12.10.2017 07:45 Uhr

Klopp bei Liverpool: Weit hinter den Erwartungen

Jürgen Klopps Zweijahres-Bilanz beim FC Liverpool ist durchwachsen
Jürgen Klopps Zweijahres-Bilanz beim FC Liverpool ist durchwachsen

In diesen Tagen jährt sich der Amtsantritt von Jürgen Klopp beim FC Liverpool zum zweiten Mal. Die Bilanz des 50-Jährigen bei den Reds fällt allenfalls durchwachsen aus. Einige negative Entwicklungen erinnern an das Ende von Klopps Dortmunder Zeit.

Jürgen Klopp wählte bei seiner ersten Pressekonferenz als Teammanager des FC Liverpool gleich die perfekte Tonart. "I am the Normal One", antwortete der gewohnt schlagfertige Ex-BVB-Trainer auf die Frage eines Journalisten, wie er sich - speziell im Vergleich zum extrovertierten José Mourinho von Chelsea - beschreiben würde.

Eine "Ehre" sei es für ihn, den 18-fachen englischen Meister zu trainieren. "Einer größten Klubs der Welt", freute sich Klopp, gebe ihm "die Chance zu helfen".

Sympathisch, geerdet, demütig – mit seinem Auftritt am Morgen nach der Vertragsunterschrift in Liverpool am 8. Oktober 2015 zog der neue Coach nicht nur die Medienvertreter sofort auf seine Seite.


Jürgen Klopp (M.) bei seiner Vorstellung in Liverpool

Klopp-Manie begleitet Start in Liverpool

In der Beatles-Stadt brach ein wahrer Kloppo-Hype aus. Sein neuer Klub brachte flugs eine Merchandising-Kollektion mit Klopp-Shirt, Klopp-Brille und Klopp-Mütze auf den Markt.

Die Fans empfingen den neuen Heilsbringer euphorisch. Hoffnungen auf eine Renaissance längst vergangener goldener Zeiten erwachten rund um die Anfield Road.

Als Klopps Liverpooler nur zweieinhalb Monate nach seiner ersten Trainingseinheit einen 6:1-Kantersieg im Ligapokal beim FC Southampton feierten, überschlugen sich auch die Gazetten im Mutterland des Fußballs vor Begeisterung.

"Unglaublich, bemerkenswert und rücksichtslos", titelte das "Liverpool Echo". "The Times" fabulierte, Klopp habe "ein Haus der Schmerzen in einen Vergnügungsbau" umgewandelt.


Kloppo-Hype in Liverpool

Euphorie um Klopp ist längst Geschichte

Im nicht nur witterungsbedingt tristen Herbst 2017 ist von dieser Euphorie im Umfeld der Reds nichts mehr zu spüren. Nach sieben Partien belegt Liverpool in der Premier League nur Platz sieben.

In der Champions League warten Klopp und Co. nach zwei Spielen noch auf den ersten Sieg. Einen Titel holte der einst so erfolgsverwöhnte Klub unter seinem aktuellen Coach noch nicht.

Zahlreiche Granden der Vereinsgeschichte hat Klopp schon längst nicht mehr hinter sich. "Live denke ich immer, das Liverpool gut spielt. In der Zusammenfassung im Fernsehen sieht das aber wie eine Thekenmannschaft aus", polterte Klub-Legende Robbie Fowler nach dem trostlosen 1:1 gegen Aufsteiger Newcastle United.

"Ich denke nicht, dass dieses Team irgendetwas erreichen wird", sagte der langjährige Liverpool-Legionär Dietmar Hamann.

"Wenn sich ein Team zurückzieht, hat Klopp keinen Plan B"

Wie bereits zum Ende seiner Dortmunder Zeit hin scheint sich das System Klopp ein Stück weit abgenutzt zu haben. Vor allem gegen die Kleinen der Liga tut sich Liverpool häufig schwer.

"Wenn sich ein Team zurückzieht und nur verteidigt, hat Klopp keinen Plan B", kritisierte der frühere Profi und heutige TV-Experte Gary Neville. Das Spiel der Reds sei "statisch und ausrechenbar".

Anfällige Defensive, schlechte Transferpolitik

Auffällig ist auch die Defensiv-Schwäche des Klopp-Teams. Zwölf Treffer kassierte Liverpool in der laufenden Spielzeit bereits, acht mehr als das Premier-League-Spitzenduo aus Manchester zusammen. Kein Team unter den ersten 14 der Tabelle ist in der Rückwärtsbewegung anfälliger.

Obwohl insbesondere die Innenverteidigung vor der Saison auch klub-intern als Schwachstelle ausgemacht worden war, legte Liverpool personell nicht nach.

Für Wunschkandidat Virgil van Dijk rief Southampton mehr als 70 Millionen Euro auf – zu viel Geld für die Verantwortlichen der Reds.

"Klopp hat im Sommer auf dem Transfermarkt alle Chancen verpasst", analysierte "Sky"-Kommentator Alan McInally, der zu seiner aktiven Zeit unter anderem für Bayern München die Fußballschuhe schnürte.

Spieler stehen weiter hinter Klopp

Immerhin: Liverpools Spieler stehen trotz der durchwachsenen Ergebnisse der jüngeren Vergangenheit weiterhin hinter ihrem Coach.

"Jeder kann die Schritte sehen, die wir unter ihm in den letzten zwei Jahren nach vorne gemacht haben", erklärte Nationalspieler Emre Can zuletzt in einem Interview mit der "Sport Bild". Klopp sei ein "Top-Top-Trainer".

Verteidiger Joe Gomez berichtete auf der Vereins-Homepage von seiner "emotionalen Verbindung" zu Klopp. "Er nimmt sich viel Zeit für dich und nimmt Rücksicht auf deine Gefühle. Er behandelt dich wie einen normalen Menschen."


Verstehen sich gut: Emre Can und Jürgen Klopp

Lockt der FC Bayern Klopp?

Die Verantwortlichen der Reds werden spätestens im kommenden Sommer dennoch eine kritische Bewertung von Klopps Arbeit vornehmen.

Steht seine Titelausbeute dann immer noch bei null und verpasst Liverpool tatsächlich die Champions-League-Ränge, könnte es trotz Vertrags bis 2022 ungemütlich werden für den gebürtigen Stuttgarter.

Womöglich lockt Klopp dann aber auch eine Aufgabe bei einem noch größeren Klub, der seine Hilfe braucht: Beim FC Bayern soll er einer der Kandidaten für die Nachfolge von Übergangstrainer Jupp Heynckes sein.

Tobias Knoop