24.03.2016 10:45 Uhr

Der Fluch des Erfolgs

Spieler von Vorwärts Berlin bejubeln die fünfte Meisterschaft 1966
Spieler von Vorwärts Berlin bejubeln die fünfte Meisterschaft 1966

Vor 45 Jahren wurde Vorwärts Berlin vom SED-Regime in die brandenburgische Provinz verbannt. Stasi-Chef Mielke war der Klub zu erfolgreich geworden.

Überall auf der Welt, wo Fußball gespielt wird, tun dies die Akteure – Vereine wie Spieler – um zu gewinnen. In der DDR wurde Anfang der 1970er Jahre Vorwärts Berlin zum Verhängnis, dass er dies allzu erfolgreich tat. Der Armeesportklub war der beste Klub seiner Zeit in Ostdeutschland. Zwischen 1958 und 1969 holte Vorwärts sechs von elf möglichen Meisterschaften. Nicht allen gefiel die Dominanz des FC Vorwärts im DDR-Fußball. Erich Mielke, Chef des Ministeriums für Staatssicherheit und großer Fußballfan, hatte ein anderes Hauptstadtteam für die dominante Rolle in der höchsten DDR-Liga im Auge.

1966 war die Fußballabteilung des SC Dynamo Berlin eigenständig geworden und wurde als BFC Dynamo zum Spielzeug Mielkes. Trotz massiver Unterstützung durch das Stasi-Ministerium schaffte es Dynamo, dessen Vorsitzender der Stasi-Boss war, allerdings in den folgenden Jahren nicht, an der Vorherrschaft der Armee-Kicker zu rütteln. Während Mielkes Lieblinge im Mittelfeld der Oberliga dümpelten, präsentierte sich Vorwärts regelmäßig in den europäischen Cupwettbewerben.

Umzug von Berlin nach Frankfurt/Oder

So auch in der Saison 1970/1971. Als amtierender Pokalsieger traten sie im Pokal der Pokalsieger an und schalteten mit dem FC Bologna und Benfica Lissabon namhafte Gegner aus. Im Viertelfinale wartete der PSV Eindhoven. Nach einer 0:2-Niederlage in den Niederlanden kämpfte die Elf um den 30-fachen Nationalspieler und Spielmacher Jürgen Nöldner vergeblich. Trotz eines 1:0-Sieges war das Aus für Vorwärts besiegelt. Allen Beteiligten war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, dass dieser Auftritt am 24. März 1971 das Ende der Erfolgsgeschichte Vorwärts Berlin darstellen sollte. Wenige Wochen zuvor war eine Delegation des Verteidigungsministeriums, dem der Armeesportklub untergeordnet war, nach Frankfurt an der Oder gereist, um zu prüfen, ob sich die Bezirkshauptstadt als neuer Standort eigne.

Bis heute sind die genauen Umstände der Verlegung der Armee-Fußballer von Berlin nach Frankfurt nicht exakt geklärt. Dennoch gilt als sicher, dass Erich Mielke auf den DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann einwirkte, um die lästige Konkurrenz in der Hauptstadt loszuwerden. Ab dem Sommer 1971 spielte Vorwärts, das erst 1953 von Leipzig nach Berlin verlegt worden war, nicht mehr in Berlin, sondern in Frankfurt an der Oder. Die Spieler waren nicht gefragt worden. Die Fußballfans in der deutschen Hauptstadt kümmerte der Umzug nicht sonderlich. Wie der BFC Dynamo war auch Vorwärts nicht besonders beliebt. Beide Vereine zierten regelmäßig das Ende der Zuschauertabelle der DDR-Oberliga.

Rückkehr auf die europäische Bühne

Sportlich ging es mit Vorwärts Frankfurt/Oder, wie der Klub nun hieß, erst einmal bergab. War das Hauptstadtteam für hoffnungsvolle Talente noch attraktiv gewesen, machten sie nun einen Bogen um das Provinzteam. 1978 musste die Mannschaft den Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Vorwärts kehrte aber eine Saison später zurück und leitete eine kleine Renaissance ein. Mehrfach gelang den Frankfurtern die Qualifikation zum UEFA-Cup, wo sie unter anderem früh am VfB Stuttgart (1980) oder an Werder Bremen (1982) scheiterten. Für Erich Mielke ging das Kalkül auf. Der BFC Dynamo übernahm nicht nur die Hoheit über den Hauptstadtfußball, sondern dominierte ab den späten 1970er Jahren mit zehn Meistertiteln in Folge die höchste Klasse des DDR-Fußballs.

>> 1980/1981: Vorwärts Frankfurt - VfB Stuttgart 1:2
>> 1982/1983: Werder Bremen - Vorwärts Frankfurt 0:2

Der 1. FC Frankfurt als Nachfolgeverein von Vorwärts Frankfurt kehrte zu Beginn der aktuellen Saison nach vielen Jahren in den Niederungen des brandenburgischen Fußballs in die Oberliga NOFV-Nord zurück, kämpft dort allerdings gegen den Abstieg.

Ralf Amshove