27.06.2018 10:27 Uhr

2002: Kündigung nach historischem Golden Goal

Ahns Golden Goal in der 116. Spielminute
Ahns Golden Goal in der 116. Spielminute

Alle vier Jahre wird bei WM-Endrunden Geschichte geschrieben. Während der Weltmeisterschaft in Russland erinnert weltfussball an kuriose Ereignisse und unvergessene Momente. Heute: Die Höhen und Tiefen des Jung-Hwan Ahn.

Der Stern der südkoreanischen Nationalmannschaft stieg bei der WM 2002 im eigenen Lande in unermessliche Höhen. Gleichzeitig fiel dabei aber der Held des Tages in Tiefen, aus denen er nie wieder richtig hervorkam.

Es ist bereits die 116. Minute im Achtelfinalspiel zwischen WM-Gastgeber Südkorea und Italien. Aus dem linken Halbfeld segelt eine Flanke in den Strafraum der Azzurri. Ungedeckt steigt Jung-Hwan Ahn zum Kopfball hoch. Leicht mit dem Rücken zum Tor stehend, drückt er die Kugel instinktiv in Richtung rechte untere Torecke. Italiens Schlussmann Gianluigi Buffon ist geschlagen und das Leder schlägt im Kasten ein.

Ahn hat soeben das Golden Goal für seine Mannschaft erzielt und ihr damit den Einzug ins Viertelfinale beschert. Ein denkwürdiges Tor nicht nur für die Südkoreaner, die damit zum ersten Mal in ihrer WM-Geschichte den Einzug in die Runde der letzten Acht geschafft hatten. Nein, auch in Italien dürfte man sich bis heute an dieses bittere Aus und seine Folgen erinnern.

''Den italienischen Fußball ruiniert''

Während in Südkorea die Stimmung überkochte und Ahn den Status eines Volkshelden einnahm, verschwor sich in Italien alles gegen den Südkoreaner, der doch einfach nur das Beste für sein Heimatland gegeben hat. Zur WM noch als Angestellter des AC Perugia gereist, bekam Jung-Hwan Ahn quasi im Moment seines Golden Goals das Kündigungsschreiben zugeschickt.

Perugias Klub-Chef Luciano Gaucci, der Ahn einst unbedingt für sein Team haben wollte, um einen kommenden asiatischen Star in seiner Mannschaft zu haben, war über den Treffer des Südkoreaners so verärgert, dass er ihn prompt entließ. ''Ich werde nicht das Gehalt eines Spielers zahlen, der den italienischen Fußball ruiniert hat", wurde Gaucci einst in der "Gazzetta dello Sport" zitiert.

Trotz einer herausragenden Leistung von Ahn bei der Weltmeisterschaft verzichtete Perugia fortan auf die Dienste des südkoreanischen Angreifers. "Ich will ein Signal für Italiens Fußball setzen und statt Ahn Fabio Gatti spielen lassen", ließ der damalige AC-Trainer Serse Cosmi noch verlauten.

Und nicht nur in Perugia wollte man künftig nichts mehr vom ihm sehen, kein italienischer Klub bemühte sich mehr ernsthaft, den Stürmer unter Vertrag zu nehmen. Weil sich auch sonst niemand in Europa als Abnehmer für Südkoreas neuen Helden finden ließ, verschlug es Ahn ins ''Land der aufgehenden Sonne'' zu Shimizu S-Pulse.

Kein Erfolg mehr in Europa

Nach drei durchwachsenen Jahren in Japan, in denen Ahn trotz passabler Einsatz- und Torquote der Ruf eines verletzungsanfälligen Spielers anhaftete, wagte der ''Herr der Ringe'', wie Ahn für seinen Ringkuss nach jedem Tor liebevoll genannt wurde, noch einmal einen Anlauf in Europa. Der FC Metz gab dem Südkoreaner im Sommer 2005 eine Chance, sich erneut in Europa zu beweisen.

Doch bereits zur Winterpause zeigte man sich ernüchtert vom Können des Asiaten und verkaufte ihn an den MSV Duisburg nach Deutschland. Als Wunschspieler des damaligen MSV-Trainers Jürgen Kohler geholt, fasste der Stürmer auch in der Bundesliga nicht richtig Fuß und beendete nach zwölf Partien und zwei Toren für die ''Zebras'' endgültig das Abenteuer Europa und kehrte in seine Heimat zu den Suwon Bluewings zurück.

Im Januar 2012 erklärte Ahn nach zwei weiteren von mittelmäßigem Erfolg geprägten Stationen in Südkorea und China im Alter von 36 Jahren seinen Rücktritt aus dem aktiven Fußballerleben und hinterließ damit letztlich nur eine Frage: Was wäre gewesen, wenn er damals nicht das Golden Goal erzielt hätte?

Nils Marlow