27.01.2014 12:27 Uhr

Paolo Di Canio flirtet mit West Ham

Paolo Di Canio (Zweiter von links) mit Freunden in seiner West-Ham-Loge.
Paolo Di Canio (Zweiter von links) mit Freunden in seiner West-Ham-Loge.

Fünf Manager haben in dieser Saison in der englischen Premier League schon vorzeitig den Sessel räumen müssen. Der erste war Paolo Di Canio. Der Italiener schimpfte nun in einem Interview mit der BBC mächtig gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber Sunderland AFC. Am liebsten würde er bei West Ham United anheuern, selbst wenn die "Hammers" absteigen: "Dort haben sie mich wie ein Familienmitglied behandelt."

Von 20 Managern in der Premier League haben im Kalenderjahr 2013 zwölf vorzeitig den Job verloren. 2012 waren es acht, 1997 beispielsweise nur fünf, 1999 gar nur drei. In dieser Saison wurden bislang Paolo Di Canio (Sunderland, 5. Spieltag), Ian Holloway (Crystal Palace, 8. Spieltag), Martin Jol (Fulham, 13 Spieltag), Steve Clarke (West Brom, 16. Spieltag) und Malky Mackay (Cardiff, 18. Spieltag) vorzeitig vor die Tür gesetzt.

Akut gefährdet ist Sam Allardyce von West Ham United. Tabellenplatz 18, das Aus im FA-Cup gegen Zweitligist Nottingham (0:5) und das Aus im League-Cup gegen Manchester City (0:6 und 0:3) sprechen klar gegen ihn. Zuletzt skandierten die Fans im Upton Park schon wieder "Paolo Di Canio! Paolo Di Canio! Paolo Di Canio!" Also just den Namen jenes Managers, der diese Saison als erster die Segel streichen musste.

Im Osten Londons ist der streitbare Di Canio nach wie vor äußerst beliebt. Von Jänner 1999 bis Juni 2003 erzielte er in 118 Spielen 48 Tore für die "Hammers". So lange hat er es in seiner 23-jährigen Karriere bei keinem Klub ausgehalten. Im Frühjahr 1999 schoss Di Canio West Ham sogar auf Platz fünf der Premier League. Allerdings kickten damals auch noch aufstrebende Spieler wie Rio Ferdinand oder Frank Lampard. Und dort hatte sich Di Canio ("Ich bin ein Faschist, aber kein Rassist") für seine Verhältnisse auch sonst gut im Griff.

Natürlich nützte er jetzt die aufkeimende Hoffnung der Fans auf sein Comeback auch gleich in einem Interview mit der BBC. "Jetzt darüber zu reden, wäre unfair", so Di Canio zunächst noch verhalten, "aber es wird eines Tages passieren, egal ob sie auf- oder absteigen. Das ist offensichtlich. Das ist mein Schicksal. Dort haben sie mich wie ein Familienmitglied behandelt."

Di Canio: "Ist der Klub schwach, glaubt er den Spielern"

"Leute mit Ambitionen wollen Paolo Di Canio", sagt Paolo Di Canio. Bei Sunderland - das er letzte Saison vor dem Abstieg gerettet hatte, ehe er diese Saison nach fünf Spielen mit nur einem Punkt entlassen wurde – wäre das nicht der Fall. "Wenn der Klub schwach ist, glaubt er den Spielern. Wenn er stark ist, glaubt er dem Manager … ich bin als Spieler nie zum Klubchef gegangen. Das ist etwas für Feiglinge", so Di Canio.

Er habe immer jeden in die Augen schauen können. "Manchmal sind Manager nicht gut genug für bestimmte Gruppen. Manchmal sind bestimmte Gruppen nicht gut genug für den Manager. Hier war es letzteres", so Di Canio. Allerdings hat er im Sommer 14 neue Spieler (darunter vier Italiener) bekommen und zehn Spieler (darunter keinen Italiener) aussortiert. Allardyce hat bei West Ham im Jänner auch schon wieder sieben Neue dazu bekommen, darunter erst Samstag die beiden zeitweiligen italienischen Teamspieler Marco Borriello und Antonio Nocerino.
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Vorgänger von Allardyce bei West Ham United war Avram Grant. Mit dem Israeli hatte "Hammers"-Klubchef David Gold viel Geduld. Der Porno-Magnat ließ ihm 2010/11 einen äußerst schlechten Saisonstart mit nur zwei Siegen bis Ende November durchgehen und hatte auch kein Problem, dass Grant am 18. September 2010 die Arbeit verweigerte, um einen jüdischen Feiertag zu begehen. Just da holten die "Hammers" ihren ersten Punkt (1:1 in Stoke). Erst als nach 37 von 38 Spieltagen nach einem 2:3 bei Wigan der Abstieg fixiert war, wurde Grant (Vertrag bis 2014) von Gold entlassen.
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Martínez: "Wir sollten hier nicht Europa kopieren"

Für Wigan bedeutete das damals den Klassenerhalt, und dass Manager Roberto Martínez im Amt bleiben durfte, was in weiterer Folge den FA-Cup-Triumph der "Latics" 2013 (mit Paul Scharner) ermöglichte. Scharner und Co. stiegen dann allerdings auch ab, woraufhin Martínez ein Angebot von Everton annahm.

Er meint über die "Hire and Fire"-Politik in England: "Hier entscheidet traditionell der Manager über die Philosophie und da dürfen ein paar schlechte Ergebnisse keine Auswirkungen haben. In Europa waren viele recht eifersüchtig auf dieses System. Aber in den letzten zwei Jahren wurden hier alle nervöser. Wir sollten nicht die anderen kopieren, sondern uns diese gute britische Tradition bewahren."

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Thomas Schöpf