02.09.2017 12:00 Uhr

Entscheidungsspiel für Österreichs Zukunft

Bei Marcel Koller herrschte im Vorfeld der enorm wichtigen Partie gute Laune
Bei Marcel Koller herrschte im Vorfeld der enorm wichtigen Partie gute Laune

Für das ÖFB-Team steht am Samstagabend (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) in Cardiff gegen Wales mehr als nur ein "normales" WM-Qualifikationsspiel auf dem Programm. Es geht um die Zukunft des österreichischen Fußballs. Alles andere als Sieg bedeutet wohl das Ende vom rot-weiß-roten Traum von der Weltmeisterschaft 2018 in Russland.

Damit würde zum fünften Mal in Serie der FIFA World Cup ohne heimische Beteiligung über die Bühne gehen. Frankreich 1998 weiter als letzte WM-Teilnahme in den sporthistorischen Geschichtsbüchern? Zumindest vier weitere Jahre warten? Für einige Nationalspieler käme die Weltmeisterschaft 2022 in Katar zudem zu spät. All dies zeigt die enorme Bedeutung der "Schnittpartie" auf der Insel.

Im ausverkauften Cardiff City Stadium entscheidet sich aber möglicherweise auch die Zukunft von Teamchef Marcel Koller. Der Vertrag des Schweizers läuft mit Ende der WM-Qualifikation aus und verlängert sich nur bei einer Teilnahme an der Weltmeisterschafts-Endrunde.

Der Erfolgscoach hatte das ÖFB-Team zur ersten sportlichen Qualifikation für eine Europameisterschaft geführt. Eine imposante EM-Qualifikation mit neun Siegen und einem Remis, die zweitbeste Bilanz aller Mannschaften. Unvergessen. Aber vom Scheitern bei der EM 2016 überschattet. Nun geht es für "Koller's Eleven" um die letzte WM-Chance. 

Auf weltfussball-Nachfrage nahm der 56-Jährige am Freitagabend bei der Abschluss-Pressekonferenz Bezug auf die Wichtigkeit des Hits in der walisischen Metropole: "Ich nehme das jetzt nicht persönlich. (Anmerkung: Dass Österreich seit 1998 nicht mehr bei einer Weltmeisterschaft mit dabei war) Aktuell sind wir vier Punkte hinter den beiden Mannschaften an der Spitze der Gruppe zurück. Wir sind noch nicht bei der WM, wir sind aber auch noch nicht ausgeschieden. Wir werden alles in die Waagschale werfen und den ganzen Fokus auf dieses Spiel legen. Genau das habe ich auch dem Team vermittelt."    

Wie sehr will das ÖFB-Team den Sieg?

Wenig später merkte man bei der finalen Trainingseinheit tatsächlich die Konzentration und die Anspannung beim ÖFB-Team. Alle wissen, um was es in Cardiff geht. Siegen oder fliegen. "Do or Die", wie man auf der Insel sagt.

Marcel Koller ist lange genug im Geschäft. Er kennt alle Tricks im Vorfeld solcher Partien. Man spricht über "Wehwehchen", verrät nichts über die Aufstellung oder den Matchplan. Weicht Fragen geschickt aus, umschifft sie mit seinen cleveren Antworten. Wenn man Neutralität in Repliken erfinden müsste, dann wäre der Schweizer ein perfekter Urheber dafür.

Die Wahrheit liegt ohnehin nicht im Geschwätz auf dem Podium mehr als 24 Stunden vor dem Spiel, sondern wie immer dort wo es zählt: Auf dem Platz. Dort wird sich zeigen, welche Mannschaft den Sieg mehr will. Die von mehr als 30.000 Fans angetriebenen Hausherren mit ihren Superstars Gareth Bale von Real Madrid und Aaron Ramsey von Arsenal. Oder die Gäste mit rund 1.200 Schlachtenbummlern im Rücken und den Schlüsselspielern David Alaba von Bayern München sowie Marko Arnautović von West Ham United.

Marko Arnautović wieder als Wales-Schreck?

Die Waliser zeigten schon in den Tagen vor dem von ihnen als "Finale" ausgegeben Hit vor wem man den größten Respekt hat: Man fürchtet "Party-Schreck" Arnautović. Zwei Treffer des besten ÖFB-Offensivspielers beim 2:2-Remis im Ernst Happel-Stadion kosteten Wales den Sieg. Der EM-Halbfinalist sieht im Insel-Legionär, der auch von seinen Auftritten in der englischen Premier League bestens bekannt ist, den Gefahrenherd Nummer eins.

Nun gilt es dies vom Floridsdorfer auf das Spielfeld zu bringen. Die Akkus sind voll. Nach einer Roten Karte bei West Ham wegen seiner Sperre ebenso zum Zuschauen verurteilt, wie zuletzt beim 1:1-Unentschieden in Dublin gegen Irland in der WM-Qualifikation. Marko muss liefern, damit Österreich in Cardiff bestehen kann.

Baumgartlinger: "Weltmeisterschaft ist ein großes Ziel von mir"

Gefordert ist aber auch das ganze Team, wie ÖFB-Kapitän Julian Baumgartlinger weiß: "Es wird eine brisante Atmosphäre herrschen, da müssen wir physisch dagegenhalten. Wales ist als Mannschaft sehr stabil. Defensiv arbeiten alle mit und offensiv warten sie die richtige Situation ab, um ihre gefährlichen Spieler in Position zu bringen. Sie nehmen nur tempiert Risiko. Deshalb gilt es über 90 Minuten oder mehr hellwach und fokussiert zu sein."

Die Ausgangsposition ist für Wales und Österreich mit je acht Punkten sowie je vier Zählern Rückstand auf Serbien und Irland (Baumgartlinger: "Wir beide hätten gerne mehr Punkte, aber manchmal ist es auch besser der Jäger zu sein") ähnlich. Gegenüber weltfussball ließ der 29-Jährige keine Zweifel darüber aufkommen, wie viel ihm eine WM-Teilnahme bedeuten würde: "Die Weltmeisterschaft ist ein großes Ziel für mich. Seit der EM ist bei uns einiges passiert, wir hatten einen leichten Umbruch. Wir sind top motiviert und können es immer noch aus eigener Kraft schaffen. Mein Fokus liegt ganz klar auf Russland, weil es vielleicht eine der letzten Chancen ist."

Bei der WM 2022 in Katar wäre Baumgartlinger 34 Jahre alt. Kein Alter, um seine Karriere zu beenden. Aber im Spätherbst der aktiven Laufbahn und niemand weiß, was in vier Jahren ist. Es wäre gut, wenn das ÖFB-Team schon in Wales zeigen würde, dass die Weltmeisterschaft 2018 in Russland näher ist, als viele glauben. Dafür müssen wohl vier Siege in den letzten vier Spielen her. Am Samstagabend in Cardiff gilt es den ersten Schritt zu setzen.  

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Cardiff