22.03.2018 11:20 Uhr

Ligen-Check: Bitterer Absturz eines Traditionsvereins

Ex-Trainer Marcelo Bielsa könnte Lille in den Abgrund reißen
Ex-Trainer Marcelo Bielsa könnte Lille in den Abgrund reißen

Wie in Spanien, England und Deutschland ist auch in Frankreich das Titelrennen quasi entschieden. Hinter Paris-Saint-Germain ist jedoch im Kampf um Europa ebenso noch alles drin wie im engen Abstiegskampf.  Ein Traditionsverein setzt seinen Absturz fort, ein deutscher Nationaltorhüter durchlebt schwere Zeiten. Heute im weltfussball-Ligencheck während der Länderspielpause: die Ligue 1.

Im Frankreich ist die alte Ordnung wieder hergestellt: Scheich-Klub Paris Saint-Germain beherrscht nach dem Kaufrausch im Sommer wieder souverän die Liga. Bei 17 Punkten Vorsprung auf die Konkurrenz hat PSG den Titel de facto zurückerobert. Die schwere Verletzung von Superstar Neymar ändert daran nichts.

Titelverteidiger AS Monaco (66 Punkte) hat seine vielen hochkarätigen Abgänge erstaunlich gut kompensiert. Das Überraschungsteam der Vorsaison liegt als Tabellenzweiter im Kampf um die Champions League inzwischen klar vor Olympique Marseille (59) und Olympique Lyon (57). Einer der beiden Traditionsvereine wird am Ende mit der Europa League Vorlieb nehmen müssen.

Der Abstiegskampf verspricht deutlich mehr Spannung: Vor dem schon etwas abgeschlagenen Schlusslicht FC Metz (21) trennen fünf Teams zwischen OSC Lille auf Platz 19 (28) und dem Tabellen-15. Racing Straßburg (32) lediglich vier Punkte. Neben den drei Aufsteigern sind das auch die beiden Traditionsvereine FC Toulouse (30) und Lille, deren Abstieg für ganze Regionen eine Katastrophe bedeuten würde.

  • Die Überflieger: FC Nantes

Der FC Nantes ist sicherlich kein unbeschriebenes Blatt in Frankreich. Mit acht Meisterschaften gehören die Kanarienvögel zu den erfolgreichsten Klubs der Grand Nation überhaupt.

In den letzten Jahren jedoch verkam der einstige Vorzeige-Ausbildungsverein mit der traditionell besten Jugendakademie des Landes zu einer Fahrstuhlmannschaft, weit entfernt von jeglicher nationaler Relevanz.

Das scheint sich diese Saison zu ändern. Ausgerechnet Trainer-Fuchs Claudio Ranieri beweist zwei Jahre nach seinem Sensationstitel mit Leicester City in England erneut sein Händchen für die kleinen Teams.

Der 66-Jährige verordnete Nantes eine stabiles Defensivkonstrukt, das Team von der Atlantikküste mauerte sich bis auf Europa-League-Platz sechs. Acht (!) 1:0-Siege unterstreichen den Erfolg der alten italienischen Schule. 

  • Die Tiefflieger: OSC Lille

Vor wenigen Jahren galt OSC Lille als Großmacht der Zukunft in Frankreich. Double-Sieger 2011, eine neue 50.000-Zuschauer-Arena in einer fußballverrückten Region und ein schmuckes neues Logo: Die Industriestadt an der belgischen Grenze wollte hoch hinaus. Doch der sportliche Verfall kam schleichend. Über die Jahre ins Mittelfeld durchgereicht, kämpft Lille in diesem Jahr sogar um den Klassenerhalt.

Dabei sollte mit Star-Trainer Marcelo Bielsa an der Seitenlinie eigentlich alles besser werden. Nach desaströsem Saisonstart musste der Argentinier allerdings schon im November seinen Hut nehmen. Nicht nur sportlich hinterließ "El Loco" einen Scherbenhaufen.

Bielsa pocht auf ausstehende Gehaltszahlungen in Millionenhöhe und liefert sich eine Schlammschlacht mit seinem kriselnden Ex-Arbeitgeber. Sollte der Coach vor Gericht Recht bekommen, würde die ohnehin angespannte finanzielle Situation eskalieren und Lille wohl in die Insolvenz stürzen.

  • Der Aufsteiger: Mariano

Der Spanier mit Wurzeln in der Dominikanischen Republik stammt aus der Jugendschmiede Real Madrids und schien bereits als ewiges Talent in der B-Mannschaft der Königlichen zu versauern. Doch im Sommer nahm sich Zinédine Zidane seiner an und empfahl dem Mittelstürmer einen Wechsel zu Olympique Lyon.

Die physisch starke und bisweilen etwas unkonventionell agierende Spaßkanone aus der Karibik lacht seither in der neu formierten - und hervorragend funktionierenden - Lyon-Offensive mit Memphis Depay und Nabil Fekir um die Wette.

Marianos Schnelligkeit, Schusskraft und Kaltschnäuzigkeit im Abschluss beeindrucken - und überraschen bei einem Spieler, der vor dieser Saison lediglich ein paar Minuten Erstligaerfahrung in Spanien auf dem Buckel hatte.

  • Der Absteiger: Kevin Trapp

Kaum einer in Frankreich machte die verkorkste vergangene Saison von PSG am Torwart fest. Im Gegenteil: Kevin Trapp gehörte noch zu den wenigen Konstanten in einer oft enttäuschenden Pariser Elf. Dementsprechend selbstbewusst ging Trapp auch in die neue Saison und das Duell mit seinem alten Konkurrenten Alphonse Aréola.

Doch Coach Unai Emery musste, vielleicht auch auf Druck von außen, etwas ändern. Der Spanier machte Aréola kurz vor Saisonbeginn zur neuen Nummer eins – und fuhr damit tatsächlich nicht schlecht. Das 25-jährige Eigengewächs rechtfertigte die Beförderung mit starken Leistungen.

Trapp hat Stand jetzt keine Aussichten mehr auf regelmäßige Einsatzzeit. Im Winter sprach der Nationalkeeper noch von Geduld, sein Platz im WM-Kader ist aufgrund seiner aktuellen Situation aber in größter Gefahr. Nach der Saison wird sich der frühere Frankfurter aller Voraussicht nach einen neuen Klub suchen, Borussia Dortmund soll Interesse haben.

Johann Mai