07.10.2014 08:30 Uhr

Ein echter Ogris geht nicht unter

Zigarettenwerbung und Andi Ogris in der Zeit der Hochblüte
Zigarettenwerbung und Andi Ogris in der Zeit der Hochblüte

Andreas Ogris ist 50. Für viele seiner Freunde ein medizinisches Wunder und für einstige Wegbegleiter nach wie vor eine fleischgewordene "Bedrohung". Während seiner aktiven Karriere prägte der rothaarige Austria-Stürmer mit Aktionen auf- sowie außerhalb des Platzes das Geschehen. Ein Fußballer und Mensch aus einer längst vergangenen Zeit.

Hätte es "Ein echter Wiener geht nicht unter" nicht schon gegeben, für Typen wie Andi Ogris hätte man es erfinden müssen. Die fiktive Arbeiterfamilie Sackbauer hielt der Nation den Spiegel vor. Aber man kann es auch Jahrzehnte später ruhigen Gewissens sagen: "Mundl" lebt - auch dank "Ogerl". weltfussball blickt zurück auf die Karriere des Geburtstagskinds.

Schon am Samstag wurde der Jubilar von seinen Violetten gebührend gefeiert. Der aktuelle Coach der Austria Amateure avancierte dabei auch einmal mehr zum Liebling der Photographen. WAC-Trainer Dietmar Kühbauer, für Ogris während gemeinsamen Derby-Aufeinandertreffen ein "liebgewonnener" Kontrahent, stellte sich gerne für den Schnappschuss des Tages zur Verfügung.

Strebersdorf, Floridsdorf, Favoriten

Es gibt Situationen, die vergisst man ein Leben lang nicht. Ein Interview-Termin in den 90er-Jahren beim "Friseurteam Ogris" fällt in diese Kategorie. Das Treffen in der Vorgartenstraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk verschaffte dabei Einblick in das private Leben eines Familienvaters, der auch seine andere Seite zeigte. Angesichts seines Auftretens auf dem Spielfeld eine Verwandlung wie bei "Jekyll & Hyde".

Andreas Ogris, geboren am 7. Oktober 1964 in Wien, wuchs in Strebersdorf auf. Er begann seine Fußballerlaufbahn beim Floridsdorfer AC, wohin ihn sein älterer Bruder mitgenommen hatte. Bruder - ein wichtiges Stichwort. "Wir haben alle vier Brüder beim FAC begonnen", erinnert sich Andi an den gemeinsamen Start.

Zwei davon sollten es schließlich sogar zum Profi schaffen. Sein um drei Jahre jüngerer Bruder Ernst Ogris folgte Andi dann auch zur gemeinsamen Liebe nach Favoriten zur Wiener Austria. Am 29. August 1987 bei einer - nomen est omen - Doppelveranstaltung im Hanappi-Stadion war es dann so weit: Beim 1:1-Remis gegen den Wiener Sportclub standen erstmals die beiden Ogris-Buam bei einem Austria-Pflichtspiel gemeinsam am Platz.

Nur ein gemeinsames Länderspiel fehlt zum Glück

Während Andi bei der Austria später groß durchstarten sollte, musste der kleine Bruder Ernst jedoch sein Glück wo anders versuchen. Bei VSE St. Pölten und Admira/Wacker reifte der spätere Deutschland-Legionär (Hertha BSC), wodurch er auch zum Thema für das Team wurde.

Eines ärgert den großen Bruder bis heute: "Wir haben kein gemeinsames Spiel in der österreichischen Nationalmannschaft absolviert. Ausgerechnet vor dem Länderspiel, bei dem Ernst zum Einsatz gekommen ist, habe ich mich verletzt. Das wäre ein schönes Erlebnis für uns gewesen."

Dafür sprang eben der "Ernstl" ein und traf bei der 1:2-Niederlage in der EM-Qualifikation gegen den späteren Sensations-Europameister Dänemark mit einem Tor des Jahres gegen Klassekeeper Peter Schmeichel.

Tor bei der WM ebnet den Weg nach Spanien

Während es für Ernst jedoch bei dem einen Länderspiel blieb, standen für Andi am Ende 63 Einsätze im Nationalteam mit elf Treffern zu Buche. Das spektakulärste davon gelang ihm bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien: Beim 2:1-Sieg gegen die USA in Florenz erzielte Ogris ein Tor, welches sinnbildlich für seine Karriere stehen könnte.

