07.08.2015 11:43 Uhr

Wiedersehen: 30 Jahre nach dem Drama

Vor 30 Jahren: Hessen Kassel gegen Hannover
Vor 30 Jahren: Hessen Kassel gegen Hannover

Was wäre wenn? Die manchmal quälendste aller Fragen stellt man sich in Kassel jetzt seit 30 Jahren. Am 2. Juni 1985 führte der KSV Hessen Kassel in seinem letzten Saisonheimspiel gegen Hannover 96 bereits mit 2:0.

Hätte der Verein dieses Spiel gewonnen, wäre er damals zum ersten Mal in die Bundesliga aufgestiegen. Hannover glich im proppevollen Auestadion aber noch zum 2:2 aus - und schnappte den "Löwen" eine Woche später am letzten Spieltag den Aufstieg weg. An diesem Sonntag (18.30 Uhr) sehen sich beide Vereine im DFB-Pokal wieder. 96 spielt mittlerweile seit 13 Jahren wieder in der Ersten Liga. Hessen Kassel ist nur noch viertklassig.

"Das war tragisch damals", sagte der ehemalige KSV-Spieler Uwe Eplinius in dieser Woche dem "Kicker". "Die Geschichte des Scheiterns hängt uns nach." Was wäre also passiert, wenn der Traditionsverein aus Nordhessen vor 30 Jahren seine Führung über die Zeit gerettet hätte? Wäre er nur eine kurze Episode in der Geschichte der Bundesliga geblieben - wie der SSV Ulm, die SpVgg Greuther Fürth oder Blau-Weiß 90 Berlin? Oder hätte Kassel sich dort irgendwann so etablieren können, wie es mit großer Verspätung auch Hannover tat?

Doppelter Konkurs

In einem sind sich die treuen KSV-Fans einig: Alles wäre besser gewesen als das, was dann tatsächlich geschehen ist. Schon 1987 stieg der Verein aus der Zweiten Liga ab. 1993 folgte der erste Konkurs, im Dezember 1997 der zweite. Ein halbes Jahr später fing ein neu gegründeter KSV Hessen Kassel in der Kreisliga A völlig neu an. Das Wiedersehen mit Hannover 96 an diesem Sonntag hat deshalb nicht nur einen nostalgischen Wert. "Durch dieses Spiel geht der Blick auch bundesweit mal wieder nach Kassel", meint Trainer Matthias Mink.

Vor 30 Jahren war das noch anders. Kassel gegen Hannover war dem ZDF einen mehr als zehnminütigen TV-Bericht wert, 25 000 Zuschauer drängten sich im Auestadion, von einer "Bundesliga-Atmosphäre in Kassel" schwärmte der Reporter Rolf Töpperwien. Die Hessen waren der Favorit damals, viermal nacheinander scheiterten sie in den 80er- Jahren erst am letzten Spieltag am heiß ersehnten Erstliga-Aufstieg.

Hannoveraner Rasselbande

Hannover dagegen hatte eine "Rasselbande", wie die Zeitungen damals schrieben. Lauter junge, namenlose Spieler. "Alle Experten hatten uns vor der Saison auf den letzten Platz getippt", erinnert sich Franz Gerber, der damalige 96-Spieler und spätere 96-Manager. "Der einzige Neue, der einen gewissen Namen hatte, war ich, der gerade aus den USA zurückgekommen war. Und auch da hieß es: Jetzt kommt der Gerber aus der Operettenliga. Aber wir waren eine eingeschworene Truppe, die auch sehr spielstark war. Aufgestiegen sind wir dann ausgerechnet an einem 9.6. - in diesem Jahr hat für 96 alles zusammengepasst."

Kassel ging nach dem 2:2 gegen Hannover immer noch als Tabellenführer in den letzten Spieltag - mit einem Punkt Vorsprung auf 96 und den 1. FC Nürnberg. Ein Unentschieden hätte diesmal gereicht, doch die "Löwen" verloren mit 0:2 in Nürnberg und fielen noch vom ersten auf den vierten Platz zurück. "Das sind keine schönen Erinnerungen", sagt Dirk Bakalorz. Der spätere Profi von Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt ist einer von nur drei damaligen KSV-Spielern, dem wenigstens persönlich noch der Aufstieg in die Bundesliga gelang. "Wir hatten eine sehr gute und selbstbewusste Mannschaft. Wir waren uns auch sicher, dass wir das Spiel gegen Hannover nach Hause bringen. Vielleicht waren wir uns zu sicher", meint er.

Auch Franz Gerber sagt 30 Jahre später immer noch: "Hessen Kassel ist ein Traditionsverein. Jeder hat damals gesehen, was dort möglich war." Was stattdessen passierte, "ist traurig. Aber dazu bedarf es vieler falscher Entscheidungen. Und nicht nur eines Spiels."

Mehr dazu:
>> zum Spielschema von damals: Kassel 2:2 Hannover
>> weltfussball berichtet von allen Pokalspielen live

dpa