04.12.2016 13:28 Uhr

Unglück: Chapecoense hofft auf Neuanfang

Bei AF Chapecoense wagt man nach der Tragödie einen Neuanfang
Bei AF Chapecoense wagt man nach der Tragödie einen Neuanfang

Dem bewegenden Abschied von den Helden folgt nun der Neuanfang bei Chapecoense. Aber auch die Genesung der Überlebenden und die Aufarbeitung des Unglücks bleiben im Blickpunkt.

Als Letícia Padilha mit dem Porträt ihres Ehemannes Danilo für den letzten emotionalen Moment der Trauerfeier sorgte, das Foto minutenlang im Tor hochhielt, wo der Schlussmann der Associação Chapecoense de Futebol so oft zum Helden avancierte, fand selbst der Himmel seine Ruhe. Der stundenlange Dauerregen über Chapecó wich auf der Ehrenrunde der toten Fußballer, getragen als Fotos von Angehörigen, dem Applaus Tausender.

Mit den in der Arena Condá aufgebahrten Särgen wurde am Samstag das Unfassbare für Angehörige und Freunde, aber auch für die Bevölkerung der kleinen Stadt im Süden Brasiliens nach tagelangem Warten greifbar. Für den brasilianischen Erstligisten, der beim Flugzeugunglück am vergangenen Montag in der Nähe der kolumbianischen Metropole Medellin 19 Spieler, 17 Mitglieder aus dem Betreuerstab sowie sieben aus der Klubführung verlor, war der Abschied der Beginn des Neuanfangs.

Erst die Trauer, dann die Saisonplanung

"Das erste Bestreben war das Trösten der Familien. Jetzt ist das zweite Vorhaben, mit der Planung für die kommende Saison anzufangen", verkündete Ivan Tozzo, der als daheimgebliebener Vizepräsident den verstorbenen Klubboss Sandro Pallaoro ersetzt. Und Tozzo garantiert: "Die Leute wollen Fußball, die Leute lieben Fußball in Chapecó."

Der Weltverband FIFA will helfen, der nationale Verband CBF, die Klubs auch, und vor allem die Bevölkerung der 210.000-Seelen-Gemeinde. Der erste konkrete Akt kommt wohl von der südamerikanischen Konföderation. "Die CONMEBOL wird Chapecoense zum Champion der Copa Sudamericana deklarieren", bestätigte Tozzo. Die Titelprämie von zwei Millionen US-Dollar würde in Kürze ausgezahlt.

Rekonstruktion des Unglücks beginnt

Wie es weitergeht, fragen sich auch sechs Überlebende, darunter drei Spieler. Laut seiner Ärzte habe Jackson Follmann die Amputation des rechten Beines unterhalb des Knies kämpferisch weggesteckt. "Ich ziehe das Leben dem Bein vor", soll der Ersatztorhüter gesagt haben.

Die erste Reaktion von Verteidiger Alan Ruschel, der mittlerweile ohne Atemhilfe selbstständig Nahrung zu sich nimmt, stammt aus dem Instagram seiner Schwester. "Er hat mich gefragt, wann er nach Hause könne, was passiert sei, und ob sich noch jemand verletzt hätte", habe ihr der in Medellin am Krankenbett wachende Vater berichtet. Die größten Sorgen bereiten die an den Lungen verletzten Neto (Verteidiger) und Rafael Henzel (Journalist).

In dieser Woche will sich der Generalstaatsanwalt Brasiliens mit seinen Amtskollegen aus Kolumbien sowie Bolivien, Sitz der Unglücksgesellschaft LaMia, treffen, um den Hergang der Tragödie, die insgesamt 71 der 77 Passagiere das Leben kostete, zu rekonstruieren. Als Absturzursache des Avro Regional Jet 85, gebaut von der British Aerospace, gilt rund 13 Kilometer vor dem Zielflughafen in Medellin Treibstoffmangel.

Weltweite Anteilnahme

Der Pilot und Mitinhaber der Fluggesellschaft, Miguel Quiroga, soll dabei die vorgeschriebene Tankmenge ignoriert haben. Spekuliert wird auch über Familienbanden bei der Vergabe der Fluglizenz in Bolivien sowie einem möglichen Einfluss der CONMEBOL auf die Auswahl des Charterfliegers.

Real wurde für viele erst am Samstag die fast komplette Auslöschung der Chapecoense-Deleagtion, die nach Kolumbien gereist war, um dort im Final-Hinspiel der Copa Sudamericana Vereinsgeschichte zu schreiben, und nun in der Arena Condá unter dem Schlachtruf "O Campeao voltou", die Champions sind zurück, heimkehrte.

Zwei Transportmaschinen der brasilianischen Luftwaffe waren gegen 9:30 Uhr in Chapecó gelandet. "Wenn ich diesen Regen sehe, denke ich nur, dass Petrus den Tod der Spieler beweint", sagte Brasiliens Staatspräsident Michel Temer bei den militärischen Ehren am Flughafen. Trotz der sintflutartigen Regengüsse säumten Tausende die Straßen bei der Vorbeifahrt der Särge auf vier offenen LKW's und füllten schon Stunden vor der Zeremonie das Stadion.

Zur Trauerfeier waren Gianni Infantino, Präsident des Weltverbandes FIFA, Marco Polo Del Nero als Chef des nationalen Verbandes CBF, Selecao-Coach Tite sowie Ex-Fußballgrößen wie der Spanier Carles Puyol und der Niederländer Clarence Seedorf angereist. Alle gaben den Toten die letzte Ehren und hoffen nun, dass es mit Chapecoense irgendwie weitergeht.