17.01.2018 15:54 Uhr

Combine: So sucht die MLS die Stars von morgen

Francis Atuahene (r.) aus Michigan ist einer der Spieler der MLS Combine  (twitter.com/MLS)
Francis Atuahene (r.) aus Michigan ist einer der Spieler der MLS Combine (twitter.com/MLS)

Bei der sogenannten Combine scoutet die nordamerikanische Major League Soccer zu Anfang jeden Jahres ihre zukünftigen Stars. Zahlreiche Nachwuchsspieler kämpfen um die besten Positionen beim anschließenden MLS SuperDraft – und gehen dabei durch ein sportliches und psychisches Stahlbad.

Die Scouts der MLS-Klubs waren auf den Tribünen des Orlando City Stadiums nahezu unter sich. Trotz freien Eintritts verirrte sich am Montag um 14:30 Uhr Ortszeit nur eine Handvoll Fans in die 25.500 Zuschauer fassende Arena.

Auf dem Platz ging es beim vierten Spiel der diesjährigen Combine nicht gerade spektakulär zu. Im Duell zwischen "Team Predator" und "Team Tango" fiel nur ein einziges Tor. Abwehrspieler Markus Fjörtoft köpfte die Predators in der 73. Minute zum Sieg.

Nach der Partie blieb der Matchwinner bescheiden. "Es ist toll, dass mein Team wirklich ein Team ist", sagte Fjörtoft gegenüber "Pro Soccer USA". "Du kommst hierher, um dein individuelles Können zu zeigen. Aber eigentlich kannst du nur glänzen, wenn es im Team gut läuft."

73 Bewerber nehmen insgesamt an der aktuellen Ausgabe der Combine teil. Sie kommen von Hochschulen in den ganzen USA. Auch einige herausragende Nicht-College-Spieler lädt die Auswahlkommission ein. Alle Bewerber eint der Traum von einem Engagement in der MLS.

Pulisic und Co. brauchen Combine nicht

Ganz jung sind die Nachwuchskräfte in der Combine nach internationalen Maßstäben überwiegend nicht mehr. Die hochkarätigsten US-Youngster benötigen das Casting nicht, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie wechseln wie Dortmunds Christian Pulisic oder Schalkes Weston McKennie schon in jungen Jahren nach Europa.

Der Norweger Fjörtoft, seit 2014 in den USA, würde mit seinen 24 Jahren diesseits des großen Teiches nicht mehr als Talent durchgehen. Auch Fjörtofts Predator-Teamkollege Leon Schwarzer, ein gebürtiger Münsteraner, ist schon 22.

Schwarzer ist einer von zwei Deutschen bei der Combine 2018. Tim Kübel (24), der in der Jugend unter anderem für Borussia Dortmund auflief, spielt ebenfalls in Orlando vor.

Wer die anwesenden Trainer, Scouts und General Manager der MLS-Teams von sich überzeugt, erhöht signifikant seine Chancen, beim anschließenden Draft verpflichtet zu werden.

Zusätzliche Tests verschärfen den Wettbewerb

Deswegen herrscht bei der Combine ein knallharter Wettbewerb. Auf dem Rasen messen sich die vier zusammengewürfelten Bewerber-Teams in insgesamt sechs Partien. Zudem unterziehen sich die Spieler weiteren Tests. Ein 30-Meter-Sprint, eine Beweglichkeitsübung und eine Messung der Sprungkraft stehen auf dem Programm.

Die Ergebnisse der besten Teilnehmer veröffentlicht die MLS auf ihrer Webseite. Zudem bewertet die Liga nach jedem Spieltag schonungslos, welche Akteure die an sie gestellten Erwartungen übertroffen haben und wer die negativen Überraschungen sind. Ein nach Positionen sortiertes Ranking gibt nach Ende des Events zusätzlich detailliert Auskunft über das Abschneiden der Bewerber auf dem Platz.

MLS-Vertreter stellen Bewerber auf den Prüfstand

Auch abseits des Sportlichen ist der Druck auf die Combine-Teilnehmer immens. Die Klub-Vertreter stellen die Bewerber zwischen den Spielen mit knallharten Interviews auf den psychologischen Prüfstand. "Ein Prozess des Aussortierens" nennt das Kurt Schmid, Scouting-Direktor von LA Galaxy.

Die Recruiting-Experten der Klubs versuchen in den kurzen Gesprächen vor allem herauszufinden, ob der potentielle Neuzugang über eine gesunde Selbstreflektion verfügt.

"Ich lasse sie über das Spiel sprechen, frage sie, was der Coach von ihnen verlangte, was sie gut und was sie schlecht gemacht haben", erläutert Schmid. Gebe ein Spieler überzeugende Antworten, "kannst du mit ihm arbeiten, dann ist er lernfähig", so der Galaxy-Scout. Antwortet der Spieler nicht den Vorstellungen entsprechend, streicht ihn der entsprechende Klub von seiner Draft-Liste.

Combine-Teilnehmer Gressel schreibt Geschichte

Einer, der das Stahlbad Combine mit großem Erfolg durchlaufen hat, ist Julian Gressel. Der heute 24 Jahre alte Franke überzeugte bei der letztjährigen Ausgabe so nachdrücklich, dass ihn die MLS-Franchise Atlanta United im Draft an achter Stelle verpflichtete.

Gressel führte das Team aus der Millionen-Metropole im Bundesstaat Georgia prompt mit fünf Toren und neun Vorlagen in die Playoffs. Teamoffizielle, Medienvertreter und Spieler wählten den Mittelfeldspieler mit über 50 Prozent zum "Rookie of the Year" – als ersten Europäer in der elfjährigen MLS-Geschichte überhaupt.

Gleich in seiner ersten Partie für Atlanta traf Gressel übrigens auf Chicago Fire mit Legende Bastian Schweinsteiger. "Nach dem Spiel haben wir einige Minuten gequatscht", erzählte Gressel kürzlich dem Portal "anpfiff.info", " da hat er gesagt, dass er meinen Weg verfolgen wird."

Tobias Knoop