27.06.2014 11:35 Uhr

Klinsmann entfacht das Soccer-Fieber

USA-Trainer Jürgen Klinsmann ist begeistert von der bisherigen Leistung seines Teams
USA-Trainer Jürgen Klinsmann ist begeistert von der bisherigen Leistung seines Teams

Trotz der 0:1-Niederlage gegen Deutschland war Jürgen Klinsmann am Ende einfach nur erleichtert. Und das nicht nur wegen des geglückten Achtelfinal-Einzugs.

US-Präsident Barack Obama hatte die Flimmerkiste an Bord seiner Air Force One längst ausgeschaltet, da platzte es aus Jürgen Klinsmann heraus. "U-S-A, U-S-A", brüllte der deutsche Trainer zusammen mit Tausenden amerikanischen Fans und reckte seine geballten Fäuste immer wieder in den Abendhimmel von Recife.

Es war nicht bloß die pure Freude über den geglückten Achtelfinal-Einzug seines Teams. Denn all die Anspannung der letzten Tage, Wochen, gar Monate fanden endlich ihr Ventil.

Bohei um das Wiedersehen hat Klinsmann geschlaucht

"Es wurde viel Wind gemacht über die Monate. Ich bin froh, dass das jetzt abgehakt ist. Das beschäftigt schließlich auch die Familie", sagte Klinsmann wenig später mit einem erschöpften Lächeln. Das enorme Bohei um das Wiedersehen mit seiner früheren Mannschaft, allen voran mit seinem damaligen Assistenten Joachim Löw, hatten ihn am Ende sichtlich geschlaucht.

Und doch richtete Klinsmann den Blick schnell wieder nach vorn. "Sicherlich ist es eine große Leistung, das Achtelfinale in dieser Gruppe erreicht zu haben", sagte der 49-jährige Schwabe, "doch jetzt", und plötzlich fingen seine blauen Augen wieder zu leuchten an, "jetzt geht es richtig los." Ab dem Achtelfinale gehe es nur noch darum, ein Spiel zu gewinnen. "Das Taktieren ist vorbei. Und das ist ein super Gefühl", sagte Klinsmann.

Dass in der Runde der letzten 16 am Dienstag in Salvador mit Belgien einer der WM-Geheimfavoriten wartet, ist dem einstigen Sonnyboy des deutschen Fußballs herzlich egal. "Wer auch immer da kommt, wir werden vorbereitet sein", versprach Klinsmann.

Kein Verdruss über schwache Leistung

Im Spiel gegen das deutsche Team konnte "Soccer USA" zwar nicht ganz an die Leistungen der vorherigen Partien gegen Ghana (2:1) und vor allem gegen Portugal (2:2) anknüpfen - doch das war für Klinsmann zweitrangig. "Natürlich können wir es besser, aber wir haben die Gruppe überstanden. Das zählt." Und auch der starke Jermaine Jones (Klinsmann: "Er ist unser Krieger") meinte: "Wir hatten unsere Chancen, aber im Großen und Ganzen sind wir zufrieden. Es ist so gesehen eine schöne Niederlage. Wir sind weiter, das war unser großes Ziel."

Selbst der Gegner zog am späten Donnerstagabend den Hut vor den bisherigen Auftritten des US-Teams. "Das Weiterkommen ist ein großer Sieg für den amerikanischen Fußball", sagte der deutsche Nationalspieler Lukas Podolski und lobte die Arbeit seines früheren Trainers in den höchsten Tönen: "Auch gegen uns haben sie ziemlich stark gespielt."

Podolski ist einer von fünf Spielern (Schweinsteiger, Lahm, Mertesacker und Klose), die bereits beim Sommermärchen 2006 unter dem damaligen Bundestrainer Klinsmann auf dem Platz gestanden hatten. Sie alle wurden von ihrem früheren Mentor nach der Partie am Donnerstag geherzt und gedrückt.

Persönlicher Erfolg - schon jetzt!

Egal, wie es in Brasilien weitergeht - Klinsmann darf die WM schon jetzt als persönlichen Erfolg werten. Mit dem Achtelfinal-Einzug in der "Todesgruppe G" hatte vor dem Turnier kaum jemand in den Staaten gerechnet - und so löste das unerwartete Weiterkommen nicht bloß bei Präsident Obama, der die Partie gegen Deutschland im Flieger schaute, wahre Jubelstürme aus.

Tausende Fans auf Public-Viewing-Veranstaltungen in ganz Amerika und selbst die Soldaten in Afghanistan feierten Klinsmann und seine "deutsch-amerikanische" Rasselbande bei den drei teilweise begeisternden Vorrunden-Auftritten in Brasilien. Der WM-Virus hat die USA rechtzeitig zum Beginn der K.o.-Phase erreicht.

Auch bei den großen Zeitungen ist der World Cup inzwischen "front page news". Plötzlich sei das ganze Land "fußballverrückt" geworden, heißt es nicht nur auf den Sportseiten, sondern in Aufmachern und Leitartikeln. Spätestens das dramatische Remis gegen Portugal im zweiten Gruppenspiel war so etwas wie ein Erweckungserlebnis. Durchschnittlich 18,2 Millionen Menschen sahen auf ESPN zu, so viele wie nie in den USA bei einem Fußballspiel.

Mehr dazu:
>> Müller schießt DFB-Elf zum Gruppensieg

sid