09.10.2017 10:00 Uhr

Das Vermächtnis des Willi Ruttensteiner

Flasche leer beim ÖFB-Sportchef?
Flasche leer beim ÖFB-Sportchef?

Willi Ruttensteiner trat die geplante Dienstreise nach Chișinău erst gar nicht mehr an. Seine Amtszeit als ÖFB-Sportdirektor ist zu Ende. Das abschließende Spiel in der WM-Qualifikation am Montagabend (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) gegen die Republik Moldau geht bereits ohne den Oberösterreicher über die Bühne. 

Dabei hatte der 54-Jährige bei einem langen weltfussball-Gespräch im Rahmen der erfolgreichen Frauen-EM in den Niederlanden noch große Pläne für die Zukunft geäußert. An deren Umsetzung oder neuen, eigenen Vorstellungen muss nun Nachfolger Peter Schöttel arbeiten. Das "Vermächtnis" des Willi Ruttensteiner im Überblick:

Die Erfahrungen seiner Tätigkeit beim ÖFB seit 1999:

Ich will jetzt nicht erfahren klingen, aber ich habe in dieser Zeit über zehn Teilnahmen bei Endrunden miterlebt. Da versucht man natürlich die schönen Erfahrungen, aber auch die weniger tollen Ergebnisse in seine Arbeit einfließen zu lassen. Wichtig ist eine ständige Weiterentwicklung. Ziel kann es nicht sein, einmal bei einer EM dabei zu sein und dann wieder für längere Zeit von der Bildfläche zu verschwinden. Es geht schließlich auch um Akzeptanz für den Fußball in Sportpolitik und Wirtschaft. 

Erfolge, Probleme und Ziele des österreichischen Fußballs:

Wir sollten einfach die nächsten Schritte machen. Tolle Erfolge wie bei der Frauen-EM sollen sich auch auf die Frauen-Bundesliga auswirken. Da geht es um mehr Spielerinnen bei den Vereinen, wie bringt man die Mädchen zum Fußball, damit neben der Elite auch die Breite besser aufgestellt ist. Dafür brauchen wir konkrete Projekte, Ballspiel-Spaß und Begeisterung, um in der Jugend keine einzige Spielerin zu verlieren. Beim Nationalteam haben wir aus der EM 2016 in Frankreich viel gelernt. Das Problem war, dass Spieler schon im Vorfeld nicht in Bestform oder verletzt waren. Das hat es für Marcel Koller sehr schwer gemacht, schließlich wollte er auf seine erfolgreiche Mannschaft aus der Qualifikation setzen. Aber es gibt eben Dinge, die man aus der Erfahrung der Vergangenheit lernt. Intelligente Menschen machen selten zweimal den selben Fehler.

Das "Positions-Problem" von David Alaba:

Es geht immer um Alternativen. Nach dem Team-Rücktritt von Christian Fuchs haben wir uns natürlich überlegt, wer jetzt für diese Position in Frage kommt. Da muss man so ehrlich sein, dass es auf einzelnen Positionen um die Auswahl im Teamkader noch nicht so gut bestellt ist. Aber David hat uns schon gezeigt, wie wertvoll er im Mittelfeld ist und wie er dort helfen kann. Er analysiert seine eigenen Leistungen extrem kritisch und verdient einfach mehr Respekt. Welcher Österreicher hat den sonst schon die Champions League gewonnen? So einen Spieler hatten wir in der Vergangenheit mit Prohaska, Krankl oder Herzog. Aber Alaba wird aktuell stark hinterfragt und spürt das natürlich. Wir sollten David stärken und wieder mehr Vertrauen entgegen bringen. 

Den Fall in der FIFA-Weltrangliste:

Wenn man sich als Österreich bis zur Nummer zehn der Welt hochgearbeitet hat, dann ist es fast "normal", dass es auch mal wieder nach unten geht. Die Herausforderung ist es jetzt, dass unser System so in Ordnung ist, dass wir wieder den Umschwung in die andere Richtung schaffen. Wir wollen in Zukunft zeigen, dass wir uns enorm steigern können und mit dieser Mannschaft sowie diesen Spielern ist das auch möglich.

Seine persönliche Zukunft:

Der ÖFB ist ein großes Unternehmen. Am Anfang war ich oft unsicher. Aber wenn man einen gewissen Weg geht, dann gewinnt man auch an Sicherheit und die Angst fällt weg. Im Sport geht es immer darum, wie viel Zeit kriegt man. Stimmen die Ergebnisse, dann macht man alles richtig. Wenn nicht, dann steht man meist alleine im Regen. Aber ich blicke mit Stolz auf meine Arbeit und ich denke, das spürt man. Ich habe in ganz Europa viele Leute kennenlernen dürfen. In den Niederlanden gab es einen Kollegen, der wurde als Entwicklungs-Direktor des Verbandes entlassen. Nach unserem Gespräch hat er sich bedankt und gemeint, dass ich ihm neue Perspektiven für die Zukunft aufgezeigt habe und er wieder Mut gefasst hat. Ein anderes Mal habe ich mich über das Lob von Matthias Sammer sehr gefreut. Wenn es von so einem Fachmann kommt und er es noch dazu ehrlich meint, dann zeigt es schon eine gewisse Wertschätzung. Ich denke meine Erfahrungen im Fußball werden auch in Zukunft noch sehr wichtig sein.

Mehr dazu:
>> Neustart nach dem ÖFB-Machtkampf
>> Ruttensteiner muss beim ÖFB abdanken
>> Peter Schöttel: Der neue ÖFB-Sportchef in Bildern
>> Ergebnisse und Tabelle von Österreichs WM-Qualifikationsgruppe

Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Chișinău