13.06.2018 14:06 Uhr

Spanien entlässt Trainer - Nachfolger steht fest

Julen Lopetegui wurde als Spaniens Nationalcoach entlassen
Julen Lopetegui wurde als Spaniens Nationalcoach entlassen

Paukenschlag bei der spanischen Fußball-Nationalmannschaft: Trainer Julen Lopetegui ist nur einen Tag vor dem Beginn der WM in Russland entlassen worden. Das sorgte sowohl bei der Mannschaft als auch in der spanischen Presse für große Aufregung. Nachfolger der Selección wird Fernando Hierro. 

Der bisherige RFEF-Sportdirektor und langjährige Profi von Real Madrid übernimmt das Amt zunächst während der Weltmeisterschaft. Das teilte der spanische Verband RFEF am Mittwochnachmittag mit. In einer Pressekonferenz um 17:30 Uhr stellt sich der Interimscoach den Journalisten.

Am Mittag hatten sich die Spanier überraschend von Lopetegui getrennt. Grund sind die Umstände seines Wechsels zu Real Madrid, der am Dienstag bekanntgegeben worden war.

Bereits am 15. Juni trifft der Weltmeister von 2010 im so wichtigen ersten Gruppenspiel in Sotschi auf Europameister Portugal. Lopetegui will sich nach Verbandsangaben erst nach seiner Rückkehr nach Spanien zu seinem spektakulären Abgang äußern.

Real und Lopetegui führen Verhandlungen alleine

"Wir stecken in einer komplizierten Situation, die komplizierteste, die man sich vorstellen kann", sagte Rubiales. Der neue Boss des spanischen Fußball-Verbandes (RFEF) erhob schwere Vorwürfe gegen Real. "Wir hatten überhaupt keine Information über das", sagte Rubiales. "Julen hätte es lieber gehabt, wenn die Dinge anders gehandhabt worden wären."

Offenbar hatten Lopetegui und Real die Verhandlungen völlig an den RFEF-Funktionären vorbei geführt und Rubiales überrumpelt. "Ich kann mich nicht auf einen Anruf fünf Minuten vorher einlassen", sagte Rubiales und meinte damit den Zeitpunkt, als die Königlichen ihre völlig überraschende Pressemitteilung veröffentlichten.

Erst 50 Minuten nach der Real-Verlautbarung hatte der RFEF mit einer dürren Presseerklärung reagiert, in der er die Ausstiegsklausel in Lopeteguis Vertrag bestätigte. Nach einem "Marca"-Bericht erhält der Verband eine Ablöse in Höhe von 2 Millionen Euro - und steckt nun unmittelbar vor der WM in einem Chaos. Lopeteguis Abschied ist selbst im schnelllebigen Profigeschäft ein einmaliger Vorgang.

"Kanonenschuss gegen die Selección"

Nach Informationen von "Marca" hätten sich die Spieler mit Kapitän Sergio Ramos von Real Madrid an der Spitze für den Verbleib Lopeteguis ausgesprochen. Die Spieler hätten dann die Entscheidung der sofortigen Trennung "akzeptiert", sagte Rubiales.

Der 40 Jahre alte Ex-Profi war erst Mitte Mai zum neuen Verbandschef gewählt worden und wirkte in seiner ersten Bewährungsprobe gleich auf der Weltbühne des Fußballs von den Ereignissen überrollt. Er sprach von Werten, die man nicht brechen dürfe ("Die Umgangsformen sind wichtig"), von "mangelndem Respekt" und erklärte: "Wir müssen an einer Reihe von Entscheidungen arbeiten, die zwei Tage vor Beginn der WM kommen. Es gibt viel zu tun."

"Kanonenschuss gegen die Selección" titelte sogar die Real nahestehende Madrider Sportzeitung "AS", nachdem Reals Coup bekannt geworden war. Rubiales koche vor Wut, hieß es in Medienberichten weiter. Auch und vor allem der Zeitpunkt der Bekanntgabe sei "schrecklich" gewesen, schreibt zum Beispiel "AS". Lopetegui war für die Pressekonferenz am Mittwoch angekündigt worden, erschien aber nicht. Der frühere Torhüter hatte seit seinem Amtsantritt 2016 als Nachfolger von Vicente del Bosque keines seiner 20 Spiele verloren.

Kritik an Real-Boss wird laut

Rubiales habe nach Medienberichten Lopetegui und Real-Boss Florentino Pérez am Vortag darum gebeten, dass die Verpflichtung erst nach der WM bekanntgegeben wird. Die Fachzeitung "Mundo Deportivo" sprach von einer "Bombe", das Konkurrenzblatt "Sport" von einer "Madrider Rakete gegen La Roja" und auch davon, dass Pérez "die Nationalmannschaft in die Luft gejagt" habe. Kommentar von "Radio Marca" aus Krasnodar: "Das ist mehr ein Meteorit als eine Bombe, die hier eingeschlagen hat."

Der frühere Nationalspieler Xavi Hernández hat das Verhalten Lopeteguis scharf kritisiert und Rubiales gelobt. "Rubiales hat sehr gut reagiert", wurde der Weltmeister von 2010 in der Onlineausgabe der Sportzeitung "Marca" zitiert. "Die Entscheidung von Lopetegui war meiner Meinung nach unpassend, unerwartet und voreilig", erklärte Xavi. Der frühere Mittelfeldspieler des FC Barcelona, der zur Zeit in Katar bei Al-Sadd SC spielt, meinte, die Nachricht von der Verpflichtung Lopeteguis durch Real Madrid zu einem so unpassenden Zeitpunkt habe "alle überrascht". Rubiales habe "zu Recht die Interessen des Verbandes verteidigt, der wichtiger als alle Personen" sei.

Joachim Löw erstaunt: "Ein Hammer"

Dass Spanien durch diese Zwischenfälle entscheidend geschwächt wird, glaubt Xavi derweil nicht. "Es ist klar, dass das nicht das beste Szenario ist. Aber ich hoffe, dass es keine negativen Folgen geben wird. In der Gruppe gibt es viele, die das gut handhaben können. Für mich hat Spanien weiterhin sehr gute Aussichten, die WM zu gewinnen", sagte der 38-Jährige. Der neue Trainer Hierro sei "sehr gut vorbereitet". Der bisherige Sportdirektor habe in Südafrika dem Weltmeisterteam von 2010 "viel geholfen, nachdem wir das Auftaktspiel gegen die Schweiz mit 0:1 verloren hatten."

Mit Erstaunen reagierte indes Bundestrainer Joachim Löw auf die Trainertrennung. "Das kam für mich völlig unerwartet. Dass so eine Entscheidung zwei Tage vor dem ersten Spiel der Mannschaft getroffen wird, ist ein Hammer", sagte Löw im WM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Watutinki. Dies sorge "mit Sicherheit für unnötige Unruhe innerhalb des Verbandes und wohl auch der Mannschaft".