27.09.2017 15:32 Uhr

Damals: Der DFB-Präsident und der Diktator

Zwischen 1975 und 1992 stand Hermann Neuberger dem DFB vor
Zwischen 1975 und 1992 stand Hermann Neuberger dem DFB vor

Am 27. September 1992 starb der langjährige DFB-Präsident Hermann Neuberger. Der streitbare wie umtriebige Funktionär professionalisierte den deutschen Fußball, geriet aber auch immer wieder in die Kritik - beispielsweise durch seine Nähe zu einem diktatorischen Regime und einem Nazi-Verbrecher.

Die Verdienste Hermann Neubergers für den Sport in Deutschland sind unbestritten. Er war in den frühen 1960er Jahren maßgeblich an der Gründung der Bundesliga beteiligt.

Auf internationaler Ebene verdiente sich der karrierebewusste Saarländer seine Meriten als Chef-Organisator der Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Noch im WM-Jahr wurde Neuberger als Vize-Präsident in das FIFA-Exekutivkomitee gewählt, ein Jahr später rückte er an die Spitze des DFB.

Während seiner Präsidentschaft (1975 – 1992) trug der gelernte Journalist unzählige Gefechte mit den Medien aus. Niemals schlugen die Wellen der Auseinandersetzung aber so hoch wie vor und während des WM-Turnieres 1978 in Argentinien.

Im März 1976 hatte sich in dem südamerikanischen Staat eine rechtsgerichtete Militärjunta um Diktator Jorge Rafael Videla an die Macht geputscht und ein Schreckensregime eingeführt, in dem Zehntausende Menschen ermordet wurden oder einfach spurlos verschwanden.

Keine Kritik an der Junta

Schon ein Jahr vor dem WM-Turnier war Neuberger durch seine fragwürdige Allianz mit dem argentinischen Regime aufgefallen. Der DFB-Tross hatte sich zu einem Good-Will-Freundschaftsspiel nach Argentinien aufgemacht, als ein Tag vor dem Spiel bekannt wurde, dass die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann, die Wochen zuvor verschleppt worden war, durch die Schergen Videlas ermordet worden war.

Doch anstatt das Spiel zu boykottieren und umgehend abzureisen, entschied Neuberger mit dem ebenfalls Junta-freundlichen deutschen Botschafter in Buenos Aires, die Meldung über den Tod der Studentin bis nach dem Spiel unter Verschluss zu halten.

Der DFB-Präsident, der als Organisationschef der Endrunde 1978 agierte, war darauf bedacht, seine guten Beziehungen zur Militärdiktatur nicht zu gefährden.

Kritik an den eklatanten Menschenrechtsverletzungen ließ Neuberger nicht zu - im Gegenteil, der oberste deutsche Fußball-Repräsentant bezeichnete den Junta-Chef Videla als "eine Taube" und bestritt, dass es in Argentinien eine Diktatur gäbe. Die vielen toten Regimegegner sollten einem harmonischen Ablauf der Welttitelkämpfe nicht im Wege stehen. Vielmehr lobte der DFB-Boss die "preußische Gründlichkeit" und das "Durchsetzungsvermögen" der Putschisten.

Wie groß Neubergers Einfluss war, deckte ein Dokumentarfilmer Jahre später auf. Demnach hätte ein Anruf Neubergers bei den argentinischen Machthabern und die Drohung mit einem Spielboykott Käsemann vermutlich sogar das Leben gerettet.

Neuberger empfängt NS-Oberst

Auch während der WM sorgte Neuberger mit fragwürdigen Maßnahmen für einen Skandal. Günter Netzer, dem bei ihm in Ungnade gefallenen Ex-Star des DFB-Teams, verweigerte er den Zutritt zum deutschen WM-Camp in Ascochinga.

Ein höchst zwielichtiger Landsmann Netzers wurde dagegen mit offenen Armen empfangen. Hans-Ulrich Rudel, ein Oberst der Wehrmacht und bekennender Nationalsozialist, war nach dem Krieg wie viele andere NS-Schergen nach Argentinien geflohen und hatte von dort ein Hilfswerk für in Deutschland verhaftete Nazis gegründet.

Der Besuch Rudels im DFB-Quartier löste einen Sturm der Entrüstung in der Heimat aus, die Neuberger mit der Aussage konterte, die Kritik am Empfang Rudels käme "einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich".

Trotz aller Kritik an seinem Führungsstil hielt sich Neuberger bis zu seinem Tod am 27. September 1992 an der Spitze des Deutschen Fußball Bundes. Der "Spiegel" beschrieb die Personalie Neuberger im Sommer 1978 so: "Kaum einer mag ihn, der nichts von ihm zu erwarten hat: aber vielen ist er unentbehrlich."

Nach Neubergers Ableben übernahm mit Egidius Braun ein in politischer Hinsicht exakter Gegenentwurf das Zepter beim DFB.

Ralf Amshove