19.06.2018 07:13 Uhr

Kagawa: Vom Aussortierten zum Hoffnungsträger

BVB-Star Shinji Kagawa ist Japans Hoffnungsträger bei der Fußball-WM
BVB-Star Shinji Kagawa ist Japans Hoffnungsträger bei der Fußball-WM

Shinji Kagawa ist vor dem WM-Auftakt der japanischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Kolumbien am Dienstag großer Hoffnungsträger seines Teams. Dabei war der 29 Jahre alte Spielmacher von Borussia Dortmund eigentlich schon aussortiert.

Bei der WM-Generalprobe war Shinji Kagawa fast wieder der Alte. 4:2 gewann Japan vor der Abreise nach Russland gegen Paraguay, einen Treffer sowie zwei Vorlagen steuerte der Dortmunder zum Sieg bei.

Kagawa gänzte als Denker und Lenker in der offensiven Zentrale, annähernd jeder Angriff lief über ihn. Sein Tor erzielte der Matchwinner nach einem herrlichen Dribbling gegen zwei Gegenspieler auf engstem Raum.

Nach zwei 0:2-Niederlagen zuvor gegen die Schweiz und Ghana ließ der überzeugende Erfolg die "Blue Samurai" mit einem deutlich besseren Gefühl zur Endrunde fahren. Auch Kagawa dürfte die starke Leistung einen dringend benötigten Auftrieb gegeben haben.

Schwere Saison beim BVB für Kagawa

Denn hinter dem Edeltechniker liegen schwere Monate. Nur 19 Bundesligaspiele absolvierte Kagawa in der abgelaufenen Saison für den BVB, in der Startelf stand er dabei lediglich zwölfmal.

Unter Chefcoach Peter Bosz spielte der Publikumsliebling zu Saisonbeginn kaum eine Rolle. Als er sich nach dem Trainerwechsel hin zu Peter Stöger gerade wieder in die Stammelf gespielt hatte, zog sich der Offensivspieler in der Partie gegen den Hamburger SV im Februar eine Verletzung am Knöchel zu.

Die Blessur erwies sich in der Folge als überaus hartnäckig. Erst am letzten Spieltag beim 1:3 in Hoffenheim gab Kagawa sein Comeback im schwarz-gelben Dress.

Kagawa im Nationalteam schon aussortiert

Nicht nur aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme hing die zweite WM-Teilnahme des 95-fachen Nationalspielers lange Zeit am seidenen Faden.

Zwischen Oktober 2017 und Mai 2018 bestritt Kagawa kein einziges Länderspiel. Nationaltrainer Vahid Halilhodzic setzte nicht mehr auf den Routinier, wollte einen Umbruch mit jungen Spielern vorantreiben.

Auch wegen des zweifelhaften Umgangs mit verdienten Akteuren wie Kagawa zog der japanische Verband kurz vor der WM-Vorbereitung überraschend die Reißleine und entließ den Bosnier.

Halilhodzics Nachfolger Akira Nishino berief den BVB-Star im Mai nach einem zweistündigen persönlichen Gespräch in Dortmund wieder in den Kader.

"Shinji ist wegen seiner langen Verletzung in einer schwierigen Situation", sagte Nishino. "Ich würde mich freuen, ihn wieder in Bestform zu sehen."

Davon war Kagawa zunächst weit entfernt. Gegen Ghana und die Schweiz blieb er als Einwechselspieler blass. Dass der Mittelfeldmann es im fitten Zustand nicht ins endgültige Aufgebot Japans für Russland schaffen könnte, stand für Nishino wohl dennoch nie zur Debatte.

>> calovo.de bietet dir in Kooperation mit sport.de den kompletten WM-Spielplan kostenlos und ohne Anmeldung direkt für deinen Kalender

Kagawa verkörpert an guten Tagen internationale Klasse

Aus gutem Grund: Kein anderer Spieler im japanischen Kader hat die herausragende internationale Klasse, die Kagawa an guten Tagen noch immer verkörpert.

Und das unabhängig davon, dass die mit Abstand beste Zeit in seiner Karriere, die Dortmunder Double-Saison 2011/2012, mittlerweile mehr als ein halbes Jahrzehnt zurückliegt.

Ob mit einer überraschenden Körpertäuschung, einem genialen Schnittstellenpass oder einem wuchtigen Abschluss aus der Halbdistanz - der Dortmunder Publikumsliebling kann nach wie vor ein Unterschiedsspieler sein, einer "für die großen Spiele", wie Nishino sagt.

Japans Hoffnungen und Erwartungen ruhen auf Kagawa

Dementsprechend ruhen in der Heimat große Hoffnungen und Erwartungen auf den schmalen Schultern des 1,75-Meter-Mannes. "Ich kann dem Druck standhalten und möchte zeigen, dass ich die Kraft habe, auf internationaler Bühne zu bestehen", sagt Kagawa.

Überstehen die Japaner in Russland wider Erwarten ihre schwere Vorrundengruppe mit Kolumbien, Polen und Senegal, würden der Volksheld und seine Teamkollegen die Scharte der WM 2014 auswetzen.

Damals reisten die Asiaten mit großen Ambitionen im Gepäck nach Brasilien, schieden in einer machbaren Gruppe aber sang- und klanglos mit nur einem Punkt aus.

Kagawa kam in allen drei Partien zum Einsatz, überzeugte auf der denkbar größten Bühne des Weltfußballs aber nicht. Vier Jahre später hat der fast schon aussortierte Hoffnungsträger nun die Chance, es besser zu machen.

Tobias Knoop