14.04.2018 09:04 Uhr

Vor 80 Jahren: Als Nazis den VfL Bochum gründeten

Vor 80 Jahren endstand der VfL Bochum
Vor 80 Jahren endstand der VfL Bochum

1848 - unübersehbar prangt diese Jahreszahl im Vereinswappen des Fußball-Zweitligisten VfL Bochum. Doch ein Blick in die Historie zeigt, dass die eigentliche Gründung des Klubs aus Nordrhein-Westfalen erst 90 Jahre später erfolgte, mitten im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. 

"Unsere Heimat, unsere Liebe, in den Farben Blau und Weiß, 1848, nur damit es jeder weiß!", so lautet ein bekannter Schlachtruf der Fans des VfL. Doch lange nicht jedem ist bekannt, dass der Verein in seiner heutigen Form nicht etwa vor 170 Jahren entstand, sondern vor 80. Genauer: am 14. April 1938.

Damals sorgte Bochums Nazi-Oberbürgermeister Otto Piclum dafür, dass sich die drei Klubs Germania, TuS und Turnverein 1848 Bochum zum Verein für Leibesübungen Bochum 1848 zusammenschlossen und damit gehorsam dem (sport-)politischen Vorgehen der Nationalsozialisten entsprachen.

Piclum, unter anderem Chefredakteur der NSDAP-Parteizeitung "Rote Erde", lockte die drei Klubs damit, ihnen nach der Gründung des VfL alle Altschulden zu erlassen. Außerdem wurde das Stadion an der Castroper Straße ausgebaut und ein hauptamtlicher Fußballtrainer bei der Stadt Bochum angestellt. TuS und Turnverein hatten ihre Mitglieder nach Hitlers Machtübernahme 1933 ohnehin bereits auf Linie gebracht, nach und nach jüdische Mitglieder ausgeschlossen und so genannte "Vereinsführer" gewählt, die der NSDAP beitraten. 

Feierlichkeiten im Sinne des Führers

Nach dem Zusammenschluss 1938 erfolgte ein großer städtischer Festakt zur Gründung des VfL und hiernach ein weiterer zum 90-jährigen Jubiläums des Turnvereins, jeweils voller Stolz angeführt von Piclum. Der frisch zum Schirmherren des neuen Vereins gewählte Oberbürgermeister inszenierte die beiden Propagandaveranstaltungen ganz im Sinne seiner Partei mit Hakenkreuzen an den Saalwänden und stellte die Feierlichkeiten in den Dienst des Führers. 

Die erste große Partie trug der VfL schließlich nur wenige Wochen später, kurz nach dem Anschluss Österreichs ans Dritte Reich, öffentlichkeitswirksam gegen Ostmark (zuvor Austria Wien) aus. Am 8. Mai 1938 sahen 7000 Zuschauer an der Castroper Straße ein Spiel "als Demonstration für die neue deutsche Ostmark", wie der "Bochumer Anzeiger" den Schlagabtausch damals nannte. 

Jahre gingen unter dem Einfluss der Nazis ins Land. Der VfL spielte bis zur kriegsbedingten Einstellung des Spielbetriebs erfolgreich als Gauligist und blieb als Klub auch über das Ende der Nazi-Herrschaft hinaus erhalten. Am 29. Juli 1949 wurde zudem eine separate Fußballgemeinschaft innerhalb des VfL Bochum gegründet, der Verein für Leibesübungen Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e. V.!

Erinnerungskultur wächst endlich

Mehrere Jahrzehnte lang breiteten Mitglieder und Verantwortliche des Fußballvereins einen Mantel des Schweigens über die genauen Vorgänge rund um die Gründung des VfL aus und stellten lieber das unverfängliche Gründungsjahr des Turnvereins in den Vordergrund (auch wenn Quellen zeigen, dass dieser letztlich sogar erst 1849 gegründet wurde).

Erst seit wenigen Jahren widmen sich Historiker einer umfangreichen Aufarbeitung der Gründungeschichte des VfL Bochum. Passend dazu hat das Fanprojekt Bochum am vergangenen Freitag beim Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern eine Broschüre unter den Fans verteilt mit dem Slogan "1938 - nur damit es jeder weiß".

Die Initiatoren, die "Arbeitsgruppe Erinnerungsorte Bochum", ein Zusammenschluss engagierter VfL-Fans, hatten sich zuvor sich in Zusammenarbeit mit Experten aus dem Zentrum für Stadtgeschichte, der Ruhr-Uni Bochum und einem Sport-Historiker intensiv mit der Geschichte des Vereins und der Stadt auseinandergesetzt.

Die Quintessenz und gleichzeitig Botschaft an alle Fans: "Tradition und Geschichte können nur erhalten werden, wenn wir um sie wissen und die eigenen Wurzeln kennen. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nennt man Geschichtsbewusstsein."

In der heutigen Zeit, in der es wichtig ist, eine lebendige Erinnerungskultur zu erhalten, hat der VfL Bochum damit einen ersten wichtigen Schritt getan. 

Chris Rohdenburg