14.01.2018 09:10 Uhr

Liverpool: Wohin mit den Coutinho-Millionen?

Bild mit Symbolcharakter? Coutinho macht Platz für Alex Oxlade-Chamberlain
Bild mit Symbolcharakter? Coutinho macht Platz für Alex Oxlade-Chamberlain

Exakt 127 Tage nach der historischen Abreibung im Etihad Stadium trifft der FC Liverpool erneut auf Ligaprimus Manchester City. In heimischen Gefilden wollen die Reds die Scharte der 0:5-Niederlage im vergangenen September auswetzen. Dieses ohnehin ambitionierte Unterfangen wird durch den Abgang von Spielmacher Coutinho zusätzlich erschwert. Wer könnte den Brasilianer vergessen machen?

160 Millionen Euro - eine surreale Summe. Dabei ist die Ablöse, die der FC Barcelona für die Dienste des 25-jährigen Ballzauberers Coutinho nach Liverpool überwiesen hat, bekanntlich nicht einmal die Spitze des Eisbergs. Der Neymar-Deal hat die Fußballwelt in ihren Grundfesten erschüttert und mit sechsmonatiger Verspätung auch die Premier League erreicht.

Nun steht LFC-Teammanager Jürgen Klopp vor der kniffligen Herausforderung, eine klaffende Lücke im Kader mitten in der Saison schließen zu müssen. Der 50-Jährige, einst scharfer Kritiker des Wechsel-Wahnsinns, muss sich bald zwischen Bord- und Geldmitteln entscheiden.

Variante 1: Die interne Lösung

Erst am Deadline Day 2017 beendeten die Reds den zähen Poker mit dem FC Arsenal um Alex Oxlade-Chamberlain. Rund 38 Millionen Euro wanderten für die Verpflichtung des englischen Nationalspielers nach London. In der abgelaufenen Hinserie blieb der 24-Jährige hinter den Erwartungen zurück und schaffte es selten, ein Mitglied der "Fab Four", bestehend aus Coutinho, Roberto Firmino, Sadio Mané und Mohamed Salah, aus der Startelf zu verdrängen.

Neuerdings ist eine Position in Liverpools Sturm-Quartett vakant. Nutzt "The Ox" die Gunst der Stunde? Tempo und Dribbelstärke sprechen für den Rechtsfuß, der in der Liga bislang zwei Tore und zwei Vorlagen geliefert hat. Problem: Im Zentrum fühlt sich Oxlade-Chamberlain nicht wohl, kann dort seine Explosivität zu selten nutzen. Zudem mangelt es ihm an Qualität im Abschluss, nie traf er öfter als zwei Mal in einer Premier-League-Saison. Nichtsdestotrotz dürfte der Ex-Gunner künftig verstärkt in den Fokus rücken.

Alternativ könnte auch Adam Lallana wieder häufiger zum Einsatz kommen. Coach Klopp gilt als großer Fan des Offensiv-Allrounders, der weite Teile der Hinrunde verletzungsbedingt verpasste. Am Neujahrstag stand der 29-Jährige, dessen schlitzohriger Stil an Marco Reus erinnert, in Burnley erstmals wieder in der Startformation der Reds. Bleibt die Frage, wie schnell Lallana nach langer Pause seinen Rhythmus wiederfindet.

Der übrige Kader gibt nicht viel her. Youngster Dominic Solanke ist den Beweis seiner Erstliga-Tauglichkeit bislang schuldig geblieben, Bankdrücker Daniel Sturridge will und soll noch im Winter weg. Überdies kommt Pechvogel Danny Ings nach unzähligen Blessuren nicht mehr auf die Beine.

Variante 2: Die externe Lösung

Wahrscheinlicher als derweil, dass die Einnahmen aus dem Coutinho-Transfer reinvestiert werden. Zwar hat Liverpool bereits "marktgerechte" 79 Millionen Euro in die Hand genommen, um den niederländischen Abwehrspieler Virgil van Dijk an die Mersey zu locken, weitere Zugänge könnten dennoch folgen.

Die Yellow Press brachte den Namen Riyad Mahrez ins Spiel. Überraschend kommt das nicht, gilt der schussgewaltige Algerier von Leicester City doch seit längerem stets zum Kandidatenkreis, wenn sich Top-Teams auf Stürmersuche befinden. Angeblich soll der formstarke Linksfuß rund 60 Millionen Euro kosten. Bei genauerer Betrachtung fällt freilich auf, dass der 26–Jährige nicht so recht ins gesuchte Profil passen will.

Mahrez genießt bei den Foxes alle Freiheiten. Ein Mittelklasse-Team wie Leicester kann es sich erlauben, einen individuell starken, zuweilen aber eigensinnigen Alleinunterhalter aufzustellen. Der berühmt-berüchtigte Klopp-Fußball erfordert gleichwohl andere Qualitäten. Trotz unbestrittener Fähigkeiten wirkt Mahrez in seinen Aktionen zu eindimensional, um die blitzschnellen Ballstafetten im etablierten 4-2-3-1-System der Reds mitzutragen.

Ein weiterer Anwärter steht derzeit noch im Fürstentum unter Vertrag. Thomas Lemar, einer der wenigen verbliebenen Helden des monegassischen Meister-Märchens, wird quasi wöchentlich mit einem Wechsel in die Premier League in Verbindung gebracht. Zunächst schien Arsenal im Werben um den französischen Nationalspieler in der Pole Position, mittlerweile sollen die Reds aber die besseren Karten besitzen. Über Monate hinweg ließen die Monaco-Bosse alle Interessenten abblitzen, indem sie bis zu 100 Millionen Euro für Lemar aufriefen. Zuletzt rückten sie von diesem Kurs jedoch ab. Der 22-Jährige bleibt zweifelsfrei eine heiße Aktie.

Unter der Woche machten Gerüchte die Runde, wonach Liverpool den fixen, 70 Millionen Euro schweren Sommertransfer von Leipzigs Mittelfeldmotor Naby Keita vorziehen möchte. Ursprünglich sollte der Guineer erst im Juli an der Anfield Road aufschlagen. Der "Bild" zufolge wäre der Klub bereit, noch einmal 20 Millionen auf die vereinbarte Basissumme draufzulegen. Laut RB-Sportdirektor Ralf Rangnick ist an den Spekulationen nichts dran. "Es liegt für keinen der Spieler, die heute für uns auf dem Platz stehen oder auf der Bank sitzen, von irgendeinem Verein eine Anfrage oder ein Angebot vor", erklärte der 59-Jährige am Samstag.

"Nichts Verrücktes tun"

Und was sagt Trainer Klopp? Der lässt sich kaum in die Karten schauen. "Wir werden mit offenen Augen durch dieses Transferfenster gehen, aber nichts Verrücktes tun", stellte der Deutsche am Freitag klar. Wohl wissend, dass die Rufe nach namhafter Verstärkung sicher nicht leiser würden, sollte die Revanche gegen Manchester City misslingen.

Insofern ist das Prestigeduell nicht nur in sportlicher, sondern auch in personalpolitischer Hinsicht richtungsweisend für den FC Liverpool. Die Schlüsselfrage: Ist der Kader in der Breite stark genug besetzt, um den Verlust eines Ausnahmekönners wie Coutinho zu kompensieren? Die Antwort dürfte recht bald folgen.

Heiko Lütkehus