01.04.2018 10:03 Uhr

Der Torfall von Madrid: BVB-Pleite wird zur Nebensache

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Der "Torfall von Madrid" erreichte schnell Kultstatus

Allein in den letzten fünfeinhalb Jahren kam es im Rahmen der Champions League satte zehnmal zum Duell zwischen Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund und Real Madrid. Den denkwürdigsten Eindruck hinterließ jedoch das erste Aufeinandertreffen.

Wir schreiben den 1. April 1998: Unter den Augen von Tainer Jupp Heynckes bereitet sich Reals Starensemble um Bodo Illgner, Clarence Seedorf, Davor Suker, Roberto Carlos und Raúl darauf vor, Titelverteidiger Borussia Dortmund im Halbfinal-Hinspiel der Königsklasse den Rang abzulaufen, als ein unvorhersehbares Ereignis den Ablauf im altehrwürdigen Estadio Santiago Bernabéu zu Madrid völlig auf den Kopf stellt: Noch bevor der niederländische Schiedsrichter Mario van der Ende die Partie anpfeifen kann, fällt das erste Tor.

Nachdem spanische Fans den hinter einem der Tore angebrachten Schutzzaun erklimmen, der über ein Seil mit selbigem verbunden ist, bricht das Gehäuse unter dem Druck zusammen. Es sollen 76 Minuten vergehen, bis van der Ende tatsächlich zur Tat schreiten und die Partie eröffnen kann.

"Wir konnten es uns nicht vorstellen, dass es so lange dauert, bis ein neues Tor installiert war. Darauf war natürlich auch keiner vorbereitet", erinnert sich der damalige BVB-Kapitän und heutige Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc später. "Das Schlimmste in solchen Situationen ist die Ungewissheit. Und du musst trotzdem die Spannung hoch halten." 

Mit Improvisation zum Fernsehpreis

Der unerwartete Zwischenfall stellt allerdings nicht nur Akteure und Offizielle vor eine Herausforderung, auch der geplante Ablauf der TV-Live-Übertragung war plötzlich für die Katz. Während eifrige Helfer und eine eilig ins Leben gerufene Sonderkommission versuchen, das Tor wieder aufzubauen, müssen "RTL"-Kommentator Marcel Reif und Moderator Günther Jauch die Pause irgendwie überbrücken.

Eine Aufgabe, die das Duo äußerst unterhaltsam meistert: Nach einigen Minuten wird dem bis dato unsicher wirkenden Reif der im Fernsehstudio sitzende Jauch zugeschaltet. Im improvisierten Zusammenspiel der beiden, dem zeitweise auch der "RTL"-Experte Toni Schumacher beiwohnt, wird die Situation nun fachmännisch und mit viel Ironie analysiert.

"Das erste Tor ist schon gefallen!", kalauert "RTL"-Sprachrohr Jauch über den Äther, "Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan wie heute", lässt sich auch Reif einen verbalen Seitenhieb entlocken. Ein Austausch, der beinahe auf Anhieb Kultstatus erlangt und der dem unverhofften Gespann den Bayerischen Fernsehpreis einbringt.

Das Spiel wird zur Nebensache

Dass Reif und Jauch mit ihrer improvisierten Show richtig liegen, untermauert die Einschaltquote. Über 12,5 Millionen Zuschauer verfolgen das Verbalgeplänkel am TV-Bildschirm. Als die Partie um 22:01 Uhr schließlich doch noch angepfiffen wird - ein Tor vom Trainingsgelände Reals wurde im Stadion installiert - schaut nur noch etwa die Hälfte zu. Die eigentliche Partie um den Einzug in das Champions-League-Finale wird zur Nebensache. "Günther und ich haben Anarchie gemacht. Offensichtlich hat das den Menschen gefallen", fasst Reif die Moderation in der "Sport Bild" zusammen.

Dass der BVB das Spiel schließlich nach Gegentreffern von Fernando Morientes und Christian Karembeu mit 0:2 verliert, ist kaum noch bekannt. Die Berichterstattung rund um den "Torfall von Madrid" dagegen ist auch noch 20 Jahre später unvergessen. Zum Leidwesen der Königlichen: "Das Thema darfst du nie in Madrid erwähnen, da sind die sofort unter der Decke. Real schämt sich bis heute, weil das eine Blamage war", zitiert die "Sport Bild" Reif.

Julian Bischoff / Marc Affeldt