01.10.2017 10:00 Uhr

Rapid-Kapitän als verlängerter Arm

Noch selten zuvor war die Bezeichnung verlängerter Arm auf dem Spielfeld so treffend, wie für Rapid-Kapitän Stefan Schwab nach dessen Goldtor beim 1:0-Sieg der Hütteldorfer am Samstagabend in Mattersburg. Zwar nicht durch die "Hand Gottes" wie von Diego Maradona bei der WM 1986 in Mexiko, aber doch durch ein ebenso klares Handspiel.

Das "Problem" aus Sicht des erzürnten SV Mattersburg: Mehr als 30 Jahre später ist das internationale Regelwerk ein anderes, Handspiel im Fußball ist nicht mehr generell verboten. "Dem gegnerischen Team wird ein direkter Freistoß zugesprochen, wenn ein Spieler den Ball absichtlich mit der Hand spielt (gilt nicht für den Torwart im eigenen Strafraum)." So sagt es die Fußball-Regelkunde im Jahr 2017.

Alleine dieser Satz zeigt schon, wie schwierig es inzwischen für Schiedsrichter geworden ist. Wie bitte soll ein Referee wissen, ob ein Akteur jetzt den Ball absichtlich mit der Hand gespielt hat, oder nicht? Man kann (gottseidank) noch nicht in die Gedankenwelt eines Menschen blicken.

Stark, dass sich Manuel Schüttengruber im Burgenland trotz aller Kritik (die teilweise weit unter der Gürtellinie und nicht in Ordnung war) nach Schlusspfiff den TV-Kameras stellte und seine Ansicht äußerte.

Mattersburg-Trainer Gerald Baumgartner konnte die bittere Heimniederlage und ihre Begleitumstände hingegen selbst lang nach Spielende nur schwer verkraften. Drei Abseitstore der Hausherren (alle Entscheidungen waren dabei völlig korrekt) und dann noch das Goldtor der Gäste mit der Hand. Baumgartner wollte sich nicht daneben benommen haben und landete dennoch nach einer halben Stunde auf der Tribüne. "Die wichtigen Sachen werden nicht gesehen, aber die Kleinigkeiten werden gesehen", sprach er seinen Verweis aus der Coaching-Zone an.

Beim Mattersburg-Betreuer hatte sich in den vergangenen Wochen einiges aufgestaut. Fünf Heimniederlagen in Folge haben ihre Spuren hinterlassen. Baumgartner erinnerte jedoch (diesmal zu Recht) an die Begleitumstände: "Gegen Salzburg gibt es vor dem Tor von Dabbur ein klares Handspiel und es wird nicht geahndet. Gegen die Austria mit Monschein erneut und jetzt auch noch gegen Rapid. Es ist schwierig da die Contenance zu bewahren.

"Der Spaß hört sich schön langsam auf"

Einmal in Fahrt gekommen, ging es bei der Pressekonferenz im Pappelstadion (wo der Stadionsprecher mit Dress zwischen den beiden Trainern sitzt und den Gäste-Coach unterbricht, wenn er zu lachen beginnt) munter weiter. "Die ganze Bank ist aufgesprungen, aber ich muss auf die Tribüne. Da hört sich der Spaß schön langsam auf. Die Schiedsrichter treten viel zu arrogant auf."

Die Emotionen von Baumgartner sind irgendwie verständlich. In der vergangenen Saison als "Retter" dank einem fulminanten Frühjahr die Burgenländer zum Klassenerhalt geführt, aber nun erst sechs Punkte aus zehn Runden. Längst ist sein zweifelhafter Umgang mit den eigenen Spielern ein in der Branche kursierendes Thema, vielleicht sollte der Mattersburg-Coach also auch einmal selbst sein Verhalten hinterfragen.

Einen Schock für den SV Mattersburg gab es schon lange vor Spielbeginn. Ex-ÖFB-Teamstürmer Stefan Maierhofer stand wegen einer Knieblessur nicht zur Verfügung, wird am Montag operiert und fällt einige Wochen aus. Ein schwerer Rückschlag. 

