20.11.2013 14:07 Uhr

Ribéry und "Les Bleus" verzücken Frankreich

Bayern-Star Franck Ribéry tanzte völlig berauscht durchs Pariser Stade de France. Auf der Tribüne pustete Frankreichs Staatspräsident François Hollande erleichtert durch. Die nationale Katastrophe vor der Heim-EM 2016 wurde in letzter Sekunde abgewendet.

Durch das hochverdiente 3:0 im Playoff-Rückspiel gegen die harmlose Ukraine schaffte Frankreichs Nationalmannschaft nach der 0:2-Hinspielpleite doch noch die Qualifikation für die WM in Brasilien. Ausgelassen warfen die Spieler Nationaltrainer Didier Deschamps in die Luft - der Coach durfte sich zu später Stunde noch über eine Vertragsverlängerung bis 2016 freuen.

"C'est magnifique!", schrie Ribéry nach dem Abpfiff in die Mikrofone und Kameras der Journalisten. Das Spiel werde man "nie mehr im Leben" vergessen, stammelte der Wahlmünchner sichtlich bewegt. Mit zwei Tor-Vorlagen löste Ribéry sein Versprechen ein, sein Team zum Zuckerhut zu führen - und unterstrich mit einer starken Leistung zudem seine Ambitionen auf den Titel "Weltfußballer des Jahres 2013".

Riesenjubel auf französischen Straßen

Auf den Straßen in Paris, Marseille und anderen Großstädten strömten die Fans jubelnd auf die Straßen. Trotz tagelanger Medienschelte und atmosphärischer Störungen innerhalb der Mannschaft gelang den Franzosen das Kunststück, als erste Mannschaft in einem WM-Ausscheidungsspiel ein 0:2 aus dem Hinspiel noch zu drehen. "Respekt", titelte am Mittwoch "L'Équipe" in großen Lettern auf Seite eins. Die Sportzeitung sah "eine Nacht blau wie ein Traum".

Nach den zahlreichen Affären und Misserfolgen der vergangenen Jahre klappte diesmal alles. Dank eines couragierten Auftritts wurde ein vorzeitiger WM-K.o. wie 1994 gerade noch verhindert. Vor 80 000 Zuschauern sorgten Liverpools Mamadou Sakho mit einem Doppelpack (22./72.) und Reals Karim Benzema (34.) aus Abseitsposition für die Erlösung. "Und eins, und zwei, und drei zu null", skandierten freudentrunkene Anhänger auf der Pariser Prachtstraße Champs Elysées, in Anlehnung an den Jubelschrei nach dem 3:0-Finalsieg gegen Brasilien bei der Heim-WM 1998.

Vor dem Rückspiel hatten in Umfragen nur zehn Prozent der Franzosen ihre Zuversicht erklärt. Mehr als 85 Prozent hatten sogar versichert, sie wollten die Nationalelf nicht mehr unterstützen. Zu frisch waren in der Erinnerung unter anderem der Trainingsstreik von Ribéry & Co. bei der WM 2010 in Südafrika, das Vorrunden-Aus bei der EM 2008 und 2010 und die schlechten Vorstellungen bei der EM 2012. "Im Zeitraum von 90 Minuten extremer Intensität sind Les Bleus von Ausgestoßenen zu Helden geworden", stellte die Zeitung "Le Figaro" fest.

Auch Trainer Deschamps, der nach Spielende mit der Verlängerung seines Vertrags bis zur EM 2016 im eigenen Land belohnt wurde, war minutenlang ungläubig. Er habe schon große Augenblicke im Sport erlebt, sagte der Kapitän des Weltmeisterteams von 1998, der als Coach zudem Olympique Marseille zum Landestitel führte. "Aber der Sieg gegen die Ukraine, das ist so was von fantastisch", erklärte er.

Hinspiel auf die leichte Schulter genommen

Man habe "Geschichte geschrieben", betonte Doppel-Torschütze Sakho. Ribéry räumte ein, man habe das Hinspiel vielleicht doch auf die leichte Schulter genommen. "In den letzten Tagen haben wir deshalb sehr viel gelitten", gab der 30-jährige zu. "König Franck" wurde am Dienstagabend immer wieder gefoult - sein Einsatz im Bundesliga-Topspiel am Samstag in Dortmund scheint aber nicht ernsthaft gefährdet zu sein.

Für die "Grande Nation" war der historische Abend in Zeiten von Wirtschaftskrise und Hoffnungslosigkeit mehr als nur ein sportlicher Erfolg. "Ich denke an die vielen Franzosen, die nun Grund zur Freude haben", sagte Präsident Hollande froh gestikulierend im Stadion. Etwas zu optimistisch zeigte sich die Regionalzeitung "La Depeche du Midi" bei der Analyse der erfolgreichen WM-Qualifikation: "Wenn Les Bleus die sehr unwahrscheinliche Qualifikation gelungen ist, dann wird alles möglich: Vollbeschäftigung und ein zweistelliges Wachstum scheinen kaum mehr als ein Kinderspiel. Die Nation hat plötzlich einen Grund gefunden, an sich selbst zu glauben."

dpa