15.09.2017 12:55 Uhr

Lukaku-Rooney-Deal: Eine gute Story ist nicht alles

Verkehrte Welt: Romelu Lukaku (l.) ist mit Manchester erfolgreich, Evertons Wayne Rooney hadert
Verkehrte Welt: Romelu Lukaku (l.) ist mit Manchester erfolgreich, Evertons Wayne Rooney hadert

Wenn am Sonntag Manchester United den FC Everton empfängt, stehen gleich zwei Spieler besonders im Fokus. Denn sowohl Romelu Lukaku als auch Wayne Rooney verließen ihre Klubs im Sommer für den jeweils anderen. Treffsicher präsentierten sich bereits beide Stürmer in ihren neuen Farben. Ein guter Deal also? Der Schein trügt.

Märchenhafter kann eine Rückkehr eigentlich nicht ablaufen: Erster Spieltag in der Premier League, der FC Everton empfängt Stoke City im heimischen Goodison Park. Rooney erobert in der eigenen Hälfte die Kugel, spielt vor dem Sechzehner noch einen feinen Doppelpass, läuft in Position und köpft die Flanke von rechts gefühlvoll ins Tor. Das Stadion steht Kopf. Die Toffees gewinnen dank des Treffers des verlorenen Sohnes mit 1:0.

Eine Woche später markiert Rooney im Top-Duell gegen Manchester City seinen 200. Liga-Treffer. Besser hätte auch Hollywood die Story nicht verkaufen können.

"Ich komme nicht nur zurück, weil es das Team ist, das ich unterstütze, das Team mit dem ich aufgewachsen bin", erklärte der Angreifer bei der emotionalen Vorstellung in seiner Heimatstadt. 13 Jahre war Rooney bei Manchester United: "Ich komme zurück, weil ich denke, dass es mit dem Verein vorwärts geht und er erfolgreich sein kann." Das Versprechen des 119-fachen Nationalspielers an die Fans der Toffees: Mit ihm soll endlich der erste Titel seit 1995 eingefahren werden.

Rooneys "Siegermentalität" verpufft

Wenige Wochen später ist von der Euphorie in Liverpool nichts mehr zu spüren. Zwar hat Rooney mittlerweile zwei Liga-Treffer auf dem Konto - übrigens die einzigen des gesamten Teams. Allerdings steckt Everton mit nur vier Pünktchen in der Krise. Nach der 0:3-Klatsche bei Atalanta Bergamo in der Europa League verdichten sich die Anzeichen, dass der Traditionsklub im Sommer keinen so guten Deal gemacht hat, wie sich Teammanager Ronald Koeman und Co. haben einreden wollen.

Denn Rooney brillierte zuletzt eher abseits des Rasens. In einer Bar soll er betrunken zu Oasis-Schlagern auf Tischen getanzt haben. Wenige Stunden später wurde er von der örtlichen Polizei alkoholisiert am Steuer erwischt. Ein Tag nach dem Aufeinandertreffen mit seinem Ex-Verein muss sich Rooney deshalb vor den Behörden verantworten.

Der 31-Jährige steht nach dem traumhaften Start nunmehr immer stärker in der Kritik. Die von Koeman bescheinigte "Siegermentalität" ist dem Angreifer offenbar verloren gegangen.

Mourinho lacht sich ins Fäustchen

55 Kilometer östlich dürfte sich Manchester Uniteds Teammanager José Mourinho ins Fäustchen lachen. Knappe 85 Millionen Euro legte der Verein auf Anraten des Portugiesen auf den Tisch, um seinen Wunschstürmer Romelu Lukaku aus Everton loszueisen. Der Belgier empfahl sich mit satten 87 Treffern in 166 Spielen für die Toffees - allein 25 Mal knipste der 24-Jährige in der abgelaufenen Premier-League-Saison. So gesehen hätte die Ablöse für Lukaku noch höher ausfallen können - wäre da nicht ein gewisser Wayne Rooney gewesen.

Kapitän, Identifikationsfigur, Rekordtorjäger, Legende: Rooney war über Jahre hinweg in Manchester so ziemlich alles. Doch Mourinho setzte nicht mehr auf die Qualitäten des 31-Jährigen. Seine Position im Sturmzentrum übernahm Zlatan Ibrahimović. In der Folge kam Rooney zumeist als Zehner zum Einsatz, gelegentlich musste er gar als Außenstürmer über links ran. Als Mourinho die Möglichkeit witterte, Lukaku ins Old Trafford zu holen, war Rooney jedoch plötzlich wieder gefragt.

Denn das Everton-Eigengewächs war gewissermaßen das Zünglein an der Waage. United drückte nicht nur den Preis für Lukaku, Mourinho konnte seinem Kollegen Ronald Koeman zugleich auch einen schmackhaften Ersatz anbieten. Obendrein verlockte die märchengleiche Story vom Rückkehrer Rooney, der kurz vor seinem Karriereende den Erfolg zurückbringen soll.

Lukaku und Rooney: Unterschiedlicher geht nicht

Für Mourinho stellte sich die Verpflichtung eines Stürmers wie Lukaku als wahrer Glückgriff heraus. Nach der schweren Verletzung von Ibrahimović fehlte United ein echter Neuner, der vor dem Tor für Unruhe sorgt. Genau dort liegen die Stärken von Lukaku.

Der bullige Angreifer machte im Manchester-Trikot direkt dort weiter, wo er in Everton aufgehört hatte. Vier Buden in der Liga und zwei bei seiner Königsklassen-Premiere machen den 24-Jährigen bereits zum neuen Sinnbild der wiedererstarkten Red Devils.

Dabei präsentiert sich der Linksfuß als vielseitiger Vollstrecker: Gegen den FC Basel in der Champions League wuchtet er das Leder per Kopf ins Eck, nachdem er sich zuvor gleich gegen zwei Gegenspieler durchgesetzt hatte. Gegen Stoke schleicht er sich im Rücken seiner Bewacher davon, läuft in die Gasse und steht plötzlich allein vor dem Keeper. Im Nachschuss netzt er zur 2:1-Führung ein.

Nach dem Stürmertausch wird langsam deutlich: Koeman hat mit der Rooney-Story den schlechteren Deal gemacht. Denn die Red Devils weinen ihrem Helden der letzten Jahre keine Träne hinterher. Eine gute Story ist eben nicht alles.

Gerrit Kleiböhmer