Rapid-Kapitän Schwab geht voran und dorthin, wo es weh tut

Rapid hingegen blieb ein Rückschlag beim zuletzt gezeigten Aufwärtstrend erspart. Sechs Pflichtspiele in Folge ungeschlagen und nach der Länderspielpause das Heimspiel gegen Schlusslicht SKN St. Pölten. Der Rekordmeister macht wichtigen Boden gut und rückt nach vorne.

Kapitän Stefan Schwab hatte bereits vor dem Spiel gegenüber weltfussball Klartext gesprochen: "Der Sieg gegen den WAC ist nur dann etwas wert, wenn wir jetzt auch in Mattersburg und gegen St. Pölten gewinnen. Wir wollen eine Serie starten." Der erste Schritt ist getan. Mit wichtiger Handarbeit. Durch den Anführer selbst. Längst kein Zufallprodukt.

Schwab traf in den letzten drei Bundesliga-Spielen immer: Tor in Altach, Doppelpack gegen den Wolfsberger AC und nun das Goldtor in Mattersburg. Als defensiver Mittelfeldspieler. Aber er ist eben ein "box to box"-Spieler. Diese Wege machen sich bezahlt. Am Mittwoch feierte er seinen 27. Geburtstag, am Samstag beschenkte er Rapid und sich selbst mit drei Punkten.

Wenn "Schwabi" diesmal verletzungsfrei bleibt (sein Comeback in der vergangenen Saison erfolgte viel zu früh, weil er der Mannschaft im Abstiegskampf unbedingt helfen wollte), dann wackelt sein persönlicher Rekord. In der Saison 2015/16 kam der Salzburger in allen 36 Meisterschaftsspielen zum Einsatz und erzielte dabei acht Treffer. Diesmal sind es schon nach zehn Runden vier Tore.
>> Die Vereinsspiele und Tore von Stefan Schwab im Überblick

"Ich weiß, dass ich in jeder Saison meine Tore mache. Fünf bis zehn Treffer waren es immer. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtiger ist der Erfolg der Mannschaft", so Schwab. Spielt nicht nur wie ein Kapitän, sondern redet auch wie einer. Nimmt seine Kollegen verbal mit.

Wie den zu Null spielenden Torhüter Richard Strebinger (nach 23 Auswärtsspielen blieb Rapid endlich wieder einmal ohne Gegentreffer), den starken neuen Abwehrchef Galvão, den auf der linken Seite wirbelnden Boli Bolingoli-Mbombo oder Dejan Ljubicic, der Schwab als defensiverer der beiden "Sechser" den Rücken frei hält.

Rapid holt Zeljko Radovic als neuen Trainer für die Angreifer

Sorgen macht hingegen der Angriff. Neuzugang Veton Berisha präsentierte sich auch in Mattersburg trotz aller wichtiger Wege noch als Fremdkörper, Giorgi Kvilitaia sicherte schwierige Bälle blieb aber ohne Torgefahr, Philipp Prosenik war nur ein wenig erbaulicher Kurz-Einsatz vergönnt und Joelinton stand nicht einmal im Kader.

Rapid-Trainer Goran Djuricin sagte deshalb auf der Pressekonferenz gegenüber weltfussball erstmals offiziell jenen Satz, an dessen Umsetzung in Hütteldorf zuletzt fieberhaft gearbeitet wurde: "Wir werden einen eigenen Stürmer-Trainer installieren." Ex-ÖFB-Teamspieler Zeljko Radovic, aktuell Chefcoach der grün-weißen U18-Akademie, wird sich ab sofort um die Offensive kümmern.

Vielleicht braucht Rapid dann in Zukunft auch nicht mehr den verlängerten Arm auf dem Spielfeld. 

Mehr dazu:
>> Die besten Bilder der zehnten Bundesliga-Runde
>> Bundesliga-Ergebnisse und Tabelle

ct