Unwiderstehlicher Antritt, auch durch Fouls nicht zu stoppen und direkter Zug in den Strafraum: Andreas Ogris war an guten Tagen eine Gefahr für jeden Gegner. Dies blieb auch außerhalb von Österreich nicht verborgen. Der Erz-Austrianer, der bis auf einen Abstecher zu Admira/Wacker in der Saison 1985/86 als Profi bis dahin immer nur für die "Veilchen" gespielt hatte, nahm im August 1990 die Möglichkeit des lukrativen Transfers ins Ausland an. Espanyol Barcelona machte das Rennen.

Die "rote Rakete" zündet in Barcelona

"Rekordtransfer! Österreichs teuerster Fußballer aller Zeiten", lauteten damals die Schlagzeilen. Der legendäre Austria-Boss Joschi Walter strich eine für damalige Verhältnisse unglaubliche Leihgebühr von zwölf Millionen Schilling ein. Ein Fixerwerb hätte Espanyol weitere 28 Millionen gekostet, dies konnte man ein Jahr später jedoch nicht mehr bezahlen.

Andi Ogris in Barcelona. Er kam, sah und traf. Am 16. September 1990 trug er sich beim 4:0-Heimsieg von Espanyol gegen Sevilla in die Torschützenliste ein. Auf Seiten der Verlierer gratulierte damals sein Freund und Nationalteam-Kollege Toni Polster. Im Vor-Internet-Zeitalter waren jedoch selbst TV-Liveübertragungen von Spielen ausländischer Ligen kein Thema.

Als einziger Bildbeweis blieben zu dieser Zeit jeden Montag die "Eurogoals". Und wenn da Espanyol-Spiele gezeigt wurden, konnte man sich auf zwei Dinge verlassen: Mittelfeld-Zampano Wolfram "Wutti" Wuttke und Sturm-Turbo Andreas Ogris standen im Mittelpunkt. Reporter-Unikat Wolfgang Ley adelte den ÖFB-Teamspieler sogar zur "roten Rakete".

Nach der Rückkehr zur Austria im Sommer 1991 zündete diese wieder in Österreich. Und ging ein Jahr später so richtig hoch. Nachdem sein Busenfreund Herbert Prohaska sich trotz des Doubles als Erfolgstrainer verabschiedete, folgten interne Streitereien und ein wahres Transfertheater um Andi Ogris. Kurz stand sogar ein (undenkbarer) Wechsel zu Rapid im Raum. Es wurde jedoch ein Leihvertrag beim LASK. Vor seiner ersten Partie GEGEN die Austria kündigte er an, dass seine ehemaligen Mitspieler "vorne und hinten Schienbeindeckel brauchen würden."

Traumtor im Europacup gegen den FC Barcelona

Ein Andreas Ogris kennt auf dem Platz eben keine Freunde. Wenig später war er - natürlich - wieder zurück in Wien. Im Europacup der Landesmeister gegen den FC Barcelona ließ er im Prater ein echtes Traumtor mit der Ferse folgen. Selbst Trainer-Zampano Johan Cruyff auf der Betreuerbank der Gäste konnte es kaum glauben.

In den Jahren danach strich ihn sein Erzfeind Egon Coordes wegen Überziehen des Zapfenstreichs aus dem Kader (eine Majestätsbeleidigung, wenn man seine Aktivitäten im Wiener Nachtleben und dennoch seine übermenschlichen Fähigkeiten sich am Tag danach beim Training zu quälen kannte). Der Austria ging nach dem Ausstieg des Hauptsponsors (die Tabakwerke hatten mit Memphis sogar Vereinsnamen und Wappen geprägt) das Geld aus.

Die verjüngte Mannschaft mit Führungsfigur Ogris verlor plötzlich den Anschluss an die nationale Spitze. Ogris wechselte 1997 noch einmal zu Admira/Wacker, wo er seine Bundesliga-Laufbahn ausklingen ließ.

Unter dem Strich bleibt für das Mitglied der Austria-Jahrhundertelf und Österreichs Fußballer des Jahres 1990 eine beeindruckende Erfolgsbilanz: Fünf Mal Meister (1984, 1985, 1991, 1992 und 1993), drei Mal Cupsieger (1990, 1992 und 1994) und drei Mal Supercupsieger (1990, 1991, 1993). Alles Gute zum Geburtstag, Andi Ogris!

Mehr dazu:
>> Die Länderspiel-Statistik von Andreas Ogris

Christian Tragschitz