13.03.2018 15:20 Uhr

Schachtar Donezk: Heißer Fußball im kalten Osten

Schachtar Donezk gewann das Achtelfinal-Hinspiel gegen die AS Rom mit 2:1
Schachtar Donezk gewann das Achtelfinal-Hinspiel gegen die AS Rom mit 2:1

Schachtar Donezk steht vor dem Achtelfinalrückspiel in der Champions League am Dienstagabend gegen die AS Rom vor dem Sprung unter die besten acht Teams Europas. Zum Erfolg der letzten Jahre führten eine ungewöhnliche Strategie - und ein Brasilien-verliebter Rumäne.

In den 70er-Jahren flog Mircea Lucescu mit der rumänischen Nationalmannschaft im Zuge einer Länderspielreise nach Brasilien. Es war Liebe auf den ersten Kick. Der junge Mittelfeldspieler war sofort verzückt vom südamerikanischen Land und seiner Fußballkultur.

Auch die Brasilianer lernten den langjährigen rumänischen Nationalmannschafts-Kapitän schätzen. Fluminense unterbreitete Lucescu ein lukratives Angebot, doch das kommunistische Regime in seiner Heimat verbot dem Profi einen Wechsel außerhalb der Landesgrenzen.

So kehrte er nach Rumänien zurück, trat bald eine Laufbahn als Trainer an und musste dennoch knapp drei Jahrzehnte warten, bis er seine Begeisterung für den brasilianischen Fußball ausleben konnte.

Rinat Achmetov, Besitzer von Schachtar Donezk und einer der reichsten Männer der Ukraine, hielt große Stücke auf den Coach. Der Unternehmer bot Lucescu 2004 an, den Posten des Cheftrainers in Donezk zu übernehmen und sich ein Team nach seinen eigenen Vorstellungen zusammenzustellen. Schnell war klar: In dieser "Wunsch-Mannschaft" durften Brasilianer nicht fehlen.

Schachtar Donezk jagt Kiew in der Ewigen Tabelle

In Lucescus zwölfjährigen Amtszeit bei Schachtar wechselten insgesamt 20 Samba-Kicker in die Ukraine. Die Stars vom Zuckerhut verhalfen dem Klub seit 2004 zu neun Meisterschaften und sechs Pokal-Erfolgen sowie dem Triumph im UEFA-Pokal 2009. Nach Lucescus Abschied 2016 verfolgte Donezk die Brasilien-Strategie weiter.

Auch dank dieser ist der Klub international längst keine Laufkundschaft mehr. Donezk gewann in der aktuellen Saison in der Königsklasse unter anderem gegen Manchester City und die SSC Neapel.

In der Ewigen Tabelle der Champions League fehlen nur noch 14 Zähler, um die Landsleute von Dynamo Kiew zu überholen und zur besten osteuropäischen Mannschaft in der Geschichte des Wettbewerbs aufzusteigen.

"Ich habe schon in Brasilien viel über Donezk gehört, ich wusste auch, dass viele Brasilianer hier spielen. Dennoch war ich überrascht: Das ist ein fantastischer Klub", schwärmte Außenverteidiger Ismaily bei seiner Vorstellung 2013. Der 28-Jährige ist einer von neun Brasilianern im aktuellen Kader. Trainer ist mit Paulo Fonseca passenderweise ein Portugiese.

Für viele brasilianische Akteure war Donezk ein hervorragendes Sprungbrett: Spieler wie Willian, Fernandinho und Douglas Costa kickten über mehrere Jahre für Schachtar, bevor die Ukrainer sie für 30 Millionen Euro und mehr an europäische Spitzenklubs wie Chelsea, Manchester City und Bayern München verkauften.

Trotz dieses Status als Ausbildungsverein, der nach jeder Saison seine besten zwei oder drei Spieler verliert, gelingt es Schachtar immer wieder, eine neue, schlagfertige Truppe zu formen. Die Mischung aus robusten, überwiegend einheimischen Defensivspielern und brasilianischen Freigeistern in der Offensive funktioniert.

Fred vor 50-Millionen-Wechsel zu Manchester City

Im aktuellen Kader ist der zentrale Mittelfeldspieler Fred die am höchsten gehandelte Personalie. Er steht auf dem Wunschzettel von Citys Teammanager Pep Guardiola. Nachdem ein Wechsel im Winter in letzter Minute platzte, zieht es Fred nun aller Voraussicht nach im Sommer auf die Insel. Kostenpunkt: umgerechnet 50 Millionen Euro.

Der 24-Jährige besticht durch sein enormes Laufpensum und gilt als Schlüsselspieler im Umschaltspiel von Donezk. Zudem ist der sechsmalige Nationalspieler mit einem hervorragenden Ballgefühl ausgestattet. Er schoss sein Team per Traumfreistoß zum 2:1-Hinspielerfolg über die AS Rom.

Auch der unheimlich effektiv spielende Mittelstürmer Facundo Ferreyra wird spätestens seit dieser Spielzeit von Spitzenklubs gejagt. Dass der 26-Jährige in der Saison 2014/2015 bei Newcastle United krachend scheiterte, ist längst vergessen.

So ganz passt Ferreyra allerdings nicht ins übliche Schema von Donezk: Der mit 27 Treffern in 33 Pflichtspielen erfolgreichste Torschütze Schachtars in dieser Saison, der ebenfalls gegen Rom traf, ist Argentinier.

Tom Kühner