28.06.2018 09:56 Uhr

Kommentar: Versagen der Weltmeister-Generation

Deutschland scheitert erstmals in einer WM-Vorrunde
Deutschland scheitert erstmals in einer WM-Vorrunde

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft scheitert erstmals in ihrer Geschichte in der WM-Vorrunde. Der letzte Platz in der vermeintlich einfachen Gruppe mit Mexiko, Schweden und Südkorea ist eine Blamage für das DFB-Team. Vor allem die Weltmeister von 2014 haben versagt, Konsequenzen sind bitter nötig. Ein Kommentar.

Dass Toni Kroos gegen Südkorea den Treffer zum 0:1 mit einem vogelwilden Querpass nach einer Ecke im eigenen Strafraum auflegte, war bezeichnend für die Weltmeisterschaft des Spielmachers von Real Madrid.

Zwar hob der Schiedsrichter-Assistent zunächst die Fahne, beim Video-Studium der Szene konnte Referee Mark Geiger aber keinen Regelverstoß erkennen. Das Tor in der Nachspielzeit zählte, Deutschlands Aus war besiegelt.

Schon gegen Schweden hatte Kroos den Gegentreffer mit einem kapitalen Fehlpass im Mittelfeld eingeleitet. Obwohl er das DFB-Team anschließend mit seinem herrlichen Freistoß in letzter Sekunde im Turnier hielt, enttäuschte der ungewohnt schlampig spielende Ballverteiler in Russland auf ganzer Linie.

Weltmeister versagen auf ganzer Linie

Ebenso wie Thomas Müller, der ohne jeglichen positiven Impact durch die gegnerischen Abwehrreihen irrte. Ebenso wie Sami Khedira, als ordnende Hand im defensiven Mittelfeld heillos überfordert. Ebenso wie Mesut Özil, gegen Mexiko schwach, gegen Schweden auf der Bank, gegen Südkorea mittelmäßig. Ebenso wie Jérôme Boateng, der mit dem überflüssigen Platzverweis im zweiten Gruppenspiel seinem Team einen Bärendienst erwies.

Auch Julian Draxler und Mats Hummels waren weit von ihrer Bestform entfernt. Matthias Ginter spielte wie schon in Brasilien keine einzige Minute.

Die vor vier Jahren noch (zu Recht) umjubelten Weltmeister versagten in Russland auf ganzer Linie - mit Ausnahme von Manuel Neuer, abgesehen von kleineren Wacklern gegen Südkorea ein sicherer Rückhalt.

Der Kapitän war es auch, der nach dem desaströsen Mexiko-Spiel insbesondere die Führungsspieler ins Gebet nahm - vergeblich, wie man inzwischen konstatieren muss.

Bundestrainer muss konsequente Entscheidungen treffen

Sogar grundlegende Tugenden wie Laufbereitschaft, Wille und Durchsetzungsvermögen fehlten auf dem Feld, vor allem die Schlussphase der alles entscheidenden Partie gegen Südkorea war von einer erschreckenden Lethargie geprägt.

Abseits des Platzes schafften es die arrivierten Kräfte nicht, den für ein erfolgreiches Turnier unabdingbaren Teamgeist zu erzeugen. 2014 war die deutsche Mannschaft eine verschworene Gemeinschaft, in Russland eine Ansammlung von Einzelkönnern und Ich-AGs - auch wenn Spieler und Funktionäre eine Grüppchenbildung innerhalb des Kaders immer dementierten.

In den kommenden Wochen und Monaten muss im DFB-Team ein radikaler Schnitt erfolgen. Alle (baldigen Ex-)Weltmeister müssen sich nachhaltig hinterfragen, ob sie noch die nötige Bereitschaft mitbringen, für die Nationalmannschaft zu spielen, sie zu führen, den unabdingbaren Umbruch mitzutragen.

Von Seiten des Bundestrainers, egal ob dieser Joachim Löw oder anders heißt, sind zudem konsequente Entscheidungen nötig, welche Spieler dem Team noch weiterhelfen können und welche einer erfolgreicheren Zukunft womöglich im Wege stehen.

Tobias Knoop