung: "Er ist noch nicht bereit", so Jarolím bei der Kader-Nominierung.

Für Torgefahr könnte derweil Michal Krmenčík von Viktoria Plzeň sorgen. Immerhin ist er mit zwei Treffern (zusammen mit Darida) torgefährlichster Quali-Schütze der Tschechen und ein abschlussstarker Mittelstürmer. Die zwei Buden in den beiden Freundschaftsspielen in diesem Jahr gegen Litauen (3:0) und Belgien (1:2) eingerechnet, kann er eine gute Quote von vier Treffern aus fünf Spielen vorweisen. Formstark präsentierte sich auch zuletzt der Ex-Stuttgarter Jan Kliment, der aktuell an Brøndby IF ausgeliehen ist und vor seinem A-Elf-Debüt steht.

Nicht im Aufgebot steht indes Patrik Schick, der unter der Woche für satte 38 Millionen Euro zum AS Rom wechselte. Er war von Coach Jarolím freigestellt worden, um seine Klubsituation zu klären. In Zukunft liegen die tschechischen Hoffnungen im Angriff jedoch voll und ganz auf dem 21-Jährigen, der vor allem in der U21 (zwölf Spiele, zehn Treffer) seine Qualitäten bereits andeutete.

Der Trainer:

Karel Jarolím, Vater des langjährigen HSV-Profis David Jarolím, ist seit August 2016 Chef der Tschechen. Seither probiert der 61-Jährige fleißig aus. Vor jeder Partie überraschte der Trainer mit neuen, jungen Spielern im Aufgebot. "Wir stecken in der "Findungsphase", erklärte Bremens Gebre Selassie das Vorhaben, möglichst vielen Profis die Chance in der Nationalmannschaft zu geben. 

Gegen die DFB-Elf könnten gleich vier Profis ihr Debüt feiern: Neben Jan Kliment stehen auch erstmals die drei Abwehrspieler Jan Bořil (26, Slavia Praha), David Hovorka (24, Sparta Praha) und Michael Lüftner (23, FC Kodaň) vor ihren ersten Einsatzen.

Jarolím fordert trotz der mitunter unerfahrenen Mannschaft eine breite Brust: "Wir wissen, dass der Gegner einer der Schwierigsten ist. Ich wäre aber enttäuscht, wenn wir mit der falschen Einstellung in das Spiel gehen. Im Gegenteil, es sollte die Herausforderung sein, alles für das beste Ergebnis zu tun."

Prognose:

Eine neu zusammengewürfelte Mannschaft, hoher Druck aufgrund der Tabellenkonstellation und obendrein viele unerfahrene Spieler: Die Aussichten, ausgerechnet gegen die ungeschlagenen Deutschen zumindest einen Punkt zu erkämpfen, sind gering. Jarolíms Marschroute gegen Deutschland lautet trotzdem: "So viel wie möglich mitnehmen".

Punkte müssen die Tschechen vielmehr im darauffolgenden Duell gegen Nordirland einfahren, sollten sie ernsthafte Ambitionen auf Platz zwei hegen. Dennoch könnte Jarolíms Plan aufgehen, neuen Spielern beim Heimspiel in Prag eine Chance auf höchster Ebene zu geben. Gegen die Norweger wurden immerhin erste Teilerfolge auf diesem Weg der Neuausrichtung sichtbar.

Gerrit Kleiböhmer