12.03.2014 11:03 Uhr

Ein gefallener Held: Kießling in der Krise

Beschimpfungen und Bedrohungen haben bei Stefan Kießling Spuren hinterlassen. Foto: Marius Becker
Beschimpfungen und Bedrohungen haben bei Stefan Kießling Spuren hinterlassen. Foto: Marius Becker

Fünf Monate liegen zwischen einem der schönsten und dem folgenschwersten Moment der Fußball-Karriere von Stefan Kießling.

Als er am 18. Mai 2013 seinen 25. Treffer beim Hamburger SV erzielte und Torschützenkönig der Bundesliga wurde, forderten viele die Rückkehr des Stürmers von Bayer Leverkusen in die Nationalelf. Als er aber am 13. Oktober das Phantomtor in Hoffenheim köpfte, wurde er zum Buhmann. "Dass dies einen verfolgen kann, war klar, aber dass es solche Ausmaße angenommen hat, war scheiß schwer", sagte er.

Die Beschimpfungen und Bedrohungen nach dem irregulären, aber auch nachträglich nicht annullierten Treffer durch ein Loch im Netz haben Spuren bei dem 30 Jahre alten Profi hinterlassen. Seitdem schoss er bis zum Achtelfinal-Rückspiel bei Paris St. Germain in 22 Pflichtspielen nur sechs Tore, in den vergangenen 14 Liga-Partien war es nur ein Treffer. Medien verquickten die aktuelle Misere des Werksklubs mit Kießlings Ladehemmung.

"Keine Zeitungen mehr gelesen"

"Das ist keine schöne Situation. Ich habe seit Wochen keine Zeitungen mehr gelesen", berichtete Kießling. "Die ganze Saison ist für mich schwierig. Ich will es nicht als Ausrede nutzen, aber es ist eine sehr, sehr schwierige Zeit."

Bayer-Geschäftsführer Michael Schade hat Mitgefühl mit seinem in einer Formkrise steckenden Offensivmann. "Stefan tut mir leid, weil er am meisten darunter leidet", sagte er. "Im Moment ist er körperlich blockiert und hat auch eine Blockade im Kopf." Um die Torflaute zu beenden, würden Erfolgserlebnisse helfen. "Als Stürmer klappt es am besten mit einem Tor", weiß Kießling. "Ich muss Gas geben, um da rauszukommen."

Seit er 2006 vom 1. FC Nürnberg an den Rhein wechselte, ist der laufstarke Stürmer im unermüdlichen Dauereinsatz bei Bayer 04. Mit Ausnahme der Saison 2010/11, in der er nur 22 Liga-Einsätze hatte, stand er in jeder Bundesliga-Spielzeit mehr als 30 Spiele auf dem Platz; in den vergangenen zwei Spielzeiten wirkte er jeweils in allen 34 Partien mit. Kein Wunder, dass er am 15. Februar schon seine 300. Partie in der höchsten deutschen Fußball-Klasse feiern konnte.

Nie der Durchbruch in der Nationalmannschaft

"Ich bin stolz darauf. Wenn ich diese Zeit mal runterrechne auf die zehn Bundesliga-Jahre, heißt das, dass ich fast immer durchgespielt habe", meinte Dauerbrenner Kießling, der in den inzwischen 303 Spielen 121 Tore erzielte. Doch wie viele Treffer er auch immer vorweisen konnte: In der Nationalmannschaft konnte er nie wirklich Fuß fassen, bestritt nur sechs Länderspiele und bekam keinen richtigen Draht zu Bundestrainer Joachim Löw.

Um das für ihn nervige Hickhack um seine DFB-Team-Tauglichkeit und eine WM-Berücksichtigung zu beenden, erklärte er im vergangenen Sommer selbst, nie wieder unter Löw spielen zu wollen. "Das letzte Jahr war blöd. Man konnte machen, was man wollte", sagte Kießling noch einmal knapp zu dem Reizthema. Für Leverkusen wird der am Rhein zum Publikumsliebling gewordene Torjäger noch einige Jahre spielen: Sein Vertrag ist bis 2017 datiert. Kießling: "Bayer ist mein Verein."

dpa