08.06.2016 14:18 Uhr

Tymoshchuk auf Matthäus' Spuren

Zumindest moralisch ein wichtiger Pfeiler im ukrainischen Team: Anatoliy Tymoshchuk
Zumindest moralisch ein wichtiger Pfeiler im ukrainischen Team: Anatoliy Tymoshchuk

Anatoliy Tymoshchuk, langjähriger Kapitän der Ukraine, hat seinen Stammplatz im Nationalteam verloren. Trotzdem ist er ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft und kann bei der EM sogar einen Rekord von Lothar Matthäus einholen.

Die Original-Kapitänsbinde seines Idols Lothar Matthäus hatte Anatoliy Tymoshchuk nicht im Koffer, als er mit den anderen ukrainischen Nationalspielern am Dienstag das Teamhotel in Aix-en-Provence bezog. Das schwarz-rot-goldene Stück Stoff, mit dem Tymoshchuk früher auf Vereinsebene als Kapitän auflief, würde beim EM-Auftaktspiel der Ukrainer am Sonntag in Lille gegen Weltmeister Deutschland auch reichlich deplatziert wirken.

Außerdem deutet alles darauf hin, dass Kapitän Tymoshchuk nicht zur Startelf der Gelb-Blauen gehören wird. Der 37-Jährige, aufgrund seiner Zeit bei Rekordmeister Bayern München von 2009 bis 2013 in Deutschland bestens bekannt, ist wegen seiner Erfahrung und Führungsstärke im Team dennoch unverzichtbar. Den von ihm so verehrten Rekordnationalspieler Matthäus (150 Spiele) kann Tymoshchuk (143) bei der EM rein theoretisch sogar einholen - bei einem Finaleinzug.

Jedes Länderspiel ist wichtig

"Jedes Länderspiel ist wichtig für mich, es ist immer eine große Herausforderung", sagt Tymoshchuk, der die Schallmauer von 100 Einsätzen bereits vor sechs Jahren durchbrochen hat. Im defensiven Mittelfeld haben ihm Taras Stepanenko und Ruslan Rotan mittlerweile den Rang abgelaufen, als Einwechselspieler zeigt sich der ballsichere und zweikampfstarke Blondschopf aber nach wie vor als große Hilfe.

"Anatoliy hat eine kluge Aggressivität", sagt Manuel Neuer, beim FC Bayern einst Mitspieler des Ukrainers: "Er weiß genau, an welcher Position er den Angriff der Gegner unterbinden kann." Der ehemalige Bundesliga-Profi Andrej Woronin glaubt, dass Tymoshchuk Erfahrung der Ukraine im Turnierverlauf helfen wird: "Er hat viel erreicht mit den Bayern, aber auch mit seinen anderen Klubs Titel gewonnen. Er lebt für den Fußball, und das merken die anderen", sagte der Ex-Nationalspieler dem "SID".

Ablenkung vom Krieg in der Heimat

Tymoshchuk ist neben Ruslan Rotan und Torhüter Andriy Pyatov der einzige Ukrainer im Kader, der schon beim Viertelfinaleinzug bei der WM 2006 in Deutschland und bei der Heim-EM 2012 dabei war. Mittlerweile verdient Tymoshchuk sein Geld weniger glanzvoll bei Kairat Almaty in der kasachischen Premier Liga. Eine Nicht-Nominierung für die EM stand aber eigentlich nie im Raum. Zu gut vernetzt ist der Anführer zum Beispiel mit Co-Trainer Andriy Shevchenko und Verbandsboss Andrej Pawelko.

Tymoshchuk will in Frankreich aber nicht nur sportliche Erfolge feiern. Das Turnier soll seinen kriegsgeplagten Landsleuten auch Ablenkung verschaffen. Anders als die meisten Fußballer der Ukraine und Russlands hält sich Timoschtschuk aus dem politischen Konflikt zwischen beiden Ländern nicht heraus. Tymoshchuk beschwor in Videos in den sozialen Netzwerken immer wieder die Einigkeit seines Heimatlandes: "Seien wir geeint in dem, was wir lieben. Wir lieben die Ukraine. Wir wissen, wie wichtig die Euro 2016 sein wird. In dieser schwierigen Situation sollte die Ukraine zusammenstehen wie nie zuvor."