08.07.2018 09:28 Uhr

Russland-Coach Cherchesov lässt Zukunft offen

Stanislav Cherchesov erreichte mit seinem Team das Viertelfinale bei der WM
Stanislav Cherchesov erreichte mit seinem Team das Viertelfinale bei der WM

Nationaltrainer Stanislaw Cherchesov hat seine Zukunft als Trainer der russischen Fußball-Nationalmannschaft nach dem Viertelfinal-Aus bei der Heim-WM offen gelassen.

"Es ist nicht vorhersagbar, ob ich bleibe oder nicht, wir werden erst mal nicht nach vorne schauen", sagte der 54-Jährige: "Wir müssen alles sorgfältig analysieren."

Russland war am Samstagabend in Sotschi durch eine 3:4-Niederlage im Elfmeterschießen gegen Kroatien ausgeschieden. Cherchesov telefonierte kurz nach dem Spiel mit Staatspräsident Vladimir Putin, der ihm zu einer gelungenen WM gratulierte. "Aber ich habe ihm gesagt, dass wir sehr enttäuscht sind", meinte Cherchesov: "Wir hoffen, dass wir in Zukunft noch einen Schritt weiter gehen können."

Putin hatte das Spiel nicht im Stadion verfolgt. Dafür bedankte sich Premierminister Dimitri Medvedev anschließend in der Kabine beim Team für "eine großartige WM". Der russische Fußball werde nie wieder "sein enttäuschendes altes Selbst" zeigen, sagte Medvedev: "Ich bin ganz sicher, dass wir einfach einen anderen Fußball sehen werden."

Smolov bekommt sein Fett weg

Die Russen werden wohl alles dafür tun, ihren Nationaltrainer, der gegen die Kroaten wie ein wild gewordener Bär immer wieder Spieler und Zuschauer angefeuert hatte, vom Weitermachen zu überzeugen. Kritische Worte waren in den russischen Medien am Tag nach der Pleite kaum zu vernehmen. In einer Umfrage des populären Fachportals "Sports.ru" bewerteten mehr als 80 Prozent der befragten die WM trotz des Ausscheidens des Gastgebers positiv.

Allenfalls Fedor Smolov bekam sein Fett weg. Nachdem Russland in einer nervenaufreibenden Verlängerung durch Domagoj Vida zunächst das 1:2 kassiert (101.) und dann doch noch durch den eingebürgerten Brasilianer Mario Fernandes ausgeglichen hatte (115.), vergab Smolov den ersten Elfmeter mit einem peinlichen und überheblichen Lupfer.

Trotzdem herrschte grundsätzliche Jubelpflicht. "Champion unserer Herzen", titelte "Sport Express", und "Sowjetski Sport" schrieb: "Danke, Jungs! Ihr habt gegen Kroatien verloren, aber wie die Löwen gekämpft."

"Die Grenze des Glücks ist erreicht"

Dass nun allerdings tatsächlich die Zukunft des russischen Fußballs golden leuchtet, darf getrost bezweifelt werden. Auch gegen die Kroaten war die Sbornaja wie schon im Achtelfinale gegen Spanien, das sie im Elfmeterschießen gewann, spielerisch klar unterlegen.

Vor allem dank ihres unbändigen Kampfgeistes und eines fast unglaublichen Laufvermögens, das nicht wenige Anti-Doping-Experten mit Argwohn beäugen, konnten die Russen in der K.o.-Phase mithalten. Gegen die Kroaten liefen sie neun Kilometer mehr als der Gegner.

So gab es in den russischen Medien trotz allen Jubels auch Stimmen, die die Leistung des Teams zwar anerkannten, aber auch realistischer als Medvedev einordneten. "Die Grenze des Glücks ist erreicht", stellte "Gazeta" trocken fest, und "Sport Express" fragte: "Wann wird Russland wieder die Chance auf ein WM-Halbfinale haben? Wahrscheinlich erst beim nächsten Heimturnier, wenn wir alle nicht mehr leben."