29.01.2018 22:27 Uhr

Santiago Wanderers: Gegen den "Hannover-Fluch"

Die Fans aus Valparaíso werden ihre Mannschaft in der Copa Libertadores zahlreich unterstützen (Quelle: orgulloporteno.cl)
Die Fans aus Valparaíso werden ihre Mannschaft in der Copa Libertadores zahlreich unterstützen (Quelle: orgulloporteno.cl)

Viele Gemeinsamkeiten werden Fußball-Bundesligist Hannover 96 und der chilenische Traditionsverein Santiago Wanderers aus der Hafenstadt Valparaíso nicht haben. Ein paar Dinge eint die zwei Klubs allerdings doch: Beide gewannen in ihrer Vereins-Historie sensationell den Pokal in ihrem Land. Beide qualifizierten sich dadurch für das internationale Geschäft. Und beide spielten im Folgejahr in Liga zwei.

Der Mai 1992 wird allen Hannover-Fans noch gut in Erinnerung sein. Denn damals besiegt der Zweitligist die favorisierten Gladbacher im DFB-Pokal-Finale. Das Sahnehäubchen: 96 darf in der darauffolgenden Saison im Europapokal der Pokalsieger antreten. Doch anstatt einen Pokalsieger aus Europas Top-Ligen zugelost zu bekommen, erwischen die Niedersachsen ausgerechnet den Vorjahressieger, Werder Bremen. Nach einem 1:3 im Hinspiel reicht ein 2:1 zuhause nicht aus: Das Abenteuer "Europa" ist jäh beendet.

Dass den Santiago Wanderers nun ein ähnliches Schicksal ereilt, soll in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch verhindert werden. Dann treten die Chilenen in der Copa Libertadores gegen FBC Melgar aus Peru an. 17 Jahre ist es nun her, dass das Estadio Elías Figueroa Bander ein Spiel im südamerikanischen Pendant zur Champions League beheimatet hat. Wie einst Hannover 96 hat sich der Klub über den überraschenden Gewinn des Pokals in der Vorsaison für den Wettbewerb qualifiziert.

Lange ist der Triumph noch nicht her: Erst Ende November 2017 jubeln abertausende frenetische Fans in Valparaíso. Ausgerechnet gegen den verhassten Erzrivalen und haushohen Favoriten Universidad de Chile gelingt der große Pokal-Coup im Finale. Mit Kampf und Leidenschaft fegen die "Caturros" über ihren Gegner hinweg und gewinnen letztlich verdient mit 3:1. Balsam für die geschundene Seele. Vergessen der Albtraum im Liga-Alltag.

Der letzte Strohhalm: Wanderers greifen ihn nicht

Schließlich erleben die Fans dort eher Rümpel-Fußball statt Glanz und Gloria. Beinahe im Halbjahres-Takt verschleißen die Grünen seit Jahren einen Trainer nach dem anderen. Auch die Spieler kommen und gehen. Entsprechend unstrukturiert und unansehnlich ist der Fußball. In der letzten Halbserie fährt die Mannschaft in 15 Partien nur zwei magere Siege ein. Selbst der unverhoffte Pokal-Erfolg bringt keinen neuen Schub.

Folgerichtig muss das Team von Trainer Nicolás Córdova wenige Wochen nach dem Pokalsieg die ungeliebten Relegationsspiele gegen das beste Team aus dem Unterhaus antreten und hoffen, die Wende irgendwie noch einläuten zu können.

Doch auch gegen Unión La Calera stehen die "Porteños" völlig neben sich. Letztlich versagen die Nerven im Elfmeterschießen vor den 13.000 angereisten Fans, der Abstieg ist Gewissheit.

Vorbereitung auf das frühe Saison-Highlight

Einer der Protagonisten aus dem Relegationsspiel, Rafael Viotti, will die vergangene Saison nun jedoch so schnell es geht abhaken. Dabei war er es, der wenige Wochen zuvor für Unión La Calera einen der Elfmeter gegen seinen neuen Klub verwandelte. "Das ist jetzt alles Geschichte", so der Neuzugang des Absteigers vor dem frühen Saison-Highlight gegen die Peruaner.

"Wir wollen die Spiele genießen", erklärt der Argentinier. "Alle haben letztes Jahr so viel für diese Spiele gegeben." Deswegen wolle das Team nun mit Erfolgserlebnissen in eine neue, bessere Saison starten.

Gleich fünf Spieler haben den Traditionsklub nach einem "Halbjahr voller Freude und Traurigkeit" indes verlassen, wie der Klub zum Jahresbeginn verlauten lässt. Vor allem junge Spieler, wie Neuzugang Ramón Sáez, sollen fortan für erfolgreichere Zeiten sorgen. "Wir sind bereit, auch für die großen Spiele", so der 21-Jährige, der gleichzeitig die Kampfansage macht: "Oberstes Ziel ist aber die Rückkehr in die erste Liga."

Dort gehöre Santiago Wanderers schließlich hin, so Sáez. Doch ob der Klub auch in die Copa Libertadores gehört, wo anderes Kaliber als die Vereine aus Chiles Fußball-Provinz wartet, wird sich zeigen. Das Abschneiden von Hannover 96 auf dem internationalen Parkett vor über 26 Jahren sollten Viotti, Sáez und Co. dabei jedoch nicht unbedingt in den Köpfen haben.

Gerrit Kleiböhmer