29.06.2014 12:15 Uhr

Kolumbiens Hoffnung trägt einen Namen

Kolumbiens James Rodriguez verzückt die Fußball-Welt. Foto: Paolo Aguilar
Kolumbiens James Rodriguez verzückt die Fußball-Welt. Foto: Paolo Aguilar

Nach dem historischen WM-Coup war es mit der Schüchternheit von Kolumbiens neuem Nationalhelden James Rodriguez endgültig vorbei.

Noch immer berauscht von seinem Doppelpack beim 2:0 über Uruguay und dem erstmaligen Einzug ins WM-Viertelfinale sagte der 22-Jährige auch dem nächsten Gegner, Gastgeber Brasilien, den Kampf an. "Sie spielen gut, aber das müssen sie auch, weil wir gefährlich sein können. Wir sind dabei, Geschichte zu schreiben", prophezeite der kolumbianische Stürmerstar und dokumentierte damit das widererstarkte Selbstbewusstsein seines krisenerschütterten Landes. Edel-Fans wie Popstar Shakira und Staatschef Juan Manuel Santos tragen stolz das Nationaltrikot, nach Jahrzehnten voller Drogenkriege und Guerillagewalt freut sich Kolumbien über das kollektive Glücksgefühl - James sei dank.

Durch seine Turniertore vier und fünf beim überzeugenden Auftritt gegen ein schwaches Uruguay gehört der Angreifer vom AS Monaco schon jetzt zu den Stars dieser Spektakel-WM. Sogar Uruguays Coach Oscar Tabárez zählt Rodríguez voller Anerkennung zu den ganz Großen. "Maradona, Messi, Suárez, James Rodriguez: Sie können Sachen, die sie speziell machen", sagte Tabárez. "Der Fußball braucht Spieler mit diesen Qualitäten. James ist der beste Spieler der WM." Auch Kolumbiens Trainer José Pekerman geriet beim Reden über seinen Ausnahmespieler ins Schwärmen. "Er hat alle notwendigen Voraussetzungen für absolutes Weltniveau."

Falcaos Ausfall geht im James-Jubel unter

Technisch perfekt, läuferisch stark und verdammt treffsicher erfüllt das Wunderkind alle Voraussetzungen, es mit den Messis, Ronaldos und Robbens dieser Welt aufzunehmen. Die Art und Weise wie er Kolumbien vor der Pause in Führung brachte, wird noch in Jahrzehnten in jedem WM-Rückblick zu sehen sein. Höchst anspruchsvoll nahm er den Ball mit der Brust an, um ihn nur eine Bewegung später volley unter die Latte des uruguayischen Tores zu hämmern.

"Mit Abstand das beste Tor der WM, das James gerade geschossen hat", twitterte Radamel Falcao. Als Kolumbiens verletzter Stürmerstar nach seinem Kreuzbandriss vor der WM den Wettlauf mit der Zeit verloren hatte, schienen die großen Ambitionen Kolumbiens auf einen Schlag verflogen. Es kam alles ganz anders. Seit Rodriguez am Zuckerhut in jedem Spiel mindestens einmal getroffen hat, redet niemand mehr von Falcao. Alle sprechen und schwärmen nur noch von Rodriguez.

Ein ganzes Land von Stolz erfüllt

"Was für ein Stolz!!!", twitterte Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos. "Unsterblicher Jubel!", schrieb die Zeitung "El Tiempo". "Lasst uns jetzt in Frieden feiern!", kommentierte das Blatt in Anspielung auf die Friedensgespräche mit der Farc-Guerilla.

Nach dem 1:0 lief Rodriguez jubelnd zur Eckfahne und führte mit den Teamkollegen einen Freudentanz auf - und machte auch dabei eine vorzügliche Figur, obwohl der große Salsa-Liebhaber noch eigener Aussage gar nicht tanzen kann. Mit seinem zweiten Treffer nach Traumkombination über vier Stationen machte er kurz nach der Pause den größten Erfolg in der Fußball-Historie des südamerikanischen Landes perfekt.

Rodriguez vs. Neymar im Viertelfinale

Auf der Tribüne jubelte Kolumbiens Fußball-Legende Carlos Valderrama ausgelassen mit. Für Rodriguez ist der Ex-Mittelfeldstratege mit dem Lockenkopf noch heute sein absolutes Vorbild. "Schon als Junge habe ich Carlos verehrt und wollte immer so sein wie er", sagte "El Pibe Nueva", das "neue Kind", wie er in seiner Heimat in Anlehnung an Valderramas Spitznamen ("El Pibe") genannt wird.

Nun kommt es am Freitag in Fortaleza zum Stürmer-Showdown zwischen Rodriguez und Neymar. Nach den kampfstarken Chilenen dürften die spielerisch brillanten Kolumbianer eine noch sehr viel höhere Hürde für die Seleção sein. "Das wird ein großartiges Match, weil beide Teams Spieler haben, die spielen wollen", erklärte Pekerman. "Wir haben keinen Druck", meinte Rodriguez, der mit der Schwester von Torwart David Ospina liiert ist. Nach jedem Tor küsst er seinen Arm und grüßt damit die gemeinsame Tochter in der Heimat.

Dort verehren ihn die Landsleute. Kolumbien lechzt förmlich danach, durch Erfolge wie derzeit bei der WM positiv wahrgenommen zu werden. Auch Rodriguez hat seine Geschichte mit dem Drogenkrieg. Sein Onkel verlor im Kugelhagel sein Leben. Mit 14 zog er von zu Hause aus, um sich den Traum vom Profi zu erfüllen. Nun verzückt er am Zuckerhut die Fußball-Welt. Am 12. Juli feiert Rodriguez seinen 23. Geburtstag, einen Tag später steigt im legendären Estádio do Maracanã das WM-Finale. Eine bessere Bühne für eine rauschende Geburtstagssause könnte es für "El Pibe Nueva" nicht geben.

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dpa