15.11.2018 12:49 Uhr

Serge Gnabry: Der neue Hoffnungsträger rot-weiß?

Serge Gnabry könnte sowohl beim FC Bayern als auch in der DFB-Auswahl eine entscheidende Rolle spielen
Serge Gnabry könnte sowohl beim FC Bayern als auch in der DFB-Auswahl eine entscheidende Rolle spielen

Umbruch, Neuanfang, Reset: Schlagwörter, die mit Serge Gnabry nicht nur beim deutschen Fußball-Rekordmeister Bayern München in Verbindung gebracht werden. Auch in der Nationalmannschaft gilt der Flügelstürmer nach dem WM-Debakel als neuer Heilsbringer. Ein Hoffnungsträger rot-weiß, sozusagen. Doch darf man diese Rolle wirklich schon vom 23-Jährige erwarten?

"Ich ziehe mein Spiel durch." Oder: "Wenn ich denke, dass Zeit ist zum Schießen, dann schieße ich." Oder: "Wenn ich auf der Bank sitze, ist auch ein Hochkaräter draußen." Wenn dieser Tage etwas aus Sätzen von Serge Gnabry herauszulesen ist, dann eines: gesundes Selbstvertrauen.

Der Nationalspieler ist als einer der wenigen Bayern-Profis mit Rückenwind zur DFB-Auswahl gereist. Anders als seine DFB-Kollegen Mats Hummels oder Thomas Müller steht Gnabry beim Tabellenfünften der Bundesliga nicht zur Diskussion.

Im Gegenteil: Von Routinier Arjen Robben wurde er schon früh in der Saison als "richtiger Profi" mit einer "sehr guten Einstellung" gelobt. Hasan Salihamidzic bezeichnete den jungen Angreifer jüngst als "Lichtblick", FCB-Coach Niko Kovac bescheinigte ihm "immer mehr Selbstvertrauen". Vor den Länderspielen gegen Russland und die Niederlande ein großer Trumpf. Aber nicht der größte.

Gnabry macht es Kovac beim FC Bayern und Löw beim DFB einfach

Denn Gnabrys Trumpf liegt vor allem in seiner Vielseitigkeit. So macht er es seinen Trainern Niko Kovac und Joachim Löw in puncto Aufstellung derzeit einfach. Bei den Münchnern ist der Angreifer auf der linken wie rechten Seite zu finden, in der Nationalmannschaft darf er auch als zentraler Stürmer auflaufen. So geschehen beim 1:2 gegen Weltmeister Frankreich in der Nations League.

Der 1,75 Meter große Gnabry begann als Neuner und musste sich immer wieder gegen die großgewachsenen Innenverteidiger Presnel Kimpembe und Raphael Varane behaupten. Mit Erfolg: Zusammen mit Linksaußen Leroy Sané und Rechtsaußen Timo Werner wirbelte der Bayern-Profi, zeigte sich extrem aktiv und lauffreudig.

Mehrmals tauschte er zudem mit Werner die Position und riss dadurch Lücken in den französischen Defensivverbund. Selbst im Spiel gegen den Ball ließ der gebürtige Stuttgarter Qualitäten aufblitzen. "Ich sollte die Bälle halten und wir wollten mutig nach vorne spielen", beschrieb er seine Aufgabe.

Umbruch beim DFB nur mit Serge Gnabry

Gut möglich also, dass Bundestrainer Löw seinen Schützling auch diesmal in vorderster Front aufstellt. Nach der verletzungsbedingten Absage von S04-Stürmer Mark Uth fehlt, mit Ausnahme von Timo Werner, ohnehin eine Alternative im aktuellen Kader - zumal Löw auf eine Nachnominierung verzichtete.

Ein Fingerzeig für die neue Marschrichtung in der Nationalelf: Vor allem junge Angreifer sollen künftig die Offensivabteilung leiten. Schnelligkeit, Dribbelstärke und Qualitäten im Eins-gegen-Eins werden gefordert.

Mit Gnabry, der wohl allein wegen eines Muskelbündelrisses Ende April seinen Traum von der WM-Teilnahme begraben musste, dem kurz vor dem Turnier noch ausgebooteten Sané sowie den schnellen Angreifern Julian Brandt und Werner verfügt Löw über ein junges, hungriges Angriffsquartett. Gnabry, mit 23 Jahren noch der älteste, könnte bald zum Gesicht des Neuanfangs werden.

 

Arrivierte Kräfte wie Müller könnten nach dem WM-Fiasko eher in die zweite Reihe rücken. Gegen Peru (2:1) stand Müller nur sechs Minuten auf dem Rasen. Auch bei der 0:3-Klatsche gegen die Niederlande musste der 29-Jährige nach schlechter Leistung früh weichen. Und gegen Frankreich wurde er erst kurz vor Schluss für Gnabry eingewechselt.

Ein Gesicht des Neuanfangs beim FC Bayern

Auch im Dress der Bayern verdrängte Gnabry seine gestandenen Kollegen Müller, Robben, Franck Ribéry oder James Rodríguez mehrfach. Mit Leistungen wie gegen den BVB, als Gnabry das 1:0 durch Lewandowski mustergültig vorbereitete, zahlte er den Kredit zurück. 

Der Flügelspieler überzeugte trotz der 2:3-Niederlage mit Tempo und Einsatzwillen. Eine Woche zuvor erlöste er die kriselnden Münchner im Heimspiel gegen Freiburg (1:1) mit dem Führungstreffer - sein erstes Tor im Bayern-Dress.

Zusammen mit den beiden anderen jungen Nationalspielern im Kader, Joshua Kimmich und Niklas Süle, könnte Serge Gnabry auf lange Sicht den FC Bayern prägen. Die Qualitäten hat der Angreifer allemal.

Gnabrys Defizit: Die Effektivität

Was dem 23-Jährigen noch fehlt, ist wohl vor allem die Effektivität. Zwar sucht der ehemalige Werderaner oft den Abschluss, rund alle 30 Minuten schießt Gnabry im Schnitt in der Liga aufs Tor.

Dennoch kommt er in den 15 Pflichtspieleinsätzen unter Kovac auf lediglich drei Scorerpunkte - für einen Offensivspieler eine mehr als ausbaufähige Quote.

Zu oft verzettelt er sich zudem im Zweikampf, findet zu spät den Blick für den Mitspieler. Von FCB-Goalgetter Robert Lewandowski gab es nicht umsonst schon mehrfach einen deutlichen Rüffel. 

Dennoch: Mit dem enormen Selbstvertrauen und der weiterhin steigenden Leistungskurve im Rücken dürfte der Angreifer wohl auch in Zukunft eine echte Waffe sein. Sowohl in Rot, als auch in Weiß.

Gerrit Kleiböhmer